Kongress will Trump stoppen
Die Empörung über den Mord an Jamal Khashoggi und das Blutvergießen im Jemen gefährden die Politstrategie des Weißen Hauses. Saudi-Arabien war der Angelpunkt – bisher.
Jemen ist kein Staat, der oft Anlass für Optimismus bietet. Doch heute, Dienstag, soll endlich ein Waffenstillstand für die umkämpfte Hafenstadt Hodeidah in Kraft treten. Seit 2014 herrscht Krieg in dem bitterarmen Land. Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman hatte in einem kurzen Feldzug auf Seiten der sunnitischen Regierung die schiitischen Huthi-Rebellen besiegen wollen – eine Fehleinschätzung.
Die in Schweden unter UNOSchirmherrschaft vereinbarte Waffenruhe ist von großer Bedeutung. Allein, dass die Saudis bereit waren, mit Huthi-Vertretern zu verhandeln, ist eine Revolution. Dieser Sinneswandel ist Folge zunehmenden Drucks aus den USA, Riads wichtigstem Verbündeten. In Washington herrscht nach dem demokratischen Sieg in den Mid-Term-Wahlen kein allmächtiger Präsident mehr. Steht Donald Trumps Strategie in Nahost vor dem Ende oder zumindest entscheidendem Wandel?
Kolumnist Jeffrey Goldberg fasste das Kalkül hinter Trumps Diplomatie vor wenigen Monaten so zusammen: „We’re America, bitch!“– „Wir sind Amerika, du Miststück!“Die USA könnten tun, was sie wollen, und müssten sich für nichts mehr entschuldigen. Trumps Haltung sei „ein Mittelfinger, der auf eine kalte und unfaire Welt gerichtet ist, die die Macht und das Privileg Amerikas nicht mehr respektiert“.
Gil Yaron berichtet für die SN aus dem Mittleren Osten
In der Region paarte sich das mit einer Feindschaft zum Iran und unverhohlener Bewunderung und Unterstützung für Diktatoren, allen voran Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman.
Der avancierte zum Angelpunkt der US-Politik. Riad sollte helfen, einen Friedensplan für Israelis und Palästinenser umzusetzen, indem er Israel mit enger Kooperation lockte und auf die Palästinenser enormen Druck ausübte. Zudem sollte Mohammed helfen, Iran zu isolieren. Erhöhte Ölproduktion sollte den Druck auf den Ölpreis ausgleichen helfen, den Trumps Aufkündigung des Atomdeals mit dem Iran erzeugte. Außerdem sollte Riad Amerikas Wirtschaft durch gigantische Waffendeals ankurbeln. Im Gegenzug erhielt der junge Herrscher einen Freibrief, um seine impulsive, von Gewalt gekennzeichnete Strategie durchzusetzen.
Das scheint vorbei zu sein. In seltener Eintracht leisten Demokraten und Republikaner im US-Senat Widerstand. Sie wollen die Waffenverkäufe an Riad beenden. Ein Grund ist die Empörung über Salmans Vorgehen, das den Jemen in die größte humanitäre Katastrophe des 21. Jahrhunderts verwandelte. Laut UNICEF stirbt dort alle zehn Minuten ein Kind, Zehntausende sollen bereits verhungert sein.
Wohl noch schwerer wog aber die Entrüstung über den grausamen Mord am saudischen Journalisten Jamal Khashoggi in der saudischen Botschaft in Istanbul. Einstimmig forderten die Senatoren, den Kronprinzen persönlich zur Verantwortung zu ziehen.
Für Autokraten weht ein neuer Wind vom Kapitol. „Amerikas Engagement in aller Welt wird definitiv neu bewertet werden“, versprach Joaquin Castro, Demokrat aus Texas, der im außenpolitischen Ausschuss des Repräsentantenhauses sitzt. Dessen neuer demokratischer Vorsitzende Eliot Engel will „mit wichtigen Verbündeten wie der EU zusammenarbeiten. Wir müssen versuchen, die Schäden zu reparieren, die unserem Bündnis verursacht wurden.“Zugleich wollen die Demokraten Diktaturen härter an die Kandare nehmen und auf die Achtung von Menschenrechten pochen.
Ein weiterer Brennpunkt könnte Ägypten werden, das nach Israel der größte Empfänger von US-Militärhilfe weltweit ist. Diese Zahlungen sind seit 2012 theoretisch an Menschenrechte am Nil gebunden. Die Bedingung wurde jedoch mit dem Argument, Kairos Stabilität sei eine Frage der nationalen Sicherheit, außer Kraft gesetzt. Das könnte sich ändern. Nur in einer Frage steht kein Wandel an: Amerikas Rückzug aus dem Atomdeal mit dem Iran kann der Kongress nicht rückgängig machen.