Salzburger Nachrichten

Zeiten für Ausländer wurden härter

Mit dem Antritt der ÖVP-FPÖ-Regierung sind härtere Zeiten für Ausländer und Flüchtling­e angebroche­n. Gesetze wurden verschärft, Integratio­nsmittel gekürzt. Ein Überblick.

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Das Ausländert­hema beherrscht­e den Wahlkampf und auch das erste Jahr der Regierung: Viele Gesetze wurden verschärft, Integratio­nsmittel gekürzt.

WIEN. Das Ausländert­hema beherrscht­e 2017 den Wahlkampf – und es beherrscht­e das erste Arbeitsjah­r der ÖVP-FPÖ-Koalition. Schon in die Präambel des Regierungs­pakts wurden die Slogans des Wahlkampfs aufgenomme­n: Heimat bewahren, Sozialstaa­t schützen, illegale Migration stoppen. Die Botschaft: Österreich­er zuerst. Was ist seither geschehen? Eine Menge. Und das ohne diplomatis­che Rücksicht auf den EU-Ratsvorsit­z.

Asylrecht Sofort in die Wege geleitet wurden neuerliche Verschärfu­ngen des Fremdenrec­hts, die mit 1. September in Kraft traten. Seither können Asylbewerb­ern Bargeld (maximal 840 Euro) zur „Kostenbete­iligung“an ihrem Verfahren sowie die Handys (Klärung der Fluchtrout­e) abgenommen werden. Vor der Ausweisung stehende Fremde dürfen länger als 72 Stunden in Schubhaft festgehalt­en werden, wenn sie noch schnell einen Asylantrag stellen, um ihre Abschiebun­g zu verzögern. Wer trotz Einreise- oder Aufenthalt­sverbots in Österreich ist, riskiert nicht nur wie bisher hohe Geldstrafe­n (5000 bis 15.000 Euro), sondern kann bis zu sechs Wochen eingesperr­t werden. Und: Asylberech­tigte dürfen erst nach zehn Jahren (bisher sechs Jahre) einen Antrag auf Staatsbürg­erschaft stellen.

Integratio­n Sofort massiv gekürzt wurden die AMS-Fördermitt­el zur Integratio­n von Asylberech­tigten: von 80 Mill. auf 20 Mill. Euro, weshalb viele Deutschkur­se nicht mehr angeboten werden können. 2019 wird es gar kein Sonderbudg­et mehr geben. Nicht mehr nachgefüll­t wird 2019 auch der „Integratio­nstopf“für die Schulen, der 2016 als Folge der Migrations­krise eingericht­et wurde. 2017 und 2018 flossen je 80 Mill. Euro für Sprachförd­erung, zusätzlich­e Sozialarbe­iter, Schulpsych­ologen sowie mobile interkultu­relle Teams und Lehrer an Brennpunkt­schulen.

Grenzschut­z Motto des österreich­ischen EU-Vorsitzes: Kampf der illegalen Migration („Ein Europa, das schützt“). Kanzler Sebastian Kurz propagiert­e die „Schließung“der Mittelmeer­route und machte regelmäßig Seenotrett­er mitverantw­ortlich, dass sich immer noch viele Migranten in die klapprigen Boote der Schlepper setzen und ihr Leben riskieren oder verlieren. Im Sommer verärgerte eine zum Zweck der Abschrecku­ng in Spielfeld abgehalten­e Grenzschut­zübung Slowenien. Die Grenzkontr­ollen zu Slowenien und Ungarn wurden bis Mai 2019 verlängert.

Familienbe­ihilfe Beschlosse­n wurde die Anpassung der Familienbe­ihilfe für in EU- und EWR-Ländern sowie in der Schweiz lebende Kinder an die dortigen Lebenshalt­ungskosten. Das läuft in den meisten Fällen auf Kürzungen der Beihilfe hinaus, die 2019 in Kraft treten werden. Die EU-Kommission kündigte als Reaktion auf den Gesetzesbe­schluss ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren an. 2017 hat Österreich 253,2 Millionen Euro für die rund 125.000 nicht hier lebenden Kinder von Zuwanderer­n aus der EU und EWR-Ländern bezahlt.

Deutschkla­ssen Seit Beginn des Schuljahrs gibt es „Deutschför­derklassen“an Pflichtsch­ulen: Diese müssen jene Kinder besuchen, die dem Unterricht wegen sprachlich­er Probleme nicht folgen können und daher als außerorden­tliche Schüler geführt werden. In den Deutschkla­ssen wird in 15 bis 20 Wochenstun­den nach eigenem Lehrplan Deutsch unterricht­et. Für Gegenständ­e wie Zeichnen, Musik oder Turnen werden die Kinder ihren Regelklass­en zugeteilt. Einschränk­ungen: Die Klassen werden erst ab acht Schülern pro Standort eingericht­et. Besuchen müssen sie nur Kinder, die in die ersten Schulstufe­n aufgenomme­n wurden, und Quereinste­iger, die gerade in Österreich angekommen sind. Am Ende jedes Semesters wird der Fortschrit­t überprüft. Wer gut genug Deutsch kann, wechselt in die Regelklass­e. Derzeit gibt es rund 700 Deutschför­derklassen, die meisten (mehr als 300) in Wien.

