Ob Abwarten mit oder ohne Tee: heißt es für Briten in Salzburg
Der Brexit kommt – ob mit oder ohne Abkommen, steht nicht fest. Die 986 in Salzburg lebenden Briten bereiten sich auf den Worst Case vor.
Es ist eine Mischung aus Gelassenheit und Alarmbereitschaft, mit der in Salzburg lebende Briten dem 29. März 2019 entgegenblicken. Das ist der Tag, an dem Großbritannien die EU verlassen wird – mit oder ohne „Deal“. Auch wenn viele lieber in der EU verbleiben würden: Ein geordneter Austritt mit einer bis Ende 2020 geltenden Übergangsfrist ist ihnen lieber als der „hard brexit“. Denn der sorgt für Unsicherheit. „Wird meine britische Qualifikation als Lehrer weiterhin anerkannt? Können meine in Österreich geborenen Kinder später problemlos eine britische Universität besuchen?“– das sind Fragen, mit denen sich Graham Crewe, Brite und HAK-Lehrer in Salzburg, derzeit beschäftigt. Seit 22 Jahren lebt er mit seiner österreichischen Ehefrau in der Mozartstadt, für die drei Kinder hat er vor kurzem auch briti- sche Pässe beantragt. Auch wenn sie sich mit 18 Jahren wahrscheinlich für den österreichischen und damit einen EU-Pass entscheiden würden: Sie waren dann zumindest einmal Briten und hätten folglich einfacheren Zugang zu allem, was britisch ist. Ohne „Deal“gebe es keine Garantie für die Zukunft. In EU-Ländern verbleibende Briten sollten Aufenthaltsstatus und Sozialversicherung checken, Führerscheine ihrer Aufenthaltsländer besorgen und sich am 29. März in ihrer Wahlheimat aufhalten, heißt es in einer in der britischen Community kursierenden „No-DealCheckliste“. Nicht einmal ob britische Flugzeuge auf einem EUFlughafen landen dürften, sei sicher.
Von dieser Art der Panikmache hält Joanne Edwards nichts – wenngleich derzeit niemand genau sagen könne, wie das Leben nach einem Hard Brexit nach dem 29. März weitergehen wird. Auch Joanne Edwards wird am 29. März nirgendwo hinfliegen, sondern in Salzburg bleiben.
Für Briten wie sie, die seit fünf Jahren oder länger in Salzburg leben, ändert sich mit dem Brexit – ob mit oder ohne Deal – im Alltag nichts. Denn laut österreichischer Verfassung hat dann eine Aufenthaltsverfestigung stattgefunden, was einer dauerhaften Aufenthaltserlaubnis gleichkommt. Voraussetzung ist freilich, dass sie eine entsprechende Anmeldebescheinigung vorweisen können. Diese Erfahrung musste Graham Crewe kürzlich machen. In den 22 Jahren, die er als Steuerzahler in Österreich lebt und arbeitet, habe ihm nie jemand gesagt, dass er neben dem Meldezettel auch eine Anmelde-
bescheinigung benötige. „Und glauben Sie mir, das wissen viele Briten in Salzburg nicht.“Mit einer Verwaltungsstrafe wurde das Problem mittlerweile aus der Welt geschafft.
Allen möglichen Problemen aus dem Weg gehen könnten in Salzburg lebende Briten auch mit einer österreichischen Staatsbürgerschaft. „Aber wissen Sie: Wenn man im Ausland lebt, gibt man alles auf. Das Letzte, was einem von der Heimat bleibt, ist die Staatsbürgerschaft“, sagt Joanne Edwards. Auch wenn sie sich derzeit für ihr Land schäme, so würde sie ihren Pass nicht leichtfertig hergeben. Die Autorin und frühere Lehrerin lebt seit 30 Jahren in Österreich und sähe es am liebsten, wenn die britische Premierministerin Theresa May den Brexit stoppen würde. „Aber das wird nicht passieren“, sagt sie. Momentan sehe es aber zumindest so aus, als könnte es in Großbritannien zu einem zweiten Referendum – wenn schon nicht über den Verbleib in der EU, dann über Mays Brexit-Deal – kommen. Sie ist überzeugt, dass sich die Stimmung in der britischen Bevölkerung verändert hat – und heute rund 60 Prozent für einen Verbleib in der EU stimmen würden. Im Juni 2016 hatten 52 Prozent für den Brexit votiert. Ihr bleibe nichts anderes übrig, als abzuwarten, sagt Joanne Edwards. Briten, die so wie sie seit 15 Jahren oder länger im Ausland leben, sind bei einer Abstimmung nicht stimmberechtigt. Ein zweites Referendum würde die verworrene Situation aber nicht wirklich verbessern. Ganz im Gegenteil, die Brexit-Befürworter könnten Unruhen anzetteln, befürchtet Joanne Edwards.
Mit britischer Gelassenheit nimmt Chris Clee die Londoner Brexit-Politik zur Kenntnis. Noch ist nicht klar, was auf ihn zukommt. „Wenn es so weit ist, werde ich mich vorbereiten.“Hätte er irische Wurzeln, so wäre das ein Ausweg, denn dann könnte er als Doppelstaatsbürger Brite und EU-Bürger gleichzeitig sein. „Aber ich habe keine irischen Wurzeln.“Österreicher will er nicht werden – obwohl er es aufgrund seines langen Aufenthalts jederzeit könnte. Es wäre ein letzter Ausweg, sagt der Betreiber des „English Shop“im Kaiviertel der Salzburger Altstadt. Emotional spiele es für ihn keine Rolle, ob er Brite, Österreicher oder Deutscher sei. „Das ist die EU. Wir sind alle Europäer.“
Als Unternehmer rechnet er damit, dass er für Importe eines Tages Zolltarife bezahlen muss. Ein No-Deal-Szenario sei dabei keine Hilfe, weil er sich darauf schlecht vorbereiten könne. Er verweist aber auch darauf, dass die Stimmung in Großbritannien eine andere sei als jene unter Briten in Salzburg. „In Großbritannien wollen die Menschen lieber heute als morgen die EU verlassen“, sagt er. Das würde eine neuerliche Abstimmung bestätigen, ist er sich sicher.