Salzburger Nachrichten

Gut, besser, Shiffrin ist die Beste

Mit 23 gehört sie zum Besten, was Skisport je zu bieten hatte. Ein Ende ist nicht in Sicht.

- CHRISTIAN MORTSCH

LAKE LOUISE. Sie ist 23 Jahre jung, hat 46 Rennen und sieben Kristallku­geln im Skiweltcup gewonnen, dazu fünf Olympia- und WM-Medaillen in Gold daheim hängen. Und sie ist seit Sonntag die erste Athletin, die in allen sechs Diszipline­n auf dem obersten Podest stand. So weit die Fakten, die das Phänomen Mikaela Shiffrin skizzieren. Die Ausnahmeer­scheinung zu erklären, dafür scheinen nicht einmal mehr Superlativ­e zu reichen. Die USAmerikan­erin stellt nicht nur ihre aktuellen Konkurrent­innen in den Schatten, sondern sogar die Größten aller Zeiten.

Dass Shiffrin alles mitbringt, um ständig neue Maßstäbe zu setzen, Rekorde zu brechen und über viele weitere Jahre ihren Sport zu dominieren, war bekannt. Hätte es dafür noch einen Beweis gebraucht, dann hat sie den aktuellste­n in Lake Louise geliefert. Im Super G setzte Shiffrin eine derart große Lücke zwischen sich und den Rest der Skiwelt, die man bisher nur im Slalom sah. Einen „perfekten Lauf“habe sie erwischt. Dass dieser ein weiteres Kapitel ihrer immer noch jungen Erfolgsges­chichte war, lässt sogar sie selbst staunen. „Es war ein Kindheitst­raum, dass ich in allen Diszipline­n gewinne. Aber dass es jetzt schon passiert, ist verrückt. Es ist wirklich unglaublic­h“, sagt Shiffrin.

Als siebte Läuferin nach Petra Kronberger, Pernilla Wiberg, Janica Kostelić, Anja Pärson, Lindsey Vonn und Tina Maze gehört sie nun zum erlesenen Kreis der „Alleskönne­rinnen“. In dem Shiffrin sogar noch einen Sonderstat­us einnimmt, weil sie auch schon Parallelre­nnen gewann. Für den Großteil der genannten Skigrößen hat es diese Möglichkei­t aber freilich noch nicht gegeben. Gratulatio­nen von Maze („Willkommen im Club“) und Vonn („Glückwunsc­h“) ließen nicht lange auf sich warten und werden bei Weitem nicht die letzten gewesen sein.

In der ewigen Bestenlist­e liegt sie nun ex aequo mit Renate Götschl (46 Siege) an vierter Stelle. Vreni Schneider (55) und Annemarie Moser-Pröll (62) wird sie in absehbarer Zeit überholen. Und sogar Lindsey Vonn (82), die bis spätestens nächstes Jahr in Lake Louise den AllzeitRek­ord von Ingemar Stenmark (86) brechen will, wird angesichts der Voraussetz­ungen von Shiffrin in mittlerer Zukunft selbst zur Gejagten. Wer mit 23 Jahren doppelt so viele Rennsiege am Konto hat, dem ist alles zuzutrauen. Zum Vergleich: Vonn war bei ihrem 46. Sieg um vier Jahre älter. Immer vorausgese­tzt, dass Shiffrin weiterhin von größeren Verletzung­en verschont bleibt.

Nach sieben Rennen hält Shiffrin dank dreier Siege und weiterer Topresulta­te bei knapp 500 Punkten, also bei rund doppelt so vielen wie ihre ersten Verfolgeri­nnen Michelle Gisin und Nicole Schmidhofe­r. Nach weniger als einem Viertel der Saison zieht sie im Gesamtwelt­cup einsam ihre Kreise. Für die Konkurrenz ist es unmöglich, Schritt zu halten. Nicht in den vergangene­n zwei Wintern, nicht in diesem und derzeit ist keine in Sicht, die sie in den nächsten Jahren fordern kann. Denn Seriensieg­erin gibt es aktuell außer Shiffrin keine mehr. Vonn ist verletzt und auf Abschiedst­ournee, Anna Veith und Lara Gut sind (noch) nicht auf ihrem Niveau von einst. Auch Ilka Stuhec, Sofia Goggia, Wendy Holdener oder Viktoria Rebensburg fahren „nur“um die kleinen Kugeln, die große scheint aber auf unbestimmt­e Zeit für Shiffrin reserviert.

Als „Wunderkind“gewann Shiffrin vor fast genau sechs Jahren ihr erstes Weltcupren­nen. Seither hat die stets von Mutter Eileen betreute „Mika“die Erwartunge­n sogar noch übertroffe­n. Bisher bekannte Grenzen scheinen nicht mehr zu existieren. Keine vereint Hochbegabu­ng und Ehrgeiz so wie sie. Nun wird sie künftig vermehrt im Speedberei­ch antreten. „Ich hoffe, dass ich auf Lake Louise aufbauen kann“, sagt Shiffrin. Es wäre keine Überraschu­ng, würde sie schon am Wochenende in St. Moritz wieder ganz oben stehen.

Shiffrin war, ist und bleibt das Nonplusult­ra. Für immer?

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BILD: SN/GEPA 2012 gewann Mikaela Shiffrin ihr erstes Weltcupren­nen, am Sonntag ihr 46., ihr erstes im Super G.

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