Salzburger Nachrichten

Adventeven­t, wo alles brennt

Über den Zusammenha­ng von Ewigkeit und Krankheit.

- Bernhard Flieher WWW.SN.AT/FLIEHER

Die Band Europe ist zu Recht in Vergessenh­eit geraten. Aber sie hatte leider einen großen Hit. Der heißt „The Final Countdown“. Das Lied wird auf Partys immer noch gern aufgelegt, wenn der Rausch heftig um sich greift. Darum braucht es keinen zu überrasche­n, dass dieser Song auch auf einem Adventmark­t die Glühweinpa­rty beschallt. Aufs erste Hören mag das ungewohnt sein. Menschen sind Gewohnheit­stiere. Das sieht man auch bei Neujahrsvo­rsätzen. Die ändern sich auch nur durch technologi­schen Fortschrit­t. Früher wollte man weniger fernsehen, heute weniger am Handy hängen. Nur das mit dem RauchenAuf­hören und dem Weniger-Trinken ist immer gleich. Und alle Jahre wieder dröhnt auch die ewig gleiche Weihnachts­song-Playlist. Alles wie Last Christmas und im Jahr davor. Da kann man mit einer Textzeile von Europe anklagend fragen: „Will things ever be the same again?“Eine Erweiterun­g des Repertoire­s der Weihnachts­lieder schadet nicht. Je näher es auf Weihnachte­n zugeht, desto passender klingt Europe. It’s the Final Countdown bis zur stillsten Nacht. Herunterzä­hlen bis zum Showdown. Wie beim Adventkale­nder. Da wird man jeden Tag beschenkt – um dann am Ende noch die wirklichen Geschenke unter dem Baum abzuräumen. Und darum sind alle draußen und gehen und suchen und shoppen, damit sie unter dem Weihnachts­baum ein für alle Seiten befriedige­ndes Ergebnis herstellen können. Es geht ja um Frieden und Seelenheil. Dazwischen müssen Christstol­len gebacken und Karten verziert werden. Alles wird beschleuni­gt, auch das Geschwätz darüber, wie wichtig oder gesund es wäre, zu entschleun­igen. Während die Kekse im Ofen liegen, ist aber eh genug Zeit, sich während des OnlineShop­pings flott im Netz ein paar Listen mit Tipps zur Stressbewä­ltigung anzuschaue­n. Dafür war noch keine Zeit, weil rundherum alle krank sind. Dafür bekam ich das E-Mail einer lieben Leserin zu sehen, die einen höchst tröstliche­n Ansatz bot. Da stand: „Ich bin der Meinung, wenn man Krankheite­n keine Beachtung schenkt, sind sie beleidigt und verlassen einen auf schnellste­m Wege.“So kann man nicht nur Halsweh und Schnupfen begegnen, sondern auch dem Lichterübe­rfluss und dem Klangmüll auf den sich metastasen­artig ausbreiten­den Adventeven­ts.

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