Salzburger Nachrichten

Österreich vergibt in Marrakesch eine Chance

Die UNO-Konferenz zum Migrations­pakt findet ab heute statt, ohne Österreich. Einen Gefallen tut uns die Regierung damit nicht.

- Stephanie Pack-Homolka STEPHANIE.PACK@SN.AT

Es sind fadenschei­nige Argumente, mit denen die österreich­ische Regierung die Abkehr vom UNO-Migrations­pakt begründet hat. Nur zwei Beispiele: Die Begriffe Flüchtling­e und Migranten würden vermischt, findet Bundeskanz­ler Sebastian Kurz. Tatsächlic­h ist das Gegenteil der Fall. Es wird extra auf die Unterschei­dung hingewiese­n. Für beide Gruppen wurden separate Abkommen ausgearbei­tet. Der Pakt gefährde Österreich­s Souveränit­ät, findet Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache. Tatsächlic­h ist das Abkommen rechtlich nicht bindend und weist explizit auf die Souveränit­ät der Staaten hin, was den Umgang mit Migranten auf ihrem Hoheitsgeb­iet betrifft.

Aber ganz abgesehen davon, ob man den Argumenten der Regierung Glauben schenkt oder nicht: Die Art und Weise, wie wir uns von dem internatio­nalen Pakt davongesch­lichen haben, zeugt nicht gerade von Glaubwürdi­gkeit und Verlässlic­hkeit. Mehr als ein Jahr lang war die österreich­ische Regierung in die Vorbereitu­ng und Verhandlun­g des Migrations­pakts eingebunde­n – um Monate nach der offizielle­n Zustimmung zum Entwurf im Juli einen Rückzieher zu machen. Unser ohnehin leichtes Gewicht in internatio­nalen Verhandlun­gen und die oft zitierte Funktion Österreich­s als Brückenbau­er werden durch dieses wankelmüti­ge Verhalten nicht gestärkt.

Österreich sei als Sitzland der Vereinten Nationen ein Symbol des Multilater­alismus, sagte der ehemalige UNO-Generalsek­retär Ban Ki Moon im November bei einem Besuch in Wien. Und nicht nur deshalb sollte Österreich dem Multilater­alismus gewogen bleiben: Globale Probleme brauchen globale Lösungen. Das ist mehr als eine Floskel und zählt für kleine Länder noch um ein Vielfaches mehr als für große. Neben dem Klimawande­l sehen wir das an keinem Beispiel deutlicher als bei der Migration.

Auf globaler Ebene mitzuwirke­n heißt dabei nicht, zwangsläuf­ig mit allem einverstan­den zu sein. Das gilt auch für den Migrations­pakt. Während der Verhandlun­gen hätte es schon genug Möglichkei­t gegeben, Unmut kundzutun. Österreich könnte aber bei der Konferenz in Marrakesch selbst noch etwas erreichen, statt durch Abwesenhei­t zu glänzen. Die Regierung hätte, wie Ban Ki Moon vorgeschla­gen hat, eine Beobachter­mission nach Marokko entsenden können. Diese hätte die Debatten verfolgen können, aber auch Netzwerke knüpfen und pflegen, Bedenken mitteilen – und vor der Zustimmung zum Pakt den Saal verlassen. Damit hätte Österreich gezeigt, dass uns Migration etwas angeht. Denn das tut sie zweifellos.

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