„Es geht um eine gerechte Verteilung der Verantwortung“
Neben dem Migrationspakt verhandelten die UNO-Mitglieder einen Pakt zu Flüchtlingen. Den unterstützt Österreich.
Im Gegensatz zum UNO-Migrationspakt ist jener für Flüchtlinge beinahe unumstritten – nur die USA lehnen ihn ab. Mitte Dezember soll der Pakt von der Generalversammlung angenommen werden. Der stellvertretende UNO-Hochkommissar für Flüchtlinge, Volker Türk, erklärt seine Bedeutung. SN: In der heftigen Diskussion um den UNO-Migrationspakt ist der parallel verhandelte zweite UNO-Pakt für Flüchtlinge kaum vorgekommen. Worum geht es in diesem Pakt? Volker Türk: Der Flüchtlingspakt will jene Länder unterstützen, die besonders von Fluchtbewegungen betroffen sind. Im Unterschied zur Wahrnehmung in Europa sind es ja einige wenige und da wieder ärmere Länder, die Millionen Flüchtlinge aufnehmen: Uganda, Äthiopien, Tansania, Pakistan, Iran, Libanon, Türkei, Jordanien. In der Genfer Flüchtlingskonvention wird die Unterstützung dieser besonders betroffenen Länder nur in der Präambel kurz erwähnt. Der Flüchtlingspakt konkretisiert jetzt diese notwendige Solidarität. SN: Wie soll diese Unterstützung konkret aussehen? Bislang konnten sich diese Länder nicht darauf verlassen, dass sie von der internationalen Staatengemeinschaft langfristig Unterstützung für ihre Flüchtlingsprojekte erhalten. Das will der Pakt ändern: Die Staatengemeinschaft sendet ein klares politisches Signal zu größerem finanziellen Engagement aus, und auch die Weltbank wird verstärkt eingebunden. Erinnern Sie sich zurück ins Jahr 2015 – unsere Hilfsprogramme im Libanon, in Jordanien, in der Türkei waren ziemlich unterfinanziert; fundamentale Bedürfnisse, wie der Zugang zu Ernährung, konnten teilweise nicht mehr abgedeckt werden. Natürlich ziehen Menschen dann weiter. SN: Laut der Geberliste des UNO-Flüchtlingshilfswerks UNHCR rangierte Österreichs Unterstützung 2015 ziemlich abgeschlagen auf Platz 38, weit hinter der Hilfeleistung vergleichbar großer Länder wie Schweden. Stimmt, die österreichischen finanziellen Beiträge für UNHCR waren nie sehr berühmt, noch dazu, wenn man sie mit der Wirtschaftskraft Österreichs vergleicht. Der Flüchtlingspakt macht deswegen deutlich: Flucht ist ein internationales Problem und verlangt nach internationaler Verantwortung. Dazu gehört das Bekenntnis, mehr anerkannte Flüchtlinge, die humanitäre Härtefälle sind, im Rahmen von Resettlement-Programmen aufzunehmen. SN: Im Gegensatz zum Migrationspakt wird die österreichische Regierung dem Flüchtlingspakt zustimmen. Gleichzeitig nimmt Österreich keine Resettlement-Flüchtlinge mehr auf. Ein Widerspruch? Ich hoffe, dass Österreich, wie es ja auch in der Regierungserklärung steht, ein Resettlement-Programm wieder einführt. Wir brauchen Resettlement-Plätze für meist besonders schutzbedürftige Flüchtlinge dringender denn je. Die Umsiedlung entlastet auch die Regionen, in denen sich 85 Prozent aller Flüchtlinge weltweit aufhalten. Deswegen unser dringender Appell an die österreichische Regierung, sich im Sinne des Flüchtlingspakts wieder im Resettlement zu engagieren. SN: Der Pakt ist nicht rechtsverbindlich. Wie soll er trotzdem Wirkung zeigen? Aufgrund einer Einsicht in die Verhältnisse und durch Freiwilligkeit. Die Flüchtlinge erinnern uns daran, dass große Teile der Welt in Unruhe sind. Und sie fordern unsere Mitmenschlichkeit heraus. Jeder Staat muss sich vor dem Hintergrund dieses Pakts fragen, was er selbst zu einer gerechteren Verteilung der Verantwortung beitragen kann. Volker Türk: Der gebürtige Linzer ist der ranghöchste österreichische UNO-Beamte. Nach mehr als 20 Jahren Erfahrung beim Flüchtlingshilfswerk UNHCR wurde er 2015 stellvertretender UNOHochkommissar für Flüchtlinge.