Das Karussell der Milliarden
Überschüsse, weniger Schulden, positiver Ausblick: Österreichs Kommunen haben allen Grund, zufrieden auf das vergangene Jahr zurückzublicken. Doch die Herausforderungen, die auf sie zukommen, sind enorm.
WIEN. Schulen, Kindergärten, Pflegeheime, Krankenhäuser: In den Kommunen wird sichtbar, wohin das Steuergeld fließt. Das tut es auf verschlungenen Wegen, weshalb Städte und Gemeinden schon lang Vereinfachungen fordern. Der Städtebund plädierte gestern, Donnerstag, auch für mehr Mitsprache der Kommunen, wenn es um das neue Finanzierungskonzept für die Pflege geht. Für die Steuerreform bringt man sich ebenfalls schon in Stellung: Fließt dadurch weniger Geld an die Gemeinden, will der Städtebund im Gegenzug eine höhere Grundsteuer.
Wie geht es den Gemeinden und warum machen sie sich trotz guter Konjunktur Sorgen? Hier ein paar Antworten.
1. Wie steht es um die Gemeindefinanzen?
Die gute Nachricht: Den Gemeinden geht es finanziell gut. Sie haben dank brummender Wirtschaft Spielraum für Investitionen und können Schulden tilgen. Heuer dürften sie – Wien nicht mitgerechnet – einen Überschuss in der Dimension von 2,1 Milliarden Euro erwirtschaften. Das sind um 180 Millionen Euro mehr als im Vorjahr, wie das Zentrum für Verwaltungsforschung (KDZ) am Donnerstag vorrechnete. Auch die weiteren Aussichten sind gut: 2019 soll der Überschuss wieder 2,1 Mrd. Euro betragen, bis 2022 dürfte er sogar auf 2,4 Milliarden Euro steigen.
2. Woher kommt das Geld und wohin geht es?
Über den Finanzausgleich haben die Gemeinden (ohne Wien, das ja zugleich ein Land ist) im vergange- nen Jahr 7,3 Milliarden Euro Ertragsanteile vom Bund erhalten. Davon schickten sie 3,5 Milliarden Euro an die Länder (vor allem für Krankenanstalten-, Sozialhilfe- und Landesumlagen). Rund 900 Millionen Euro kamen – allen voran über Landesförderungen – wieder zurück an die Gemeinden. Das heißt: Am Ende dieses Transferkarussells waren die Gemeinden gut ein Drittel (35 Prozent) der anfangs 7,3 Milliarden Euro wieder los.
2012 hatte der Anteil, den die Gemeinden unterm Strich an die Länder weitergeben mussten, noch weniger als ein Drittel (30 Prozent) betragen. „Wenn der Anteil weiter so steigt wie jetzt, wird es für die Gemeinden schwierig“, sagt Peter Biwald, Geschäftsführer des KDZ. Ein guter Indikator für die Schieflage sind auch folgende Zahlen: Während die Investitionen der Gemeinden in den vergangenen zehn Jahren um 20 Prozent stiegen, stiegen die Transfers an die Länder doppelt so stark (um 40 Prozent).
3. Was sind die größten Herausforderungen?
Die liegen für die Kommunen im Sozialbereich, vor allem im Pflegeund Gesundheitswesen – also dort, wo die Städte und Gemeinden schon jetzt an die Grenze stoßen (die vom Bund verfügte und heuer in Kraft getretene Abschaffung des Pflegeregresses verschärfte die Finanzierungsnot).
2012 war von Bund, Ländern und Sozialversicherungsträgern vereinbart worden, dass die Gesundheitsausgaben um höchstens 3,6 Prozent pro Jahr steigen dürfen. Die Krankenanstaltenumlage, die von den Gemeinden an die Länder gezahlt wird, ist seit 2014 jedoch um fast fünf Prozent pro Jahr gestiegen. Im neuen Finanzausgleich wurde die Ausgabensteigerung mit 3,2 Prozent pro Jahr gedeckelt, die Krankenanstaltenumlagen dürften aber in den kommenden Jahren um 3,7 Prozent steigen.
Eine ähnliche Verzerrung zeigt sich bei der Pflege: Im Finanzausgleich 2017 wurde zwischen Bund und Ländern vereinbart, dass die Ausgaben um nicht mehr als 4,6 Prozent pro Jahr steigen dürfen. Die Sozialhilfeumlage, die die Gemeinden an die Länder zahlen, ist seit 2013 aber um jährlich 6,4 Prozent gestiegen, für 2019 und 2020 wird ein Anstieg von je 4,9 Prozent erwartet. Auch der Fiskalrat verwies jüngst auf die äußerst „dynamische Entwicklung“im Sozialbereich, insbesondere bei der Pflege, wo es allein schon deshalb eine massive Kostensteigerung geben wird, weil die Zahl der Alten, die Pflege brauchen, einem Rekordwert entgegensteuert. Sollten die Wirtschaft wieder schwächeln und die Zinsen wieder steigen, könnte es schwierig werden, die Budget- und EU-Vorgaben einzuhalten, so der Fiskalrat.
4. Warum wollen die Gemeinden mitreden?
Da geht es vor allem um den Pflegebereich, für den die Regierung die Finanzierung kommendes Jahr auf neue Beine stellen will. Von den fünf Milliarden Euro Gesamtausgaben kommt ein Fünftel von den Gemeinden. Mitfinanzieren ohne mitzugestalten sei vor allem aber dann kein akzeptabler Zustand, wenn die Ausgaben laufend stärker stiegen als vereinbart, sagt Experte Biwald.
5. Was tun gegen den Personalengpass?
Durch Pensionierungswellen im öffentlichen Dienst wird es künftig auch in den Gemeinden zu Personalengpässen kommen. Es gibt bereits jetzt zu wenig Personal im Pflegebereich – bestes Beispiel ist die Stadt Salzburg, wo Stellen nicht besetzt werden können und Plätze in Seniorenheimen trotz großer Nachfrage leer bleiben müssen. Das sei eine große Herausforderung, sagte Städtebund-Präsident Thomas Weninger. Hier müsse man gemeinsam mit dem Bund überlegen, wie man die Arbeit in den Gemeinden attraktiver gestalten könne, etwa durch bessere Gehälter, flexiblere Arbeitszeitmodelle und erschwingliches Wohnen.