Es wäre tatsächlich Zeit für etwas Neues Es braucht die Besten, nicht die Willfährigsten
In der Personalpolitik hält die Regierung an schlechten alten Traditionen fest. Das schadet dem Land und dem Ansehen der Politik.
Der Präsident des Aufsichtsrats von Österreichs größtem Industrieunternehmen, der OMV, schreibt dem Finanzminister im September 2018 einen Brief. Er macht darin seinem Unmut Luft, dass die Regierung wieder stärker Einfluss auf die Geschicke des Energiekonzerns nehmen will, weshalb er zurücktreten werde. Der Minister bedauert.
Der Vorsitzende des Kontrollgremiums im teilstaatlichen Wasserkraftkonzern Verbund wird Ende April nach nur zwei Jahren hinwerfen, weil ihm der politische Einfluss bei den Postenbesetzungen missfällt. Der Finanzminister schweigt.
Sind da möglicherweise zwei naive Personen an ihren eigenen Ambitionen gescheitert? Dafür spricht wenig. Beiden Managern – sowohl Peter Löscher bei der OMV als auch Gerhard Roiss beim Verbund – kann man nicht vorhalten, sie seien für ihre Aufgaben zu zartbesaitet. Beide hatten in ihrer aktiven Zeit – Löscher als Chef des weltweit agierenden Siemens-Konzerns, Roiss pikanterweise als Vorstandschef der OMV – ausreichend Gelegenheit, sich im Umgang mit der Politik zu üben. Dass Politiker in Unternehmen mitreden wollen, an denen der Staat beteiligt ist, überrascht nicht. Es ist auch nicht verwerflich, sondern legitim, die Eigentümerrechte wahrzunehmen. Also alles nur ein Sturm im halb vollen Wasserglas?
Eher nicht. Denn es ist ein Unterschied, ob eine Regierung an politischen Schaltstellen ihre Gefolgsleute platziert, denen sie vertraut, oder ob es um Unternehmen geht, an denen nicht allein der Staat, sondern auch private Aktionäre beteiligt sind. Die spitzen die Ohren, wenn die Regierung ankündigt, eine aktivere Rolle spielen zu wollen, weil man aus bitterer Erfahrung politische Einmischung fürchtet. Die kann nicht eben subtil, aber dafür effektiv, am besten erfolgen, indem man das „richtige“Personal auswählt. Aber gerade wenn es darum geht, Positionen in Unternehmen zu besetzen, die noch dazu an der Börse notieren, sollte es oberste Maxime sein, die Besten auszuwählen – und nicht die Willfährigsten.
Im Wahlkampf zog Bundeskanzler Sebastian Kurz unter anderem mit dem Slogan „Zeit für Neues“durch das Land. Und im Vorwort zu ihrem Regierungsprogramm schrieben die Koalitionäre, dass die Wahl am 15. Oktober 2017 gezeigt habe, dass sich die Österreicherinnen und Österreicher nach einer Veränderung sehnten. Kann es sein, dass ÖVP und FPÖ den Wählerauftrag grob missverstanden haben? Die Wähler sehnen sich nach etwas völlig anderem als dem, was wir derzeit beobachten. Sie würden sich eine Politik wünschen, bei der im Vordergrund die Sache und nicht der Schacher mit Posten steht. Stimme aus dem Off: „Bitte, wie naiv kann man sein, wozu macht man schließlich Politik?“Eine wichtige Frage.
Worum geht es in der Politik? Wirklich nur darum, Günstlinge der eigenen Partei oder enge Mitarbeiter zu versorgen? Kann ein Politiker tatsächlich nur Erfolg haben, wenn er der Devise folgt: „Dank an die eigenen Leute abstatten und offene Rechnungen mit Vertretern anderer Gesinnung begleichen“? Es scheint so. Da schaut auch die junge Truppe rund um Bundeskanzler Sebastian Kurz mit einem Mal sehr alt aus. Sie will angeblich alles neu machen, kann sich aber nicht von den alten Reflexen lösen. Noch schlimmer ist es bei den Freiheitlichen, die über Jahrzehnte den rot-schwarzen Postenschacher kritisiert haben.
Damals hatten sie damit sehr oft recht. Heute geht es ihnen nur darum, möglichst viele Rechte in Jobs zu hieven, von denen leider viele fachlich nur bedingt geeignet sind. Die Neuaufstellung des Direktoriums der Oesterreichischen Nationalbank inklusive der peinlichen SMS-Intervention des FPÖ-Obmanns war der Paradefall des Postenschachers, bei dem Blaue früher auf die Barrikaden gegangen wären. Jetzt finden sie nichts mehr dabei und verweisen darauf, dass es „die anderen“genauso gemacht haben.
Wollte man es tatsächlich anders machen, bräuchte es die Größe, in staatlichen Institutionen, erst recht in staatsnahen Unternehmen, auf die fachliche Expertise zu schauen, bevor man reflexartig das Personal wechselt. Genau das passiert nicht.
Mit dem Ergebnis, dass die Farbe Türkis nicht frischer als Schwarz wirkt und beim Blau immer wieder braune Flecken durchschimmern. Durch den Neuanstrich der Fassade ändert sich eben noch nichts an der Bausubstanz. So sieht dann leider auch die Politik aus – viel Farbe, aber kaum neuer Inhalt. Schade.