Da der Motor bei E-Autos fehlt, sind sie leise – in gewissen Bereichen sogar zu leise. Das wird sich ab 1. Juli ändern.
Das Elektroauto wird nicht nur wegen seines spritfreien Betriebs gelobt. Da der Motor fehlt, ist es auch leise – in gewissen Bereichen zu leise. Das wird sich ab 1. Juli ändern.
SALZBURG. Der Kfz-Verkehr ist der größte Lärmerzeuger in Österreich. 1,4 Millionen Menschen fühlen sich hierzulande von Verkehrslärm gestört, ergab eine Analyse des Verkehrsclubs Österreich (VCÖ). Davon klagt mit 1,1 Millionen Betroffenen der Großteil über Lärm von Autos, Lastwagen, Motorrädern und Mopeds. Vor allem in Städten und Ballungsräumen könnten Elektrofahrzeuge zur Reduktion der Lärmbelastung beitragen, empfiehlt der VCÖ. Zumindest bei Geschwindigkeiten unter 30 bis 35 km/h. Bereits über diesem Tempo würden bei einem Pkw die Rollgeräusche den Motor übertonen.
Diese lärmbefreite Verschnaufpause an den Ampeln und im städtischen Stop-and-go-Verkehr ist bald zu Ende. Mit 1. Juli 2019 tritt eine EU-Verordnung in Kraft, derzufolge neu zugelassene Fahrzeugtypen mit einem AVAS (Acoustic Vehicle Alerting System), sprich einem akustischen Warnsystem ausgestattet sein müssen. Das gilt für reine Elektro-, aber auch Hybridelektrofahrzeuge. Bis spätestens 1. Juli 2021 müssen alle Modelle solcher Fahrzeugtypen über ein AVAS verfügen.
Das akustische Warnsystem ergibt durchaus Sinn. Geräuscharme Fahrzeuge sind zwar wunderbar, im kombinierten Straßen- und Fußgängerverkehr aber nicht ungefährlich. Das gilt besonders für blinde oder sehbehinderte Personen, aber auch für solche, die gern als Hans Guckindieluft oder ins Smartphone schauend durch die Stadt streifen. Das AVAS soll nun im Fall des lautlosen Elektroantriebs davor warnen, dass da ein Auto ist.
Wie sich der Ersatz für das Motorengeräusch anhört, bleibt dabei den Herstellern überlassen. Vorgeschrieben ist nur, dass es sich um eine Art Dauerschallzeichen handeln muss, das je nach Geschwindigkeit lauter oder leiser wird, mit bis zu 56 Dezibel bis 20 km/h und 47 Dezibel beim Rückwärtsfahren. Darüber hinaus ist ein akustisches Warnsignal wegen der dann einsetzenden Wind- und Reifenabrollgeräusche nicht mehr notwendig.
„Im schlimmsten Fall wird es an der Ampel zu einer Kakofonie kommen“, sagt der Sprecher von Jaguar und Landrover in Österreich, Dieter Platzer. Mit dem Jaguar I-Pace und dem Range Rover Hybrid wird AVAS hier aktuell in zwei Fahrzeugen verbaut – mit zwei unterschiedlichen Sounds. „Der I-Pace ist ein Sportwagen, da braucht es etwas, das mehr dem Motorengeräusch ähnelt“, erklärt Platzer. Die größte Schwierigkeit sei, ein Geräusch zu entwickeln, das hörbar sei, aber auch niemanden nerve. „Es soll ja kein Getriller oder Gepfeife werden.“Bei Jaguar und Landrover hätten die Soundentwickler vier Jahre lang getüftelt – Aha-Erlebnisse inklusive. So hätten die Ingenieure beim I-Pace anfangs an ein Düsengeräusch gedacht, erzählt Platzer, „bei den Tests ist man dann aber draufgekommen, dass die Leute nach oben schauen und nicht auf die Straße.“Einfacher ist offenbar die technische Umsetzung. Zumeist werden am Fahrzeug einfach kleine Lautsprecher montiert, vorn etwa hinter dem Kühlergrill.
AVAS-Nachrüstungen von bereits bestehenden E- oder Hybridmodellen sind übrigens nicht erforderlich, das gilt unter anderem für den e-Golf oder e-up von Volkswagen. Beim e-Golf werde AVAS aber als Zusatzausrüstung angeboten, heißt es bei der Porsche Holding in Salzburg. Kostenpunkt: rund 155 Euro. Die neue I.D.-Familie, die ab 2020/21 in größerer Stückzahl auf den Markt komme, werde komplett mit AVAS ausgestattet sein. Auch bei BMW Österreich bietet man AVAS bereits für alle elektrifizierten Modelle als Sonderausstattung an, um 85 Euro netto. Der BMWSound soll bei allen E-Autos und Plug-in-Hybrid-Modellen künftig übrigens einheitlich klingen.
Ausbauen oder Deaktivieren des AVAS durch Fahrzeugbesitzer wird mit der EU-Bestimmung verboten. Laut österreichischem Verkehrsministerium gelten die allgemeinen Strafbestimmungen des Kraftfahrgesetzes mit einem Strafrahmen bis zu 5000 Euro. Auf eine Lücke macht allerdings der Blindenverband aufmerksam. Erst ab 2023, kritisiert dieser, solle ein volles Pauseschalterverbot kommen. Bei Jaguar und Land Rover betont man, das AVAS könne nicht abgeschalten werden. Weiterhin Stille genießt der Elektro-Lenker: „Im Fahrzeuginneren ist nichts zu hören.“
„Es soll ja kein Gepfeife werden.“