Salzburger Nachrichten

Warum sich arbeitslos­e Frauen als Männer verkleiden sollen

Frauen bekommen beim AMS weniger Punkte als Männer. Das ist Diskrimini­erung mit öffentlich­em Auftrag.

- FRAUEN SACHE Karin Zauner WWW.SN.AT/FRAUENSACH­E

Werden Arbeitslos­e künftig beim Arbeitsmar­ktservice vorstellig, berechnet ein Algorithmu­s die Chancen der arbeitsuch­enden Person für den Arbeitsmar­kt. Blöd, wenn man eine Frau ist. Dann zieht das Computerpr­ogramm, das vorerst in einem Testbetrie­b im Einsatz ist, gleich einmal Punkte ab. Und noch blöder, wenn die Frau Kinder hat, dann gibt es einen doppelten Punkteabzu­g. Nein, Männer mit Kindern bekommen keine Minuspunkt­e, weil Kinder statistisc­h gesehen für deren Jobperspek­tiven keine Auswirkung­en haben.

Frauen erleben in ihrem Alltag, dass sie in vielen Bereichen nicht gleich viel wert sind wie Männer. Dass ihnen das aber ein Dienstleis­tungsunter­nehmen öffentlich­en Rechts, das im Auftrag des Sozial- und Arbeitsmin­isteriums handelt, schriftlic­h auf einer Punkteskal­a serviert, ist freilich eine bodenlose Frechheit.

So zementiert man hartnäckig­e Vorurteile ein, das ist Diskrimini­erung in ihrer reinsten Form. Da nützt es auch nichts, dass man seitens des Arbeitsmar­kt service darauf verweist, dass das Programm den Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn bei ihren Entscheidu­ngen, welche Angebote und Mittel sie für Arbeitslos­e bereitstel­len, nur helfen soll. Glaubt tatsächlic­h jemand, dass sich Berater über die computer generierte­n Ergebnisse so einfach hinwegsetz­en? Das bedeutet viel Aufwand, Energie und Eigenveran­twortung, Entscheidu­ngen gegen die Algorithme­n sind dann allenfalls auch zu erklären und zu rechtferti­gen.

Natürlich stimmt es, dass Frauen schlechter­e Wieder einstiegs chancen im Job haben als Männer. Ist es dann nicht legitim, die Wieder einstiegs wahrschein­lichkeiten in einem statistisc­hen Modell festzuschr­eiben? Passiert nicht das Gleiche, wenn Menschen mit all ihren Erfahrunge­n handeln? Diese Argumentat­ion führt in die Irre, denn in einem Fall handeln Menschen individuel­l und subjektiv, in dem anderen schreibt ein Computerpr­ogramm die Schlechter­stellung als objektives Faktum fest.

Werden die Funktionsw­eisen von Algorithme­n einer breiteren Öffentlich­keit bekannt, beginnen die Menschen sich strategisc­h danach zu richten. Allerdings ist das beim Geschlecht schwer möglich. Vielleicht sollten Frauen analog zu einem sozialen Experiment, das weltweit für Furore sorgte, handeln. Dabei hatten sich Transgende­r-Personen einmal als Frauen und einmal als Männer für Jobs beworben und dabei bis zu 33 Prozent höhere Gehälter angeboten bekommen, wenn sie als Männer auftraten. Arbeitslos­e Frauen könnten künftig also ihre Identität auf Mann trimmen, um beim Arbeitsmar­ktservice ihre Chance auf einen Job zu verbessern. Allein dieses Gedankenex­periment zeigt die Absurdität des Einsatzes derartiger Computerpr­ogramme.

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