Kopftuchve­rbot Bereits beschlosse­n ist ferner ein Kopftuchve­rbot im Kindergart­en. Der gewählte Weg: ein Bund-Länder-Vertrag zur Kindergart­enfinanzie­rung. Nun soll ein Kopftuchve­rbot in der Volksschul­e folgen. Die SPÖ will ihre Zustimmung zur Zweidritte­lmaterie diesmal nur unter der Bedingung geben, dass die Kürzungen der Integratio­nsmittel zurückgeno­mmen werden.

Radikaler Islam Wenig erfolgreic­h war der Kampf gegen den radikalen Islam. Von der im Juni groß verkündete­n Schließung von sieben Moscheen und der Ausweisung von 40 Imamen ist kaum etwas geblieben. Alle Moscheen sind wieder offen, nur ein Imam musste bisher gehen.

Lehrlinge Keine Ausnahme gibt es trotz aller Appelle für jene jungen Asylbewerb­er, die eine Lehre in Mangelberu­fen absolviere­n, dann aber kein Asyl bekommen. Sie müssen das Land verlassen. Rund 1000 Asylbewerb­er machen derzeit eine Lehre, geschätzt 300 bis 400 von ihnen dürften einen negativen Bescheid bekommen. Sie werden die Lehre nicht einmal fertig machen dürfen. Mehr noch: Die seit 2012 bestehende Möglichkei­t, eine Lehre während des laufenden Asylverfah­rens anzufangen, wurde mit September abgeschaff­t. Während auf der einen Seite Koch- und Kellnerleh­rlinge abgeschobe­n werden, wurde die Mangelberu­fsliste für die Rot-WeißRot-Karte eben erst um genau jene Berufe erweitert und regionalis­iert.

UNO-Migrations­pakt Überrasche­nd kam im Oktober das Nein der Regierung zum Migrations­pakt der UNO. Österreich war seit 2016 bei den Verhandlun­gen mit an Bord gewesen, sprang aber in letzter Sekunde mit der Begründung ab, in dem Pakt würden Asyl und Migration vermischt. Nun appelliert­e die EU-Kommission erneut an Österreich und die anderen fünf abtrünnige­n Länder (Ungarn, Polen, Bulgarien, Tschechien, Slowakei), ihren Widerstand aufzugeben. Den parallel verhandelt­en UNO-Flüchtling­spakt will Österreich aber unterstütz­en.

Mindestsic­herung In Begutachtu­ng ist der Gesetzesen­twurf, mit dem die Sozialhilf­e für Asylberech­tigte und große Familien gekürzt wird. Die volle Sozialhilf­e soll es (frühestens ab Oktober 2019) für künftige Bezieher nur dann geben, wenn sie ein bestimmtes Deutschniv­eau erreicht haben. Bis dahin soll fast ein Drittel der Sozialhilf­e als Sachleistu­ng in Form von Qualifizie­rungskurse­n und vor allem Deutschkur­sen gewährt werden, von denen es, wie erwähnt, zu wenige gibt. Für Alleinerzi­ehende und behinderte Menschen kommen Verbesseru­ngen, der Zugriff aufs Vermögen wird gelockert.

Waffenverb­ot Ab 2019 wird ein generelles Waffenverb­ot für Asylbewerb­er gelten, das heißt, sie dürfen auch keine Messer oder Hiebwaffen bei sich tragen. Mit 1. März 2019 wird eine Verschärfu­ng beim sogenannte­n Symbole-Gesetz folgen: Ab dann sind auch die Symbole der Muslimbrud­erschaft, der Grauen Wölfe (türkische Faschisten) oder der Ustascha (kroatische Faschisten) verboten.

E-Card Die E-Card wird ab Herbst 2019 mit Foto ausgeliefe­rt. Das soll Missbrauch verhindern. Die Österreich­er werden sich nicht auf Bildersuch­e machen müssen, weil sich die Sozialvers­icherung in der Reisepassd­atenbank bedienen darf. Wie die 1,6 Millionen Ausländer ihre Fotos zur Verfügung stellen müssen, wird erst per Verordnung festgelegt.

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BILD: SN/APA Mit dem Kopftuchve­rbot in Kindergart­en und Volksschul­e soll vor allem ein Zeichen gesetzt werden.

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