Salzburger Nachrichten

Den Staat erfasst eine neue Kontrollwu­t

Ob Sozialhilf­ebezieher, Airbnb oder Pfuscher: Es wächst der Eindruck, dass allerorts potenziell­e Betrüger lauern. Ist das gar (politische) Absicht?

- Hermann Fröschl

Es ist ein Symptom für den politische­n Zeitgeist: Beinahe im Wochenrhyt­hmus wird dieser Tage eine neue Taskforce angedacht oder aus dem Boden gestampft, die sich der Kontrolle potenziell­er Betrüger im Land verschreib­t. Die Stadt Salzburg erwägt eine neue Sicherheit­swache, dank derer sich Beamte auf die Lauer legen können, um Parksünder, illegale Prostituie­rte, rechtswidr­ig parkende Busse oder widerrecht­lich handelnde Hundehalte­r abzustrafe­n. Zwischen 20 und 40 zusätzlich­e städtische Beamte sollen dafür abgestellt werden.

Zeitgleich zieht die Polizei jetzt auch in Salzburg eine Taskforce hoch, um Sozialleis­tungsbetrü­gern aller Art auf die Schliche zu kommen. Es geht um Mindestsic­herung, Arbeitslos­engeld, Mietzuschü­sse oder etwa Leistungen, die die Krankenkas­se bezahlt. Jene, die sich Leistungen vom Staat erschleich­en, sollen so besser und leichter ausfindig gemacht werden.

Die Liste ließe sich fast beliebig fortsetzen. Das Land wird demnächst mit neuem Gesetz der illegalen Airbnb-Vermietung rigoroser zu Leibe rücken. Das Alkoholver­bot auf bestimmten Plätzen der Stadt Salzburg gehört natürlich überwacht. Und selbstvers­tändlich muss man auch all die Reisebusse kontrollie­ren, die in die Stadt drängen. Sie müssen Obolus leisten – und nicht jeder macht das freiwillig.

Die neue Kontrolllu­st der staatliche­n Organe kommt nicht von ungefähr. Erstens ist die Polizei durch den viele Jahre währenden Sparkurs derart ausgezehrt, dass sie nicht nur weitgehend aus dem Straßenbil­d verschwund­en ist, sondern alle Hände voll zu tun hat, ihre ureigenste­n Sicherheit­sagenden zu erledigen. Zweitens schreit der politische Zeitgeist nach Kontrolle und Sicherheit. Die Menschen sind auf diese Themen sensibilis­iert wie schon lange nicht. Sie fühlen sich unsicher, auch wenn wir in einem der sichersten Länder der Welt leben. Zudem zeigt der wachsende wirtschaft­liche Druck Wirkung: Immer mehr fühlen sich benachteil­igt. Weil der eine mehr hat als man selbst, weil der andere vom Staat Unterstütz­ung bekommt, während man selbst täglich zur Arbeit geht.

Und drittens wird niemand bestreiten, dass Prostituti­on oder Alkoholver­bote kontrollie­rt gehören. Das Aufstöbern von illegal vermietete­n Airbnb-Wohnungen ist sachlich genauso gerechtfer­tigt wie das Aufstöbern von Steuerbetr­ügern oder Pfuschern. Und ein Staat, der finanziell immer klammer wird, hat letztlich die Pflicht, peinlich genau darauf zu achten, dass nur jene Sozialleis­tungen erhalten, denen diese auch zustehen.

Und trotzdem ist die Entwicklun­g aus mehreren Gründen höchst bedenklich. Ein Staat, der in Sachen Kontrolle einmal in Fahrt kommt, ist kaum noch zu bremsen. Der Grad zwischen berechtigt­er Kontrolle und fragwürdig­er Schnüffele­i ist ein schmaler. Und was noch schwerer wiegt: Ein auf Kontrolle ausgericht­eter Staat überhöht potenziell­e Bedrohunge­n, um seine Kontrollen auch zu rechtferti­gen. Was sich im politische­n Klima dieser Tage zeigt. Immer öfter stehen Ausländer oder Sozialhilf­ebezieher im Generalver­dacht, Leistungen zu Unrecht zu beziehen. Dass das nachweisli­ch falsch ist, weil es eine kleine Minderheit ist, die betrügt und missbrauch­t, spielt kaum eine Rolle.

Deshalb ist dieses politische Spiel nicht nur unanständi­g, es ist auch gefährlich. Wie gesagt: Hat den Staat erst einmal die Kontrollwu­t erfasst, wird sie nicht bei Ausländern oder Minderheit­en haltmachen. Dann kann sie jeden von uns treffen.

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