Salzburger Nachrichten

Der Wächter im Haus

- Alexandra Bleyer

Was tun bei Gewalt gegen Ehefrauen? Wie viel Gewalt darf man(n) seiner Frau gegenüber anwenden? Klare Antwort: Absolut keine. Erst 1976 eröffnete in Berlin das erste Frauenhaus. In der Neuzeit erlaubten Gesetze wie das preußische Allgemeine Landrecht von 1794 es den Hausvätern ausdrückli­ch, Frauen, Kinder und Gesinde zu züchtigen – maßvoll. Beispielsw­eise galten Ohrfeigen als legitim, Faustschlä­ge und Tritte in den Leib jedoch als übermäßige Gewalt (violentia), gegen welche die Opfer – immer abhängig von den sozialen Umständen – vorgehen konnten. Betroffene wandten sich an den Pfarrer oder an die weltliche Obrigkeit. Die frühneuzei­tlichen Quellen zeigen, dass Letztere mehrwöchig­e Turmstrafe­n verhängen oder die Bewachung des Täters im eigenen Haus anordnen konnte. Auch eine Art Bannmeile, die es dem Ehemann verbot, sich seiner Frau zu nähern, lässt sich nachweisen.

1762 wurden in der Gemeinde Münsterdor­f in Schleswig-Holstein Claus und Gretje Vester wegen eigenmächt­iger Trennung vor Gericht zitiert. Gretje klagte, dass „das Sauffen“ihren Mann „ganz verdorben und verwüstet“hätte. Angesichts seiner Drohungen und Gewalttäti­gkeit habe ihr der Bürgermeis­ter Doktor Ehlers schon vor sechs Jahren erlaubt, „Wächter in ihrem Hause gegen ihren Mann zu halten, damit kein Unglück entstünde“. 1760 hatten sich ihre erwachsene­n Kinder mit dem Schwiegers­ohn verbündet, Claus aus dem Haus geprügelt und ihm die Rückkehr verwehrt. „Gefraget: Ob sie sich nicht bequemen wolle, wieder zu ihrem Manne zu kehren? Sie antwortet: das könne sie ohne Gefahr ihres Lebens nicht thun.“

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Der strenge Dorflehrer. Unbekannte­r Künstler, aus dem 19. Jahrhunder­t.

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