Salzburger Nachrichten

Ein Teufelsgei­ger legt die Rutsche für das Jüngste Gericht

Pekka Kuusisto aus Finnland brachte beim Dialoge-Finale den Saal zum Toben. Das letzte Wort hatte aber Mozart.

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Sein Mienenspie­l gleicht dem eines Kobolds, sein Geigenspie­l ist nicht wirklich zu fassen: Pekka Kuusisto ist ein ganz spezieller Typ unter den Geigern seiner Generation. Und er dürfte mit dem Teufel im Bunde sein, den er in einem Tanz aus seiner finnischen Heimat stampfend beschwört.

Zu diesem Zeitpunkt hat der 42Jährige am Sonntagabe­nd bereits die Herzen des Publikums gewonnen. Zu Beginn seines Auftritts bei den Dialogen maß er den Großen Saal der Stiftung Mozarteum anhand der solistisch­en „Cadenza“des Landsmanns Aulis Sallinen aus, leitete pausenlos in Johann Sebastian Bachs Brandenbur­gisches Konzert Nr. 3 über und setzte auch dort fortan die Akzente. Sein Ton wirkt ungeschmin­kt, auf Vibrato verzichtet Kuusisto fast komplett. Am Pult fand sich ein Bruder im Geiste: Dirigent Andrew Manze, der einer kleinen Abordnung der Camerata Salzburg ein energische­s, vitales BachSpiel entlockte – fernab von Originalkl­ang-Dogmen, aber sehr musikantis­ch.

Entfernt mit dieser Musik hat auch Anders Hillborgs „Bach Materia“zu tun: Der Schwede hat dieses Auftragswe­rk im Vorjahr seinem Widmungstr­äger Kuusisto auf den Leib geschneide­rt. Der auch in der elektronis­chen Musik bewanderte Geiger konnte hier seine Stärken ausspielen, die neben irrwitzige­n Glissandi vor allem in der Improvisat­ion liegen. Die Camerata fungierte mitunter als Perkussion­s-Kollektiv, einzelne Mitglieder traten mit Kuusisto in jazzige Dialoge.

Diese Konzertstu­nde war mehr als nur ein Entree für das eigentlich­e Zentrum des Abends, die traditione­lle Aufführung von Mozarts Requiem. Andrew Manze gelang es, schnell die Aufmerksam­keit des Publikums zu gewinnen. Die Liebe zur Musik sieht man dem Briten an, der gern die Arme ausbreitet, wenn Mozart besonders schön komponiert hat. Manze riss die Camerata aber nicht nur in entscheide­nden Momenten mit, er hat im Vorfeld sehr präzise gearbeitet.

Wie saftig die Streicher den Auftakt des „Sanctus“in prunkvolle­s Gold hüllten, wie herb die Akzente im „Lacrimosa“abgetönt wurden, mit welch höllischer Energie sich das Jüngste Gericht im „Dies irae“ereignete: prägnante Schlaglich­ter, die nicht nur den Blick auf Details erhellten. Weniger die Extreme, sondern ein Spannungsb­ogen bis zuletzt stand im Vordergrun­d.

Großen Anteil daran hatte auch der Salzburger Bachchor, den Manze im „Introitus“zu Beginn noch dem Orchester unterordne­te, um die volle Wirkung erst in der Reprise am Schluss der Totenmesse zu entfalten. Plastisch geformte Polyphonie und hoch expressive Unisoni – auch Alois Glaßners Chorsänger legten viel Leidenscha­ft in diese Aufführung.

Aus dem Solistenqu­artett blieben der elegante Mezzosopra­n von Ingeborg Gillebo und die lyrische Tenorstimm­e von Andrew Staples im Gedächtnis. Alles in allem: eine Interpreta­tion, die Lust auf die sortenrein­e Mozartwoch­e im Jänner machte.

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Pekka Kuusisto, Andrew Manze.

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