Macron muss für seine Reform-Agenda werben
Die europäischen Partner können nur hoffen, dass Frankreichs Präsident unbeschadet durch diese politische Krise kommt.
Eine Mehrheit der französischen Bevölkerung verurteilt die gewalttätigen Krawalle in Paris. Aber eine Mehrheit der Bürger sympathisiert laut Umfragen mit den Forderungen der neuen Protestbewegung in Frankreich. Das zeigt an, dass Präsident Emmanuel Macron an einem kritischen Punkt seiner Amtszeit angelangt ist.
Als politische Hoffnung, als zupackender Reformer ist dieser Präsident im europäischen Ausland wahrgenommen worden. Aber in seinem eigenen Land ist Macron von Anfang an das Etikett „Präsident der Reichen“angeheftet worden. Seine Wirtschaftsreformen seien zum Vorteil der Wohlhabenden, heißt es. Seine Steuerpolitik verstoße gegen ein Grundprinzip der Französischen Revolution, die Gleichheit.
Entschlossen arbeitet Macron an seinem Projekt einer Transformation Frankreichs. Die Wirtschaft soll stärker wachsen und mehr Jobs schaffen. Anders als viele seiner Vorgänger ist Macron bisher nicht eingeknickt vor Protesten, nicht einmal vor dem Streik der Eisenbahner. Anstoß erregt dieser Präsident vor allem mit seiner Art des Regierens. Er erklärt zu wenig, er kommuniziert zu wenig, er zeigt zu wenig Anteilnahme an den Sorgen im Volk. Deswegen wirkt Macron bei einem Teil der Wählerschaft abgehoben und arrogant.
Die neue Protestbewegung in Frankreich ist keine Revolte der migrantischen Vorstädte. Hier explodiert vielmehr die Wut normaler Bürger, die trotz harter Arbeit mit ihrem Einkommen kaum über die Runden kommen. Sie merken bisher nicht, dass Macrons Reformen im Alltag etwas Positives bewirken. Hier rebelliert das „andere Frankreich“in ländlichen Regionen und kleinen Städten, das sich abgehängt und von der Polit-Klasse vernachlässigt fühlt. Der Unmut über eine neue Ökosteuer auf Treibstoff ist der Auslöser einer Welle von Unzufriedenheit gewesen.
Zum Protest gegen Macrons Politik machen die Demonstranten über soziale Medien mobil. Diese Bewegung hat keine Führungsfiguren, sie kommt ohne den Rückhalt von Gewerkschaften und politischen Parteien aus. Dass in diesem Fall eine amorphe Menge zum politischen Akteur geworden ist, macht es für die Regierenden schwierig, einen Dialog mit den Demonstranten zu beginnen. Aber ohne Korrektur seiner Reformmaßnahmen zugunsten der sozial Schwächeren kann Macron die Stimmung nicht mehr drehen. Das Risiko ist groß, dass Oppositionsparteien bis hin zur extremen Rechten den Bürgerverdruss vor der Europawahl für ihre Zwecke nutzen.