Den Staat erfasst eine neue Kontrollwut
Ob Sozialhilfebezieher, Airbnb oder Pfuscher: Es wächst der Eindruck, dass allerorts potenzielle Betrüger lauern. Ist das gar (politische) Absicht?
Es ist ein Symptom für den politischen Zeitgeist: Beinahe im Wochenrhythmus wird dieser Tage eine neue Taskforce angedacht oder aus dem Boden gestampft, die sich der Kontrolle potenzieller Betrüger im Land verschreibt. Die Stadt Salzburg erwägt eine neue Sicherheitswache, dank derer sich Beamte auf die Lauer legen können, um Parksünder, illegale Prostituierte, rechtswidrig parkende Busse oder widerrechtlich handelnde Hundehalter abzustrafen. Zwischen 20 und 40 zusätzliche städtische Beamte sollen dafür abgestellt werden.
Zeitgleich zieht die Polizei jetzt auch in Salzburg eine Taskforce hoch, um Sozialleistungsbetrügern aller Art auf die Schliche zu kommen. Es geht um Mindestsicherung, Arbeitslosengeld, Mietzuschüsse oder etwa Leistungen, die die Krankenkasse bezahlt. Jene, die sich Leistungen vom Staat erschleichen, sollen so besser und leichter ausfindig gemacht werden.
Die Liste ließe sich fast beliebig fortsetzen. Das Land wird demnächst mit neuem Gesetz der illegalen Airbnb-Vermietung rigoroser zu Leibe rücken. Das Alkoholverbot auf bestimmten Plätzen der Stadt Salzburg gehört natürlich überwacht. Und selbstverständlich muss man auch all die Reisebusse kontrollieren, die in die Stadt drängen. Sie müssen Obolus leisten – und nicht jeder macht das freiwillig.
Die neue Kontrolllust der staatlichen Organe kommt nicht von ungefähr. Erstens ist die Polizei durch den viele Jahre währenden Sparkurs derart ausgezehrt, dass sie nicht nur weitgehend aus dem Straßenbild verschwunden ist, sondern alle Hände voll zu tun hat, ihre ureigensten Sicherheitsagenden zu erledigen. Zweitens schreit der politische Zeitgeist nach Kontrolle und Sicherheit. Die Menschen sind auf diese Themen sensibilisiert wie schon lange nicht. Sie fühlen sich unsicher, auch wenn wir in einem der sichersten Länder der Welt leben. Zudem zeigt der wachsende wirtschaftliche Druck Wirkung: Immer mehr fühlen sich benachteiligt. Weil der eine mehr hat als man selbst, weil der andere vom Staat Unterstützung bekommt, während man selbst täglich zur Arbeit geht.
Und drittens wird niemand bestreiten, dass Prostitution oder Alkoholverbote kontrolliert gehören. Das Aufstöbern von illegal vermieteten Airbnb-Wohnungen ist sachlich genauso gerechtfertigt wie das Aufstöbern von Steuerbetrügern oder Pfuschern. Und ein Staat, der finanziell immer klammer wird, hat letztlich die Pflicht, peinlich genau darauf zu achten, dass nur jene Sozialleistungen erhalten, denen diese auch zustehen.
Und trotzdem ist die Entwicklung aus mehreren Gründen höchst bedenklich. Ein Staat, der in Sachen Kontrolle einmal in Fahrt kommt, ist kaum noch zu bremsen. Der Grad zwischen berechtigter Kontrolle und fragwürdiger Schnüffelei ist ein schmaler. Und was noch schwerer wiegt: Ein auf Kontrolle ausgerichteter Staat überhöht potenzielle Bedrohungen, um seine Kontrollen auch zu rechtfertigen. Was sich im politischen Klima dieser Tage zeigt. Immer öfter stehen Ausländer oder Sozialhilfebezieher im Generalverdacht, Leistungen zu Unrecht zu beziehen. Dass das nachweislich falsch ist, weil es eine kleine Minderheit ist, die betrügt und missbraucht, spielt kaum eine Rolle.
Deshalb ist dieses politische Spiel nicht nur unanständig, es ist auch gefährlich. Wie gesagt: Hat den Staat erst einmal die Kontrollwut erfasst, wird sie nicht bei Ausländern oder Minderheiten haltmachen. Dann kann sie jeden von uns treffen.