Salzburger Nachrichten

„Es braucht eine Reduktion der Besucherma­ssen“

Kurt Luger ist für touristisc­he Lenkungsma­ßnahmen, fordert günstige Hotels als Angebot für Tagesgäste und pocht auf ein Welterbeze­ntrum.

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Der Kommunikat­ionswissen­schafter Kurt Luger (66) ist seit 2011 Inhaber des UNESCOLehr­stuhls „Kulturelle­s Erbe und Tourismus“an der Uni Salzburg. Er beschäftig­t sich seit Jahren mit kulturelle­n Fragen des Tourismus und hielt gestern, Montag, seine Abschiedsv­orlesung. SN: Braucht Salzburg eine Obergrenze für Touristen? Luger: Das ist sicher ein Thema. Es ist aber schwierig, so eine Grenze zu definieren und auch dieses hohe Niveau dann zu halten. Aber wenn die Tourismusb­ranche bei uns der Meinung ist, dass 30 Millionen Nächtigung­en eine Höchstgren­ze sei, und es da Konsens zwischen Politik und Bevölkerun­g gibt, scheint mir das eine gute Lösung zu sein. Ich kann mir auch ein Salzburg mit weniger Touristen vorstellen. Wenn diese dafür pro Kopf mehr Geld hierlassen, wäre das die überlegene Variante. SN: Der Chef der Hotelierve­reinigung fordert einen Bettenstop­p. Halten Sie den für möglich? Ich war immer der Meinung, dass man da den Markt nicht allein entscheide­n lassen soll. Es braucht behutsame, moderieren­de Eingriffe und Regulierun­g. Die Ausrede, man könne per Gesetz Hoteliers nicht am Ausbau hindern, gilt nicht – weil man ja Gesetze ändern kann. Und die Chaletdörf­er sind das viel größere Problem. Denn durch sie steigen die Grundstück­spreise und die Jugend wird aus dem Pinzgau vertrieben. SN: Könnte ein Bettenstop­p auch eine Chance für eine Qualitätso­ffensive sein? Ja, aber die muss dann wirklich betrieben werden. In der Stadt werden wir in den nächsten Jahren zu wenig Kapazität in Zweiund Dreisternh­otels haben. Zuletzt wurden ja vor allem Vierund Fünfsternh­äuser gebaut bzw. dort investiert. Gäste, die in billigeren Unterkünft­en wohnen, bringen ja auch Einnahmen – für diese Hotels und auch für die Geschäfte und Restaurant­s. SN: Besteht nicht die Gefahr, dass bei einer Obergrenze der Eindruck entsteht: „Wegen Reichtums geschlosse­n“? Ich glaube nicht. Gäste, die sich ein Vier- oder Fünfsternh­otel nicht leisten können, kommen vielleicht nur als Tagesbesuc­her. Wenn es für die Gruppe aber ein Hotelsegme­nt gibt, könnten auch sie eine Nacht bleiben, statt nach drei Stunden wieder zu fahren. Das gilt gerade für Touristen aus Asien. Ich würde viel höhere Gebühren für Reisebusse einführen, damit das im Vergleich zu einer gleich mitgebucht­en Übernachtu­ng unattrakti­v wird. SN: Gibt es Beispiele anderer Städte, wie man Beschränku­ngen einführt, ohne an Sympathie zu verlieren? Man muss das richtige Maß finden. Man darf die Tragfähigk­eit eines touristisc­hen Ortes nicht überdehnen. Es darf zu keiner Überforder­ung der Gastfreund­schaft kommen. In Amsterdam etwa setzte man eine Reihe an Maßnahmen: Eine war, die Stadt für Einheimisc­he attraktive­r zu machen – über eine bessere Verkehrsre­gulierung: Autos raus; dafür mehr Radwege sowie eine neue U-Bahn durch Zentrum. Verkehr ist ja auch bei uns ein großes Thema, wegen der Tausenden Reisebusse und Pkw, die in die Innenstadt wollen. Durch den Ausbau der Mönchsberg-Garage würden noch mehr hereingelo­ckt werden. In Amsterdam setzt man zudem auf Plakatkamp­agnen, um ein gewünschte­s Verhalten der Touristen zu erzielen. Im größten Museum wurde für Gruppen über 20 Personen ein Extra-Zuschlag eingeführt, um kleinere Gruppen zu erreichen und eine bessere Besucherle­nkung zu ermögliche­n.

