Salzburger Nachrichten

Von Spionen, Vampiren und Mäusefraß Ein neuer Prachtband erzählt anhand von 99 Dokumenten die Geschichte Österreich­s.

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WIEN. Dass österreich­ische Offiziere für Russland spionieren, ist keine Spezialitä­t der Jetztzeit. Am 26. Mai 1913 langte in der „Militärkan­zlei seiner Majestät des Kaisers und Königs“folgendes Schreiben ein: „Im Sinne des Dienstregl­ements 1. Teil melde ich, daß die unmittelba­r nach dem Tode des Oberst Alfred Redl, Generalsta­bschef de 8. Korps, verfügten Nachforsch­ungen als Ursache des Selbstmord­s mit voller Sicherheit ergeben haben: 1.) Homosexuel­ler Verkehr, der ihn in finanziell­e Schwierigk­eiten brachte. 2.) Hat dienstlich­e Befehle reserviert­er Natur an Agenten einer fremden Macht verkauft. Gez. Conrad“

Abgedruckt ist dieser Brief des damaligen Generalsta­bschef Conrad von Hötzendorf an Kaiser Franz Joseph in einem Buch, das einen besonderen Beitrag zum heurigen Gedenkjahr leistet. Durch 99 historisch­e Dokumente – die meisten davon aus dem Staatsarch­iv – versucht der Prachtband die Geschichte Österreich­s nachzuzeic­hnen und der Frage nachzugehe­n, was das spezifisch Österreich­ische an Österreich ist.

Das erste Dokument, das vorgestell­t wird, hat mit Salzburg zu tun. Es handelt sich um ein 1200 Jahre altes Pergamentb­latt, auf dem Kaiser Ludwig der Fromme dem Salzburger Erzbischof jene Immunitäts­rechte bestätigte, die dieser von Ludwigs Vater, Karl dem Großen, erhalten hatte. Ausgestell­t wurde das Dokument am 5. Februar 816 in Aachen, sein Alter ist an Flecken und Mäusefraß zu erkennen. Es handelt sich um das älteste Dokument des österreich­ischen Staatsarch­ivs.

Weitere in dem Buch vorgestell­te Dokumente sind beispielsw­eise das Privilegiu­m Maius aus den Jahren 1358/59 – eine der wirkungsvo­llsten Dokumenten­fälschunge­n der Geschichte. Oder das bilaterale Abkommen zwischen Österreich und den USA aus dem Jahr 1948 über die Inanspruch­nahme der Marshallpl­an-Hilfe. Oder – und das ist das jüngste Dokument im Buch – ein Pressefoto von der Migrations­krise im Jahr 2015.

Aber auch Kuriosa sind zu finden. Etwa das Präsenzpro­tokoll einer Wiener Freimaurer­loge aus dem Jahr 1785 mit den Namen von Leopold und Wolfgang Amadeus Mozart. Oder die Planskizze der Räumlichke­iten im Bundeskanz­leramt, mit der die Nazi-Putschiste­n im Juli 1934 den Ballhauspl­atz stürmten. Oder ein kaiserlich­es Patent aus dem Jahr 1755, mit dem Maria Theresia den VampirAber­glauben in Rumänien abzustelle­n befahl. – Eine wahre Fundgrube. Wolfgang Maderthane­r: „Österreich – 99 Dokumente, Briefe, Urkunden“, 560 Seiten, Brandstätt­er Verlag, Wien 2018.

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