Können Frauen eine Herrenabfahrt bewältigen?
Ist das Risiko kalkulierbar? Was trauen sich Veith und Co. selbst zu? Die entschärfte Saslong entzweit die Meinungen.
Seit Lindsey Vonns unerfülltem Wunsch nach einem direkten Vergleich mit Männern war die Diskussion verstummt. Die Damenabfahrt heute, Dienstag (12.30 Uhr), in Gröden hat den Vergleich der Geschlechter wieder zum Thema gemacht. Die Damen über die Originalstrecke zu jagen wäre verantwortungslos, so der Grundtenor im Skizirkus. Das Gefallen mit der „Saslong light“, wie sie sich nun präsentiert, hält sich dennoch bei vielen Abfahrerinnen in Grenzen.
Anna Veith etwa bezeichnete ihre zwei Trainingsfahrten als „nettes Kennenlernen“, hätte sich aber wie Stephanie Venier eine technisch anspruchsvollere Streckencharakteristik gewünscht. „Es ist von oben bis unten gar nichts Schwieriges dabei. So, wie es jetzt ist, fragt man sich, ob sie uns gar nichts zutrauen“, sagt die Salzburgerin. Mit „sie“sind die Chefs des Internationalen Skiverbands (FIS) gemeint, die allein über die Streckenführung entscheiden, die Athletinnen haben kein Mitspracherecht. „Andererseits
Christian Mortsch berichtet für die SN aus St. Christina
ist es schwer einzuschätzen, wie es wäre, wenn wir bestimmte Passagen der Herrenstrecke gleich fahren würden. Ich kenne es auch nur vom Fernsehen, aber die Sprünge schauen bei den Herren schon sehr weit und hoch aus“, sagt Veith. So jedenfalls würde die Abfahrt im Gleiten entschieden. „Weil die Kurven und Wellen kann jede fahren“, glaubt Veith sich technisch nicht von der Konkurrenz abheben zu können. Dem stimmt ÖSV-Trainer Roland Assinger zu: „Überwinden muss man sich nicht wirklich.“
Die Frauen fahren heute unter dem Super-G-Start der Herren weg, umfahren die Kamelbuckel und zudem wurden die künstlichen Wellen in der Ciaslat sowie die Sprünge stark abgetragen. Und geht es nach der zweifachen Lake-Louise-Siegerin Nicole Schmidhofer, dann ist das auch gut so. „Ich will nicht 70 Meter weit und vier, fünf Meter hoch springen. Nein, danke“, winkt die Steirerin ab. Es sei immer noch schwierig genug, schnell zu sein. Schmidhofer war im Gegensatz zu Veith (18.) im zweiten Training als Dritte wie Ramona Siebenhofer (Vierte) im Spitzenfeld. Tagesbestzeit fuhr die tschechische Super-GOlympiasiegerin Ester Ledecká, ihres Zeichens auch Dominatorin im Snowboardweltcup (!), in 1:24,43.
Vorn dabei war als Siebte auch Mirjam Puchner, die in Gröden viele zum Kreis der Mitfavoritinnen zählen. „Das hier liegt mir“, sagt die St. Johannerin und stellt sich auf die Seite jener, die die Saslong als attraktiv genug bezeichnen. Aber könnten Frauen überhaupt die Originalstrecke bewältigen? Puchners Bruder Joachim, einst selbst im Weltcup auf der Saslong unterwegs, ist sich sicher: „Die Damen über die Kamelbuckel springen zu lassen wäre völlig verantwortungslos. Da gäbe es Schwerverletzte.“Und das will hier, speziell nach dem bösen Sturz von Marc Gisin, keiner.