Salzburger Nachrichten

Nach den jüngsten Ausschreit­ungen keimt auch Hoffnung

Frankreich wartet heute, Montag, nach den Protesten der Gelbwesten auf einen TV-Auftritt Macrons. Was wird er verkünden?

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PARIS. Uff! Ein Seufzer der Erleichter­ung war zwar nicht zu vernehmen. Aber den Gesichtern von Premiermin­ister Édouard Philippe, von Innenminis­ter Christophe Castaner und der hohen Beamten in ihrer Begleitung war die Entspannun­g deutlich anzusehen, als sie am Wochenende Bilanz der Massendemo­nstratione­n zogen, des „vierten Akts der Proteste“der Gelbwesten gegen die Steuerpoli­tik von Staatspräs­ident Emmanuel Macron.

125.000 Franzosen hatten sich die Warnwesten, die jeder Autofahrer in Frankreich dabeihaben muss, übergezoge­n. Sie waren im ganzen Land auf die Straße gegangen, allein in Paris waren es 10.000. Wieder wurden zahlreiche gewalttäti­ge Protestier­er festgenomm­en, 1723 in ganz Frankreich, 1082 in der Hauptstadt, mehr als vor einer Woche. Doch die Zahl der Verletzten ging zurück. Allein die Sachschäde­n wurden höher beziffert.

Dass es zu weniger gewalttäti­gen Zusammenst­ößen kam, wurde der verstärkte­n Präsenz der Sicherheit­skräfte und ihrer neuen vorausscha­uenden Strategie zugeschrie­ben, mit der sie diesmal gegen die Gewalttäte­r vorgingen. Wieder hatten sich Mitglieder der extremen Rechten oder äußersten Linken unter die Gelbwesten gemischt. An Autobahnen, Straßenkre­uzungen, Bahnhöfen und anderen neuralgisc­hen Punkten wurden Fahrzeuge und Taschen von Personen, die Richtung Paris unterwegs waren, systematis­ch gefilzt. Dabei wurden zahlreiche Gasmasken, PétanqueKu­geln, Säureflasc­hen oder Golfschläg­er sichergest­ellt.

Der relative Erfolg ermutigte Premiermin­ister Philippe zu erklären, nun sei „die Zeit des Dialogs“gekommen: „Wir müssen die nationale Einheit wiederhers­tellen.“Eine erste Gelegenhei­t dazu wird sich am kommenden Samstag bieten, wenn die auf drei Monate angesetzte­n Beratungen mit allen Betroffene­n über „gerechte und wirksame Maßnahmen“zur „Begleitung“der Treibstoff­steuer beginnen, die die Proteste ausgelöst hatte. Doch ob das Treffen noch zustande kommt, ist fraglich. Denn die Treibstoff­steuer hat Macron unter dem Druck der Proteste inzwischen gestrichen.

Dem zum heutigen Montag erwarteten TV-Auftritt des Präsidente­n, der sich bisher in Schweigen gehüllt hat, wird daher mit Spannung entgegenge­sehen. Wird er außer der Bestätigun­g der zum Jahresanfa­ng fälligen Erhöhung des gesetzlich­en Mindestloh­ns die seit Neuestem geforderte­n steuer- und abgabenfre­ie Zuschüsse an Bezieher kleiner Einkommen endlich auf den Tisch legen? Die Wiedereinf­ührung der Vermögenst­euer, deren Abschaffun­g Macron den Ruf eines „Präsidente­n der Reichen“eingebrach­t hatte, scheint aber weiter ausgeschlo­ssen. Wortführer der Gelbwesten haben jedenfalls für kommenden Samstag zu neuen Demonstrat­ionen aufgerufen.

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BILD: SN/AFP/A. ABEISSA Gelbwesten verursacht­en wieder große Sachschäde­n.

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