AKH ändert OP-Aufzeichnung
Nach dem Skandal um den entlassenen Chirurgie-Primar am Wiener AKH macht das Spital die Dokumentation nun fälschungssicher. Ein „Deal“mit dem Primar scheiterte, ein Rechtsstreit folgt.
Österreichs größtes Spital, das Allgemeine Krankenhaus in Wien, plant nach dem Wirbel um die Entlassung des Chefs der Chirurgie eine Änderung des Systems, wie die Operationen dokumentiert werden. Damit soll verhindert werden, dass sich derartige Probleme wiederholen. Dem anerkannten Krebsforscher und Primar Michael Gnant wird ja vorgeworfen, er sei bei zahlreichen Operationen gar nicht oder nur teilweise dabei gewesen, obwohl er im Protokoll als ausführender Operateur stand.
Alarm geschlagen hatte die Wiener Patientenanwaltschaft, nachdem in einer gezielten, anonym verfassten Anzeige im April 2018 erste Vorwürfe erhoben worden waren. Zuerst prüfte der Krankenanstaltenverbund (KAV) der Stadt Wien intern. Die Revision ergab etwa, dass der Primar innerhalb eines Jahres, von Mai 2017 bis April 2018, bei 43 von 46 seiner Brustkrebs-Operationen in den ärztlichen OP-Berichten als Operateur aufscheint, während das der Pflegedienst anders erfasst hatte. Danach setzte die Medizinische Universität Wien eine Sonderkommission ein. Diese empfahl dann die Entlassung des Primars, der Professor der MedUni ist.
Was hinter den Vorwürfen wirklich steckt, müssen die Gerichte klären. Es gibt in dem rätselhaften Fall sehr unterschiedliche Darstellungen. Die Bandbreite reicht von der sprichwörtlichen „Spitze des Eisbergs“bis zur Variante, der Primar sei Opfer einer Intrige, weil er den Mächtigen an der Universität zu gefährlich oder unbequem erschien. Strafrechtliche Vorwürfe oder Behandlungsfehler sind jedenfalls bisher kein Thema. Dennoch wurde der 54-Jährige zuerst gekündigt und dann im Oktober 2018 entlassen.
Auf SN-Anfrage erklärte die AKH-Direktion: „Zur Vermeidung fehlerhafter Angaben wird der berufsgruppenübergreifende Dokumentationsprozess nachgeschärft, damit allfällige Divergenzen unmittelbar erkannt werden, um unmittelbar einzugreifen.“Dafür braucht es aber eine bessere Ausstattung der OP-Säle: „Die Ausstattung der OP-Säle wird mit für den OP zugelassenen Datenerfassungsgeräten ergänzt werden, sodass die Dokumentation während des OP-Eingriffs durchgeführt und abgeschlossen werden kann“, erklärt das AKH. Angaben über Zeitpläne und Kosten wurden nicht gemacht.
Derzeit werden Operationen im AKH auf drei Ebenen dokumentiert. Einerseits wird über jeden chirurgischen Eingriff ein OP-Bericht verfasst – in Wahrheit während der Operation diktiert und später – die interne Frist läuft zehn Tage – abgezeichnet („vidiert“). Die Pflege dokumentiert die Operationen extra. Und es gibt ein eigenes Protokoll über die Anästhesie.
Für die Wiener Patientenanwältin Sigrid Pilz zeigt der Skandal, dass es an mehreren Stellen Reformbedarf gibt. Einerseits sei das Vertrauen der betroffenen Patientinnen missbraucht worden. Darunter seien auch „Frauen, die uns sagten, sie haben das Geld nur unter großen Mühen aufgebracht“. Damit sind die Honorare in der Privatordination des Primars gemeint. Jede Betroffene „hat das Recht auf Berichtigung der OP-Protokolle und das Recht auf Information“. Darüber hinaus fordert Pilz, angestellte Spitalsärzte müssten wenigstens verpflichtet werden, Privatpatienten in der „eigenen Klinik“zu operieren, dann habe das öffentliche Spital auch finanziell etwas davon. Insgesamt beurteilt Pilz den Fall so: „So etwas kann nur in einer extremen Hierarchie vorkommen.“
Über die möglichen Motive des Primars darf auch gerätselt werden. Finanzieller Natur sind sie jedenfalls nicht gewesen, wie das AKH und der Anwalt des Primars, Stefan Prochaska, übereinstimmend sagen. Der Rechtsanwalt erklärte auch, man habe der MedUni eine gütliche Einigung angeboten, damit Gnant wie andere vor ihm als „weißer Elefant“weiter an der Uniklinik forschen könne. Ein derartiger Deal sei aber gescheitert. Die MedUni nahm dazu nicht Stellung.
Damit ist für Prochaska der weitere Weg vorgezeichnet. Bisher habe es sich nur um eine „juristische Jausendiskussion“gehandelt. Nun werde in den arbeitsrechtlichen Klagen gegen die Kündigung und die Entlassung ein unabhängiger Gerichtssachverständiger die Vorwürfe neutral prüfen und dann komme die Wahrheit ans Licht.
„Vertrauen der Patientinnen missbraucht.“Sigrid Pilz, Patientenanwältin Wien