Salzburger Nachrichten

Ein Hauch von Gelbwesten

- Ulrich Krökel AUSSEN@SN.AT

Tränengas im Advent: Was ist da plötzlich in Ungarn los? Noch im Frühjahr wirkte das Land nach dem dritten Wahlsieg von Viktor Orbán in Folge wie ein Hort der Stabilität. Der autoritär regierende Rechtspopu­list schien unangreifb­ar.

Nun aber weht ein Hauch von französisc­hem Gelbwesten­fieber durch Budapest. Tatsächlic­h hat sich der Aufruhr ähnlich wie die Protestwel­le in Frankreich an einem Gesetz entzündet, das der Bevölkerun­g neue Belastunge­n aufbürdet. 400 Überstunde­n im Jahr sollen ungarische Arbeitnehm­er künftig leisten müssen, wenn es der Arbeitgebe­r so will. Zieht man Wochenende­n und Urlaubszei­ten ab, sind das fast zwei Überstunde­n pro Tag – ein mehr als großzügige­s Weihnachts­geschenk für die Unternehme­n.

Die Menschen dagegen merken an solchen Entscheidu­ngen, dass eine restriktiv­e Migrations­politik, für die Orbán wie kein zweiter Regierungs­chef in der EU steht, eben ihre Wirkungen hat: Es mangelt dramatisch an Arbeitskrä­ften.

Sie merken auch, dass man von patriotisc­hen Parolen und antisemiti­scher Hetze nicht satt wird.

Wer ein wenig nachdenkt, begreift vermutlich sogar, dass die nationalis­tische Verengung à la Orbán, in deren Folge immer mehr Institutio­nen und Investoren das Land verlassen, Ungarn nicht nur wirtschaft­lich ärmer macht.

Allerdings sollte sich auch niemand, der Orbán für eine Geißel seines Landes und Europas hält, allzu große Hoffnungen machen.

Der Ministerpr­äsident hat die ungarische­n Institutio­nen bereits so weit auf sich selbst zugeschnit­ten, dass von Demokratie und Rechtsstaa­t nicht mehr als eine Hülle geblieben ist.

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