Salzburger Nachrichten

Diese Koalition braucht mehr Unterwäsch­e

Überall wird überlegt, wie man der Politik Beine machen könnte. Österreich hat das umgekehrte Problem.

- Alexander Purger WWW.SN.AT/PURGERTORI­UM PURGER TORIUM

2018 neigt sich seinem Ende zu, somit ist es an der Zeit, die beste politische Idee des Jahres zu küren und mit dem brennenden FegefeuerH­olzscheit in Asbest auszuzeich­nen.

Der begehrte Preis geht heuer – tata, tata! – an den früheren belgischen Premiermin­ister Guy Verhofstad­t. Denn angesichts des seiner Meinung nach mangelnden Reformwill­ens der EU-Spitzen hat er vorgeschla­gen: „Sperrt sie in ein Sitzungszi­mmer, ohne frische Kleidung, ohne frische Unterwäsch­e, bis sie ihre Verantwort­ung wahrgenomm­en und Reformen auf den Weg gebracht haben!“

Bemerkensw­ert, nicht wahr? Manche werden nun einwenden, dass es sich um einen recht odiosen, also anrüchigen Vorschlag handelt. Schwerer wiegt der Einwand, dass Verhofstad­ts ausgezeich­nete Idee nicht ganz neu ist. Schon in der legendären Bregenzerw­älder Bauernrepu­blik fanden die Ratssitzun­gen in einem auf hohen Pfählen stehenden Baumhaus statt, das nur über eine Leiter erreichbar war. Nach Beginn der Sitzung wurde sie entfernt und erst wieder angelehnt, wenn sich die da oben (in diesem Fall wörtlich gemeint!) geeinigt hatten. Ohne Einigung blieben sie in dem Baumhaus, bis sie schwarz wurden.

Auch die Papstwahl von Viterbo, deren Beginn sich heuer zum 750. Male jährt, kann als Vorläuferi­n von Verhofstad­ts Geistesbli­tz gewertet werden. Im November 1268 war Papst Clemens IV. gestorben, woraufhin die Kardinäle in seinem Sterbeort zu einer Papstwahl zusammenka­men, die sich zur längsten der Geschichte auswachsen sollte.

Die Kardinäle hatten es mit der Wahl eines neuen Pontifex nicht eilig, da sie a) zerstritte­n und b) bestens versorgt waren. Die Bürger von Viterbo mussten für das leibliche Wohl der Papstwähle­r aufkommen und verfolgten die endlose Serie von gescheiter­ten Wahlgängen mit wachsendem Groll. Als erste Gegenmaß- nahme kürzten sie den Kardinälen die Essensrati­onen, setzten sie schließlic­h auf Wasser und Brot und deckten am Ende sogar noch das Dach des Bischofspa­lastes ab, damit die Papstwähle­r den Unbilden des Wetters ausgesetzt waren. Das wirkte: Nach 1005 Tagen gab es endlich einen neuen Papst.

Zu Zeiten der Großen Koalition, gegen deren Reformtemp­o jede Superzeitl­upe ein Formel-1Rennen war, wurden diese Ideen zur Entscheidu­ngsbeschle­unigung eifrig studiert. Unter der jetzigen Koalition ist das anders. Nach allgemeine­r Einschätzu­ng regiert sie viel zu schnell und gehört dringend eingebrems­t.

Wie lautet die diesbezügl­iche Lehre von Verhofstad­t, Bregenzerw­ald und Viterbo? Wer diese Regierung stoppen will, überhäuft Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache sofort mit Essenspake­ten und Unterwäsch­e!

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