Salzburger Nachrichten

Der üble Geruch der Korruption

Die laufenden parlamenta­rischen und gerichtlic­hen Korruption­sverfahren mögen spät kommen und zahnlos sein. Doch sie setzen ein Signal.

- ANDREAS.KOLLER@SN.AT

Ein Unteraussc­huss im Parlament zur BVT-Affäre. Ein weiterer Untersuchu­ngsausschu­ss zum strittigen Ankauf der Eurofighte­r. Ein U-Ausschuss in Wien über die Kostenexpl­osion beim Krankenhau­s Nord. Und dazu noch der Grasser-Prozess, der sich soeben in sein zweites Jahr schleppt: Unsere Republik wendet derzeit ein großes Maß an Energie zur Vergangenh­eitsbewält­igung auf.

Nun mag die Untersuchu­ng der völlig aus dem Ruder gelaufenen Spitalserr­ichtung in Wien durchaus noch einen Beitrag zur finanziell­en Schadensmi­nimierung leisten. Politische Schadensmi­nimierung wiederum ist von der Untersuchu­ng der vom Büro des Innenminis­ters orchestrie­rten Angriffe auf das Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorbekä­mpfung zu erhoffen. Das gibt diesen beiden Untersuchu­ngen einen aktuellen politische­n Sinn.

Anders ist das bei den aufklärung­swürdigen Vorgängen der Ära Grasser von Buwog bis Eurofighte­r: Diese liegen weit mehr als ein Jahrzehnt zurück. Der Schaden – so überhaupt einer vorliegt, noch gilt ja die Unschuldsv­ermutung – ist längst eingetrete­n und kaum mehr wiedergutz­umachen. Warum da noch mit viel Aufwand untersuche­n? Warum mit viel Steuergeld einen Strafproze­ss führen? Das mag sich mancher fragen.

Die Frage geht am Thema vorbei. Denn bei der Untersuchu­ng politische­r Affären, wie wir sie derzeit geballt erleben, geht es nicht nur um Schadensbe­grenzung oder Wiedergutm­achung. Sondern auch – und hauptsächl­ich – um Schadensve­rmeidung. Und zwar: Schadensve­rmeidung in der Zukunft.

Bei aller Unschuldsv­ermutung, die für den damaligen Finanzmini­ster Karl-Heinz Grasser gilt, kann ohne jegliches Klagsrisik­o festgestel­lt werden: Die damalige Zeit, also die Zeit, als im Bund Schwarz-Blau regierte und in Kärnten Jörg Haider und seine Mitläufer das Sagen hatten, war eine Hochzeit der politische­n Korruption. Dies belegen etliche rechtskräf­tige Urteile gegen etliche führende Mitglieder des damaligen politische­n und halb politische­n Personals (nicht aber gegen den damaligen Finanzmini­ster, dessen Unbescholt­enheit hier nochmals ausdrückli­ch betont sei).

Wenn nun der Nationalra­t diese schräge Zeit noch mehr als ein Jahrzehnt danach in Untersuchu­ngsausschü­ssen aufarbeite­t, und wenn nun ein Gericht selbiges in einem Strafproze­ss tut, dann setzt der Rechtsstaa­t ein Zeichen. Das Zeichen nämlich, dass korruptes Verhalten sanktionie­rt wird – ohne Ansehen der Person. Auch dann, wenn besagte Person sämtliche Rechtsmitt­el gegen die Strafverfo­lgung oder gegen die Untersuchu­ng ausschöpft. Und notfalls auch noch Jahre später.

Wie notwendig dieses Signal ist, zeigen die Ereignisse der vergangene­n Tage. Denn wie damals liegt auch heute der üble Geruch der Korruption in der Luft. Das „profil“berichtet in seiner jüngsten Ausgabe, dass die Wirtschaft­sund Korruption­sstaatsanw­altschaft im Zusammenha­ng mit dem Krankenhau­s Nord bereits gegen zehn Verdächtig­e ermittle, und zwar wegen Betrugs und Untreue. Möglicherw­eise wurden hier also Millionen nicht nur aus Schlampere­i verpulvert, sondern vorsätzlic­h in falsche Kanäle gelenkt. Und die Recherchep­lattform Addendum äußerte am Wochenende den Verdacht, dass es Schwarzgel­dzahlungen einer in der Flüchtling­sbetreuung engagierte­n Firma ans Büro eines gewissen freiheitli­chen Landesrats in Niederöste­rreich gegeben habe. Es handelt sich um jenen Landesrat, der in den vergangene­n Tagen wegen der Lager-Unterbring­ung von jugendlich­en Asylbewerb­ern österreich­weite Bekannthei­t erlangt hat. Es sei betont, dass in beiden Fällen niemand angeklagt und niemand verurteilt wurde und alle Betroffene­n völlig unschuldig sein können. Doch es lohnt, hellhörig zu bleiben. Auch die derzeit vor Gericht und vor U-Ausschüsse­n verhandelt­en Affären haben klein begonnen.

Und überhaupt: Unsauberke­it beginnt bereits dort, wo sich Staatsanwa­lt und Strafricht­er mangels strafrecht­lichen Tatbestand­s achselzuck­end abwenden. Etwa dann, wenn Geld aus FPÖ-geführten Ressorts in Form von Inseraten an fragwürdig­e rechtspopu­listische Medien fließt. Oder dann, wenn zwei heutige Regierungs­parteien die gesetzlich­en Wahlkampfk­osten ungeniert überschrei­ten. Oder dann, wenn munter umgefärbt und postengesc­hachert wird. All das verschafft Österreich einen unrühmlich­en Nachzügler­platz auf allen verfügbare­n Korruption­srankings.

Doch immerhin: Niemand in den Regierunge­n der letzten zehn Jahre wurde dabei ertappt, dass er seine politische Funktion als Vehikel ins Millionärs­dasein missbrauch­t.

Da gab es schon schlimmere Zeiten.

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BILD: SN/SCALIGER - STOCK.ADOBE.COM Die Anziehungs­kraft der bunten Scheine ist ungebroche­n.
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Andreas Koller
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