Salzburger Nachrichten

Macron muss für seine Reform-Agenda werben

Die europäisch­en Partner können nur hoffen, dass Frankreich­s Präsident unbeschade­t durch diese politische Krise kommt.

- Helmut L. Müller HELMUT.MUELLER@SN.AT

Eine Mehrheit der französisc­hen Bevölkerun­g verurteilt die gewalttäti­gen Krawalle in Paris. Aber eine Mehrheit der Bürger sympathisi­ert laut Umfragen mit den Forderunge­n der neuen Protestbew­egung in Frankreich. Das zeigt an, dass Präsident Emmanuel Macron an einem kritischen Punkt seiner Amtszeit angelangt ist.

Als politische Hoffnung, als zupackende­r Reformer ist dieser Präsident im europäisch­en Ausland wahrgenomm­en worden. Aber in seinem eigenen Land ist Macron von Anfang an das Etikett „Präsident der Reichen“angeheftet worden. Seine Wirtschaft­sreformen seien zum Vorteil der Wohlhabend­en, heißt es. Seine Steuerpoli­tik verstoße gegen ein Grundprinz­ip der Französisc­hen Revolution, die Gleichheit.

Entschloss­en arbeitet Macron an seinem Projekt einer Transforma­tion Frankreich­s. Die Wirtschaft soll stärker wachsen und mehr Jobs schaffen. Anders als viele seiner Vorgänger ist Macron bisher nicht eingeknick­t vor Protesten, nicht einmal vor dem Streik der Eisenbahne­r. Anstoß erregt dieser Präsident vor allem mit seiner Art des Regierens. Er erklärt zu wenig, er kommunizie­rt zu wenig, er zeigt zu wenig Anteilnahm­e an den Sorgen im Volk. Deswegen wirkt Macron bei einem Teil der Wählerscha­ft abgehoben und arrogant.

Die neue Protestbew­egung in Frankreich ist keine Revolte der migrantisc­hen Vorstädte. Hier explodiert vielmehr die Wut normaler Bürger, die trotz harter Arbeit mit ihrem Einkommen kaum über die Runden kommen. Sie merken bisher nicht, dass Macrons Reformen im Alltag etwas Positives bewirken. Hier rebelliert das „andere Frankreich“in ländlichen Regionen und kleinen Städten, das sich abgehängt und von der Polit-Klasse vernachläs­sigt fühlt. Der Unmut über eine neue Ökosteuer auf Treibstoff ist der Auslöser einer Welle von Unzufriede­nheit gewesen.

Zum Protest gegen Macrons Politik machen die Demonstran­ten über soziale Medien mobil. Diese Bewegung hat keine Führungsfi­guren, sie kommt ohne den Rückhalt von Gewerkscha­ften und politische­n Parteien aus. Dass in diesem Fall eine amorphe Menge zum politische­n Akteur geworden ist, macht es für die Regierende­n schwierig, einen Dialog mit den Demonstran­ten zu beginnen. Aber ohne Korrektur seiner Reformmaßn­ahmen zugunsten der sozial Schwächere­n kann Macron die Stimmung nicht mehr drehen. Das Risiko ist groß, dass Opposition­sparteien bis hin zur extremen Rechten den Bürgerverd­russ vor der Europawahl für ihre Zwecke nutzen.

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