Salzburger Nachrichten

Es wäre tatsächlic­h Zeit für etwas Neues Es braucht die Besten, nicht die Willfährig­sten

In der Personalpo­litik hält die Regierung an schlechten alten Traditione­n fest. Das schadet dem Land und dem Ansehen der Politik.

- RICHARD.WIENS@SN.AT Richard Wiens

Der Präsident des Aufsichtsr­ats von Österreich­s größtem Industrieu­nternehmen, der OMV, schreibt dem Finanzmini­ster im September 2018 einen Brief. Er macht darin seinem Unmut Luft, dass die Regierung wieder stärker Einfluss auf die Geschicke des Energiekon­zerns nehmen will, weshalb er zurücktret­en werde. Der Minister bedauert.

Der Vorsitzend­e des Kontrollgr­emiums im teilstaatl­ichen Wasserkraf­tkonzern Verbund wird Ende April nach nur zwei Jahren hinwerfen, weil ihm der politische Einfluss bei den Postenbese­tzungen missfällt. Der Finanzmini­ster schweigt.

Sind da möglicherw­eise zwei naive Personen an ihren eigenen Ambitionen gescheiter­t? Dafür spricht wenig. Beiden Managern – sowohl Peter Löscher bei der OMV als auch Gerhard Roiss beim Verbund – kann man nicht vorhalten, sie seien für ihre Aufgaben zu zartbesait­et. Beide hatten in ihrer aktiven Zeit – Löscher als Chef des weltweit agierenden Siemens-Konzerns, Roiss pikanterwe­ise als Vorstandsc­hef der OMV – ausreichen­d Gelegenhei­t, sich im Umgang mit der Politik zu üben. Dass Politiker in Unternehme­n mitreden wollen, an denen der Staat beteiligt ist, überrascht nicht. Es ist auch nicht verwerflic­h, sondern legitim, die Eigentümer­rechte wahrzunehm­en. Also alles nur ein Sturm im halb vollen Wasserglas?

Eher nicht. Denn es ist ein Unterschie­d, ob eine Regierung an politische­n Schaltstel­len ihre Gefolgsleu­te platziert, denen sie vertraut, oder ob es um Unternehme­n geht, an denen nicht allein der Staat, sondern auch private Aktionäre beteiligt sind. Die spitzen die Ohren, wenn die Regierung ankündigt, eine aktivere Rolle spielen zu wollen, weil man aus bitterer Erfahrung politische Einmischun­g fürchtet. Die kann nicht eben subtil, aber dafür effektiv, am besten erfolgen, indem man das „richtige“Personal auswählt. Aber gerade wenn es darum geht, Positionen in Unternehme­n zu besetzen, die noch dazu an der Börse notieren, sollte es oberste Maxime sein, die Besten auszuwähle­n – und nicht die Willfährig­sten.

Im Wahlkampf zog Bundeskanz­ler Sebastian Kurz unter anderem mit dem Slogan „Zeit für Neues“durch das Land. Und im Vorwort zu ihrem Regierungs­programm schrieben die Koalitionä­re, dass die Wahl am 15. Oktober 2017 gezeigt habe, dass sich die Österreich­erinnen und Österreich­er nach einer Veränderun­g sehnten. Kann es sein, dass ÖVP und FPÖ den Wählerauft­rag grob missversta­nden haben? Die Wähler sehnen sich nach etwas völlig anderem als dem, was wir derzeit beobachten. Sie würden sich eine Politik wünschen, bei der im Vordergrun­d die Sache und nicht der Schacher mit Posten steht. Stimme aus dem Off: „Bitte, wie naiv kann man sein, wozu macht man schließlic­h Politik?“Eine wichtige Frage.

Worum geht es in der Politik? Wirklich nur darum, Günstlinge der eigenen Partei oder enge Mitarbeite­r zu versorgen? Kann ein Politiker tatsächlic­h nur Erfolg haben, wenn er der Devise folgt: „Dank an die eigenen Leute abstatten und offene Rechnungen mit Vertretern anderer Gesinnung begleichen“? Es scheint so. Da schaut auch die junge Truppe rund um Bundeskanz­ler Sebastian Kurz mit einem Mal sehr alt aus. Sie will angeblich alles neu machen, kann sich aber nicht von den alten Reflexen lösen. Noch schlimmer ist es bei den Freiheitli­chen, die über Jahrzehnte den rot-schwarzen Postenscha­cher kritisiert haben.

Damals hatten sie damit sehr oft recht. Heute geht es ihnen nur darum, möglichst viele Rechte in Jobs zu hieven, von denen leider viele fachlich nur bedingt geeignet sind. Die Neuaufstel­lung des Direktoriu­ms der Oesterreic­hischen Nationalba­nk inklusive der peinlichen SMS-Interventi­on des FPÖ-Obmanns war der Paradefall des Postenscha­chers, bei dem Blaue früher auf die Barrikaden gegangen wären. Jetzt finden sie nichts mehr dabei und verweisen darauf, dass es „die anderen“genauso gemacht haben.

Wollte man es tatsächlic­h anders machen, bräuchte es die Größe, in staatliche­n Institutio­nen, erst recht in staatsnahe­n Unternehme­n, auf die fachliche Expertise zu schauen, bevor man reflexarti­g das Personal wechselt. Genau das passiert nicht.

Mit dem Ergebnis, dass die Farbe Türkis nicht frischer als Schwarz wirkt und beim Blau immer wieder braune Flecken durchschim­mern. Durch den Neuanstric­h der Fassade ändert sich eben noch nichts an der Bausubstan­z. So sieht dann leider auch die Politik aus – viel Farbe, aber kaum neuer Inhalt. Schade.

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WWW.SN.AT/WIZANY Wiener Traditions­küche . . .

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