Warum sich arbeitslose Frauen als Männer verkleiden sollen
Frauen bekommen beim AMS weniger Punkte als Männer. Das ist Diskriminierung mit öffentlichem Auftrag.
Werden Arbeitslose künftig beim Arbeitsmarktservice vorstellig, berechnet ein Algorithmus die Chancen der arbeitsuchenden Person für den Arbeitsmarkt. Blöd, wenn man eine Frau ist. Dann zieht das Computerprogramm, das vorerst in einem Testbetrieb im Einsatz ist, gleich einmal Punkte ab. Und noch blöder, wenn die Frau Kinder hat, dann gibt es einen doppelten Punkteabzug. Nein, Männer mit Kindern bekommen keine Minuspunkte, weil Kinder statistisch gesehen für deren Jobperspektiven keine Auswirkungen haben.
Frauen erleben in ihrem Alltag, dass sie in vielen Bereichen nicht gleich viel wert sind wie Männer. Dass ihnen das aber ein Dienstleistungsunternehmen öffentlichen Rechts, das im Auftrag des Sozial- und Arbeitsministeriums handelt, schriftlich auf einer Punkteskala serviert, ist freilich eine bodenlose Frechheit.
So zementiert man hartnäckige Vorurteile ein, das ist Diskriminierung in ihrer reinsten Form. Da nützt es auch nichts, dass man seitens des Arbeitsmarkt service darauf verweist, dass das Programm den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei ihren Entscheidungen, welche Angebote und Mittel sie für Arbeitslose bereitstellen, nur helfen soll. Glaubt tatsächlich jemand, dass sich Berater über die computer generierten Ergebnisse so einfach hinwegsetzen? Das bedeutet viel Aufwand, Energie und Eigenverantwortung, Entscheidungen gegen die Algorithmen sind dann allenfalls auch zu erklären und zu rechtfertigen.
Natürlich stimmt es, dass Frauen schlechtere Wieder einstiegs chancen im Job haben als Männer. Ist es dann nicht legitim, die Wieder einstiegs wahrscheinlichkeiten in einem statistischen Modell festzuschreiben? Passiert nicht das Gleiche, wenn Menschen mit all ihren Erfahrungen handeln? Diese Argumentation führt in die Irre, denn in einem Fall handeln Menschen individuell und subjektiv, in dem anderen schreibt ein Computerprogramm die Schlechterstellung als objektives Faktum fest.
Werden die Funktionsweisen von Algorithmen einer breiteren Öffentlichkeit bekannt, beginnen die Menschen sich strategisch danach zu richten. Allerdings ist das beim Geschlecht schwer möglich. Vielleicht sollten Frauen analog zu einem sozialen Experiment, das weltweit für Furore sorgte, handeln. Dabei hatten sich Transgender-Personen einmal als Frauen und einmal als Männer für Jobs beworben und dabei bis zu 33 Prozent höhere Gehälter angeboten bekommen, wenn sie als Männer auftraten. Arbeitslose Frauen könnten künftig also ihre Identität auf Mann trimmen, um beim Arbeitsmarktservice ihre Chance auf einen Job zu verbessern. Allein dieses Gedankenexperiment zeigt die Absurdität des Einsatzes derartiger Computerprogramme.