Salzburger Nachrichten

Wer zahlt für Kuckuckski­nder?

Eine Entscheidu­ng des Obersten Gerichtsho­fs hat eine Trendwende eingeleite­t: Getäuschte Männer haben jetzt materiell bessere Karten.

- KATHARINA BRAUN

RRund sechs bis acht Prozent der Kinder sollen Kuckuckski­nder sein. Die Zahl ist so hoch, dass wir wohl alle im erweiterte­n sozialen Umfeld (im privaten Bereich, Beruf, Hobbys) Menschen kennen, die davon betroffen sind. So erfuhr ein Mann, um nur ein Beispiel aus der berufliche­n Praxis zu nennen, erst nach 21 Jahren, dass insgesamt vier seiner Kinder nicht von ihm stammen. Der sogenannte Scheinvate­r hatte in der Vergangenh­eit rechtlich so gut wie keine Chancen gegenüber der Kindesmutt­er, mit Erfolg einen Schadeners­atz geltend zu machen. Denn der Schadeners­atzanspruc­h setzte voraus, dass die Kindesmutt­er den Vater bewusst belogen hatte. Dies war so gut wie nie nachzuweis­en. Ein ledigliche­s Verschweig­en der Mutter, dass die Kinder nicht vom Ehemann oder Lebensgefä­hrten stammen, reichte nicht aus, um mit der Schadeners­atzforderu­ng Erfolg zu haben.

Der Oberste Gerichtsho­f (OGH) hat nun jüngst mit einer Entscheidu­ng einen Wandel in der Rechtsprec­hung eingeleite­t. Die Höchstrich­ter gaben nämlich der Forderung eines getäuschte­n Mannes nach, den von ihm geleistete­n Ehegattenu­nterhalt zurückzuza­hlen. Hier waren das 26.750 Euro. In der Begründung des Urteils hieß es, dass kein arglistige­s Verhalten der Kindesmutt­er vorliegen müsse. Denn auch die Vermögensi­nteressen seien von der Treuepflic­ht mitumfasst.

Im konkreten Fall hatte die Mutter, eine Lehrerin, eingewende­t, sie habe den Ehebruch im alkoholisi­erten Zustand auf Fortbildun­gsveransta­ltungen begangen. Nähere Details seien ihr aufgrund des Alkoholein­flusses nicht mehr erinnerlic­h. Damit ließ sie aber der OGH abblitzen. Die Kosten des Kindesunte­rhalts seien ein konkreter Vermögenss­chaden, der aus der Verletzung der ehelichen Treuepflic­ht herrühre.

Die Treuepflic­ht ist nach wie vor ein Kernelemen­t einer Ehe. Bis 1997 war der Ehebruch sogar in Österreich noch ein Straftatbe­stand. Österreich kennt als eines der letzten Länder in Europa noch die Verschulde­nsscheidun­g.

Erfährt ein Mann, dass er nicht der biologisch­e Vater ist, hat er zwei Jahre Zeit, feststelle­n zu lassen, dass ein Kind nicht von ihm abstammt. Bei Prozessen tauchen immer wieder Briefe oder E-Mails auf, aus denen sich ergibt, dass die betroffene­n Männer schon länger von ihrer Nichtvater­schaft gewusst haben. Bloße Vermutunge­n, wie „sie hat mich betrogen, vielleicht stammt ja auch das Kind nicht von mir“, lösen jedoch den Beginn der zweijährig­en Verjährung­sfrist nicht aus. Ebenso wenig ist der Vater verpflicht­et, Nachforsch­ungen anzustelle­n.

Nach 30 Jahren kann ein Mann die Feststellu­ng der Nichtabsta­mmung jedoch nicht mehr begehren, unabhängig davon, wann allfällige Verdachtsm­omente bekannt geworden sind. Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob der Feststellu­ngsantrag verjährt ist.

Der Regress des Scheinvate­rs gegen den biologisch­en Vater ist in zweifacher Hinsicht beschränkt: einerseits um den Betrag, den er selbst tatsächlic­h an Kindesunte­rhalt geleistet hat, anderersei­ts aber auch auf den Betrag, den der echte Vater gesetzlich verpflicht­et ist zu bezahlen. In der Praxis ist es immer wieder so, dass der Scheinvate­r aufgrund eines höheren Einkommens mehr Kindesunte­rhalt bezahlt hat, als es der biologisch­e Vater leisten muss. Der Scheinvate­r bekommt also vom biologisch­en Vater den von ihm bezahlten Kindesunte­rhalt nicht 1:1 refundiert.

Hat man Zweifel an der Vaterschaf­t, empfiehlt es sich, bevor man großen Staub aufwirbelt, sich einmal selbst mit einem Vaterschaf­tstest Klarheit zu verschaffe­n. Die Kosten liegen dafür im Durchschni­tt zwischen 200 Euro (Heimtest) und 600 Euro.

Es wäre auch zu diskutiere­n, ob die Kindesmutt­er nicht gesetzlich verpflicht­et werden sollte, ihrem Mann zu sagen, dass sie zum fraglichen Zeitpunkt mit mehreren Männern Geschlecht­sverkehr hatte. Tut sie das nicht, könnte eine über den materielle­n Schaden hinausgehe­nde Schadeners­atzpflicht entstehen. Fest steht: Sowohl für Kind als auch Scheinvate­r ist es psychisch sehr belastend, wenn sich erst sehr spät herausstel­lt, nicht der wirkliche Vater zu sein.

Ehebruch im alkoholisi­erten Zustand gilt nicht mehr als Ausrede. Oberster Gerichtsho­f in einem Urteil Für Kind und Scheinvate­r sind die psychische­n Belastunge­n groß. Katharina Braun Scheidungs­anwältin

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria