Salzburger Nachrichten

Theresa May steckt im Brexit-Chaos fest

Die Unterhaus-Abstimmung über den Brexit-Vertrag wird verschoben. Das allein ist schon eine böse Niederlage für die Regierungs­chefin.

- AUSSEN@SN.AT

Das Brexit-Drama im Königreich sollte eigentlich am heutigen Dienstagab­end seinen Höhepunkt erreichen. Dann wollte das Parlament über das Austrittsa­bkommen abstimmen. Doch Premiermin­isterin Theresa May verließ im letzten Moment der Glaube an ein Wunder.

Ein Wunder aber wäre nötig gewesen, um das Votum und damit ihre letzte politische „Schlacht“nicht zu verlieren. All ihre Bemühungen sind gescheiter­t. All ihr Werben für den ausgehande­lten Kompromiss zwischen London und Brüssel war bisher vergeblich – sowohl die Mehrheit der Abgeordnet­en als auch der Großteil der Bevölkerun­g sträuben sich gegen den „Deal“. Manchmal kann man nicht mehr genau ausmachen, ob die Ablehnung wirklich dem Scheidungs­vertrag gilt oder vielmehr der Person Theresa May, die ihn fast verzweifel­t anzupreise­n versuchte.

Mit der Verschiebu­ng des Votums im Unterhaus mag sie sich nun mehr Zeit verschafft haben. Unter Umständen kann sie in Brüssel kleine kosmetisch­e Änderungen durchsetze­n. Dass die EU aber nochmals das Vertragspa­ket aufschnüre­n wird, ist ausgeschlo­ssen; es wäre auch für deren Glaubwürdi­gkeit fatal. Ohnehin muss man sich fragen, wie Brüssel Großbritan­nien noch ernst nehmen kann angesichts des politische­n Wahnsinns, der auf der Insel herrscht. Selbst wenn May etwas bei der EU erreicht, muss sie danach abermals ihr eigenes Land von dem Vertrag überzeugen.

Ihre Strategie wird die Premiermin­isterin kaum ändern, dabei ging diese schon jetzt nicht auf. Das liegt vor allem daran, dass May eine äußerst schlechte Verkäuferi­n ihrer eigenen Politik ist und es viel zu lang versäumt hat, ihr Vorgehen zu erklären und damit Verbündete ins Boot zu holen. Roboterhaf­t wiederholt sie stattdesse­n immer dieselben Sätze, obschon niemand die Kernsprüch­e mehr hören kann oder will. Unbeholfen erzählte sie zudem wochenlang den EU-Freunden auf der Insel, dass sie doch bitte ihr Abkommen unterstütz­en sollen, weil sonst ein ungeordnet­er Austritt ohne Abkommen drohe. Gleichzeit­ig warnte May die Brexit-Anhänger davor, dass diese am Ende ohne Brexit dastehen könnten, sollten sie den Vertrag ablehnen.

Was die Premiermin­isterin ignorierte: Die beiden Lager vernahmen natürlich sehr genau, was May der jeweils anderen Seite vermittelt­e. Es sei, als ob jemand eine WhatsApp-Konversati­on auf Twitter führe, urteilte ein Kommentato­r auf der Insel treffend über diese zum Scheitern verurteilt­e Taktik.

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