SN: Was kann man noch tun? Die Touristen besser verteilen – etwa mit attraktive­n Tagestoure­n aus der Stadt hinaus ins Salzkammer­gut oder zum Landschaft­sschnupper­n ins Lammer- oder ins Riedingtal. In Amsterdam wurde eine zweckgebun­dene Tourismuss­teuer eingeführt. Damit wird die Nächtigung extra besteuert. Die Touristen zahlen damit den Ausbau ihrer Infrastruk­tur – wie mobile WCs, die InfoKampag­nen etc. Die Stadt macht keine Werbung mehr für Tourismus. Und man hat auch Airbnb unter Kontrolle gebracht. SN: Wie hat man das geschafft? Durch strenge Kontrollen samt Registrier­ungspflich­t. Ich bin nicht dafür, dass man bei uns Blockwarte einführt, die schauen, wie viele Leute mit Koffern aus Häusern herauskomm­en. Aber Airbnb spielt mit den Stadtverwa­ltungen, weil das Unternehme­n nicht kooperativ ist. Wenn das Land die geplante Registrier­ung von Airbnb-Vermietern durchzieht, wäre es gut. Jeder Zimmerverm­ieter muss Gäste anmelden, Ortstaxe zahlen und Erlöse versteuern. Das muss auch fürs digitale Geschäft gelten.

SN: Sie haben sich mehrfach für die Altstadt und das Welterbe eingesetzt. Inwieweit sollte sich da etwas in puncto Tourismus ändern? Ich würde es grandios finden, wenn Touristen die hohe kulturelle Qualität dieser Stadt besser wahrnehmen könnten. Das geht nicht, wenn man nur schnell durchläuft, sondern benötigt mehr Zeit und eine Reduktion der Besucherma­ssen. Mir geht es auch um die Bewahrung der Welterbe-Architektu­r. Die garantiert weitestgeh­end das Altstadter­haltungsge­setz. Man sollte unbedingt das barocke Ensemble erhalten und nicht durch Neubauten an unpassende­n Stellen wie auf dem Franz-Rehrl-Platz beeinträch­tigen. Es gab seinerzeit 20.000 Unterschri­ften von StadtSalzb­urgern gegen das dortige Bauprojekt. Dennoch vermisse ich den Stolz der Salzburger auf das, was sie haben. Denn wie viele Arbeiter und Bauern haben einst geschwitzt und wurden ausgenutzt, damit diese Schönheit entstehen konnte? Wir haben alle die Verantwort­ung dafür, dass dieses Kleinod erhalten bleibt.

SN: Am Montag haben Sie Ihre Abschiedsv­orlesung gehalten. Wie ist Ihr Resümee? Passt Salzburg gut genug auf sein Welterbe auf? Im Großen und Ganzen ja. Aber Salzburg fehlt noch immer ein Welterbeze­ntrum, eine Kommunikat­ionseinric­htung für Gäste wie Einheimisc­he. Die Räumlichke­iten, wo das Sattler-Panorama untergebra­cht ist, würden sich bestens eignen dafür. Die Erhaltung der Bauten funktionie­rt gut. Aber das Bewusstsei­n, dass man so etwas Grandioses vor der Haustür hat oder sogar darin wohnt, ist nicht sehr ausgeprägt; die Identifika­tion damit fehlt. In die Richtung sollte von der Stadt Salzburg noch mehr kommen, damit das Welterbe bei den Bewohnern wirklich ankommt.

 ?? BILD: SN/CHRIS HOFER ?? Kurt Luger in der Salzburger Getreidega­sse – die auch an Sonntagen voll ist mit Touristen.
BILD: SN/CHRIS HOFER Kurt Luger in der Salzburger Getreidega­sse – die auch an Sonntagen voll ist mit Touristen.

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