Der üble Geruch der Korruption
Die laufenden parlamentarischen und gerichtlichen Korruptionsverfahren mögen spät kommen und zahnlos sein. Doch sie setzen ein Signal.
Ein Unterausschuss im Parlament zur BVT-Affäre. Ein weiterer Untersuchungsausschuss zum strittigen Ankauf der Eurofighter. Ein U-Ausschuss in Wien über die Kostenexplosion beim Krankenhaus Nord. Und dazu noch der Grasser-Prozess, der sich soeben in sein zweites Jahr schleppt: Unsere Republik wendet derzeit ein großes Maß an Energie zur Vergangenheitsbewältigung auf.
Nun mag die Untersuchung der völlig aus dem Ruder gelaufenen Spitalserrichtung in Wien durchaus noch einen Beitrag zur finanziellen Schadensminimierung leisten. Politische Schadensminimierung wiederum ist von der Untersuchung der vom Büro des Innenministers orchestrierten Angriffe auf das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorbekämpfung zu erhoffen. Das gibt diesen beiden Untersuchungen einen aktuellen politischen Sinn.
Anders ist das bei den aufklärungswürdigen Vorgängen der Ära Grasser von Buwog bis Eurofighter: Diese liegen weit mehr als ein Jahrzehnt zurück. Der Schaden – so überhaupt einer vorliegt, noch gilt ja die Unschuldsvermutung – ist längst eingetreten und kaum mehr wiedergutzumachen. Warum da noch mit viel Aufwand untersuchen? Warum mit viel Steuergeld einen Strafprozess führen? Das mag sich mancher fragen.
Die Frage geht am Thema vorbei. Denn bei der Untersuchung politischer Affären, wie wir sie derzeit geballt erleben, geht es nicht nur um Schadensbegrenzung oder Wiedergutmachung. Sondern auch – und hauptsächlich – um Schadensvermeidung. Und zwar: Schadensvermeidung in der Zukunft.
Bei aller Unschuldsvermutung, die für den damaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser gilt, kann ohne jegliches Klagsrisiko festgestellt werden: Die damalige Zeit, also die Zeit, als im Bund Schwarz-Blau regierte und in Kärnten Jörg Haider und seine Mitläufer das Sagen hatten, war eine Hochzeit der politischen Korruption. Dies belegen etliche rechtskräftige Urteile gegen etliche führende Mitglieder des damaligen politischen und halb politischen Personals (nicht aber gegen den damaligen Finanzminister, dessen Unbescholtenheit hier nochmals ausdrücklich betont sei).
Wenn nun der Nationalrat diese schräge Zeit noch mehr als ein Jahrzehnt danach in Untersuchungsausschüssen aufarbeitet, und wenn nun ein Gericht selbiges in einem Strafprozess tut, dann setzt der Rechtsstaat ein Zeichen. Das Zeichen nämlich, dass korruptes Verhalten sanktioniert wird – ohne Ansehen der Person. Auch dann, wenn besagte Person sämtliche Rechtsmittel gegen die Strafverfolgung oder gegen die Untersuchung ausschöpft. Und notfalls auch noch Jahre später.
Wie notwendig dieses Signal ist, zeigen die Ereignisse der vergangenen Tage. Denn wie damals liegt auch heute der üble Geruch der Korruption in der Luft. Das „profil“berichtet in seiner jüngsten Ausgabe, dass die Wirtschaftsund Korruptionsstaatsanwaltschaft im Zusammenhang mit dem Krankenhaus Nord bereits gegen zehn Verdächtige ermittle, und zwar wegen Betrugs und Untreue. Möglicherweise wurden hier also Millionen nicht nur aus Schlamperei verpulvert, sondern vorsätzlich in falsche Kanäle gelenkt. Und die Rechercheplattform Addendum äußerte am Wochenende den Verdacht, dass es Schwarzgeldzahlungen einer in der Flüchtlingsbetreuung engagierten Firma ans Büro eines gewissen freiheitlichen Landesrats in Niederösterreich gegeben habe. Es handelt sich um jenen Landesrat, der in den vergangenen Tagen wegen der Lager-Unterbringung von jugendlichen Asylbewerbern österreichweite Bekanntheit erlangt hat. Es sei betont, dass in beiden Fällen niemand angeklagt und niemand verurteilt wurde und alle Betroffenen völlig unschuldig sein können. Doch es lohnt, hellhörig zu bleiben. Auch die derzeit vor Gericht und vor U-Ausschüssen verhandelten Affären haben klein begonnen.
Und überhaupt: Unsauberkeit beginnt bereits dort, wo sich Staatsanwalt und Strafrichter mangels strafrechtlichen Tatbestands achselzuckend abwenden. Etwa dann, wenn Geld aus FPÖ-geführten Ressorts in Form von Inseraten an fragwürdige rechtspopulistische Medien fließt. Oder dann, wenn zwei heutige Regierungsparteien die gesetzlichen Wahlkampfkosten ungeniert überschreiten. Oder dann, wenn munter umgefärbt und postengeschachert wird. All das verschafft Österreich einen unrühmlichen Nachzüglerplatz auf allen verfügbaren Korruptionsrankings.
Doch immerhin: Niemand in den Regierungen der letzten zehn Jahre wurde dabei ertappt, dass er seine politische Funktion als Vehikel ins Millionärsdasein missbraucht.
Da gab es schon schlimmere Zeiten.