Atomraketen werden wieder politiktauglich
Da fährt unser Wirtschaftsmodell gerade den Planeten an die Wand. Alle Kräfte wären vonnöten, um in den nächsten Jahrzehnten eine Klimakatastrophe zu vermeiden.
Da kracht das bislang recht gut arbeitende System des Kapitalismus an allen Ecken und Enden und wieder wären alle Kräfte vonnöten, ein neues Modell des Wohlstands zu finden.
Und dann setzen die Männer in Washington und Moskau Atomraketen auf die Tagesordnung? Greifen in sicherheitspolitische Mottenkisten? Kündigen Verträge, drohen, plustern sich auf? Abgesehen von der nicht ganz unberechtigten Frage, ob die Herren verrückt geworden sind: Steht uns ein neues Wettrüsten bevor?
Nun, die ständige Modernisierung der Waffen, auch der Nuklearwaffen, hat nie geendet. Das muss man nicht Wettrüsten nennen, Aufrüsten allemal. Damals und heute offenbar wieder dienen Atomsprengköpfe als politische Instrumente – einsetzen will sie niemand. Doch die Gefahr, dass ein unwichtiger Alltagszusammenstoß mangels eingeübter Konfliktkultur außer Kontrolle geraten könnte, ist nicht von der Hand zu weisen. Zumal sich der Kreml in einer Art Krieg mit dem Westen wähnt, der Russland die ihm zustehende Größe verweigert. Andere Druckmittel als Waffen und Gewalt stehen Wladimir Putin nicht zur Verfügung.
Schon aus Eigeninteresse müsste Europa also versuchen, die Raketenmänner im Osten und Westen in einen neuen Strategieentwurf einzubinden. Er müsste gleichermaßen das mit sich selbst beschäftigte Amerika entlasten und ein aggressives und ängstliches Russland beruhigen.
Die Europäische Union plus Großbritannien müssten eine Politik entwickeln, die ihre eigene Rolle in diesem neuen Spiel entwirft, sichert und so ihre Bevölkerungen schützt. Leicht wird das nicht. Ansätze und Debattenbeiträge gibt es, wie den Seiten 2 und 3 dieser Ausgabe zu entnehmen ist.
Außer Frage steht jedenfalls, dass dieses Bemühen unendlich viel wichtiger ist als die kraftraubende Dauerbeschäftigung mit dem Phantom einer längst bewältigten Asylkrise.