Österreich vergibt in Marrakesch eine Chance
Die UNO-Konferenz zum Migrationspakt findet ab heute statt, ohne Österreich. Einen Gefallen tut uns die Regierung damit nicht.
Es sind fadenscheinige Argumente, mit denen die österreichische Regierung die Abkehr vom UNO-Migrationspakt begründet hat. Nur zwei Beispiele: Die Begriffe Flüchtlinge und Migranten würden vermischt, findet Bundeskanzler Sebastian Kurz. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Es wird extra auf die Unterscheidung hingewiesen. Für beide Gruppen wurden separate Abkommen ausgearbeitet. Der Pakt gefährde Österreichs Souveränität, findet Vizekanzler Heinz-Christian Strache. Tatsächlich ist das Abkommen rechtlich nicht bindend und weist explizit auf die Souveränität der Staaten hin, was den Umgang mit Migranten auf ihrem Hoheitsgebiet betrifft.
Aber ganz abgesehen davon, ob man den Argumenten der Regierung Glauben schenkt oder nicht: Die Art und Weise, wie wir uns von dem internationalen Pakt davongeschlichen haben, zeugt nicht gerade von Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit. Mehr als ein Jahr lang war die österreichische Regierung in die Vorbereitung und Verhandlung des Migrationspakts eingebunden – um Monate nach der offiziellen Zustimmung zum Entwurf im Juli einen Rückzieher zu machen. Unser ohnehin leichtes Gewicht in internationalen Verhandlungen und die oft zitierte Funktion Österreichs als Brückenbauer werden durch dieses wankelmütige Verhalten nicht gestärkt.
Österreich sei als Sitzland der Vereinten Nationen ein Symbol des Multilateralismus, sagte der ehemalige UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon im November bei einem Besuch in Wien. Und nicht nur deshalb sollte Österreich dem Multilateralismus gewogen bleiben: Globale Probleme brauchen globale Lösungen. Das ist mehr als eine Floskel und zählt für kleine Länder noch um ein Vielfaches mehr als für große. Neben dem Klimawandel sehen wir das an keinem Beispiel deutlicher als bei der Migration.
Auf globaler Ebene mitzuwirken heißt dabei nicht, zwangsläufig mit allem einverstanden zu sein. Das gilt auch für den Migrationspakt. Während der Verhandlungen hätte es schon genug Möglichkeit gegeben, Unmut kundzutun. Österreich könnte aber bei der Konferenz in Marrakesch selbst noch etwas erreichen, statt durch Abwesenheit zu glänzen. Die Regierung hätte, wie Ban Ki Moon vorgeschlagen hat, eine Beobachtermission nach Marokko entsenden können. Diese hätte die Debatten verfolgen können, aber auch Netzwerke knüpfen und pflegen, Bedenken mitteilen – und vor der Zustimmung zum Pakt den Saal verlassen. Damit hätte Österreich gezeigt, dass uns Migration etwas angeht. Denn das tut sie zweifellos.