Der Präsident ist ratlos
Emmanuel Macron hat es angesichts der gewalttätigen Proteste die Sprache verschlagen. Jetzt soll die Regierung mit den „Gelbwesten“verhandeln. Aber die lassen ein Treffen platzen.
Ratlos: Das ist das Einzige, was man derzeit über Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron sagen kann. Der Mann, der sonst so selbstsicher auftritt und auf alles eine Antwort zur Hand hat, schweigt. Nach der Fernseherklärung aus Buenos Aires, in der er das Recht der Bürger auf Protest grundsätzlich anerkannte, die gewalttätigen Demonstrationen gegen die ökologisch begründete Erhöhung der Treibstoffsteuer aber verurteilte, hüllte er sich in Schweigen. Ohne ein Wort blieb er auch, als er sich am Sonntag nach der Rückkehr vom G20-Gipfel ein Bild von den Verwüstungen verschaffte, die jene Randalierer, die sich unter die „Gelbwesten“gemischt hatten, am Wochenende in Paris und in Städten der Provinz angerichtet hatten. Der Schock über die Zerstörungen war ihm und seinen Begleitern deutlich anzusehen. Aber auch die Ratlosigkeit.
Dabei hat es an Vorschlägen, was nun zu tun sei, keinen Mangel. Auch nicht an Gegenvorschlägen. So brachte Innenminister Christophe Castaner schon früh die Erneuerung des Ausnahmezustands, der nach den Terroranschlägen von 2015 bis Ende 2017 gegolten hatte, ins Gespräch. Das verwarf Justizministerin Nicole Belloubet als ungerechtfertigt. Präsident Macron ging in einer ersten Krisensitzung der Regierung am Sonntag gar nicht weiter auf diesen Vorschlag ein.
Nicht nur in der Regierungspartei La République en Marche (LRM) ist die Ratlosigkeit groß. Ebenso in der Opposition, die diese Situation indessen mit Forderungen zu überdecken suchte, die wie das von Laurent Wauquiez von der bürgerlichen Rechten verlangte Referendum oder die von Marine Le Pen, der Führerin der extremen Rechten, propagierte Auflösung des Parlaments einer Kapitulation der Regierung gleichkämen.
Anders als viele seiner Amtsvorgänger, die vor ähnlichen Protesten zurückwichen, scheint Präsident Macron entschlossen, trotz des Widerstands von seiner Treibstoffsteuer keine Abstriche machen zu wollen. Ende November hatte er noch zum Ausgleich der Belastung gerade für Bezieher kleinerer Einkommen begleitende Maßnahmen angekündigt. Doch an der Substanz der Steuer wollte er nicht rütteln lassen. Inzwischen aber sind die Forderungen der „Gelbwesten“viel umfangreicher geworden. Sie verlangen nicht nur den Verzicht auf die Spritsteuer, sondern neben der Erhöhung von Mindestlohn und Renten auch Konferenzen über Steuer- und Sozialgerechtigkeit.
Auch wenn Macron nicht als Umfaller gelten will, musste er jetzt darauf eingehen. Seiner Regierung erteilte er daher den Auftrag, nach den Konsultationen der Fraktionen im Parlament mit den „Gelbwesten“ ins Gespräch zu kommen. Die sagten ihre Teilnahme an einem für heute, Dienstag, geplanten Treffen jedoch ab. Zwei Vertreter der Protestbewegung sagten, sie seien von Hardlinern bedroht worden, weil sie mit Regierungsvertretern sprechen wollten. Die Schwierigkeit in der Konfrontation mit der Protestbewegung ist nicht das Finden von Kompromissen, sondern von Gesprächspartnern. Schon vorigen Freitag glaubte die Regierung, bei einem aus acht „Gelbwesten“gebildeten „Sprecherrat“an der richtigen Adresse zu sein. Deren Treffen mit Premierminister Édouard Philippe war aber nach wenigen Minuten zu Ende. Ihre Wortführer hatten ultimativ zur Bedingung gemacht, dass die Unterredung live im Internet übertragen werde. Vorerst gibt es im Konflikt keine Annäherung.
Schwierige Suche nach Dialogpartnern