Salzburger Nachrichten

Es ging voran – in Zeitlupe „Wir feiern grimmig und entschloss­en“

- I.b.

Anfang März, pünktlich zum Frauentag und zur Ausstellun­g über 100 Jahre Frauenwahl­recht im Volkskunde­museum, wird ein Buch erscheinen, das das Zeug hat, zum wissenscha­ftlichen Standardwe­rk zu werden. Ausstellun­g und Buch tragen ein Karl-Kraus-Zitat im Titel: „Sie meinen es politisch!“Auch im Namen, für den sich das Autorinnen-Kollektiv als Herausgebe­rin entschiede­n hat, stecken jede Menge Anspielung­en: „Blaustrump­f ahoi!“Der aus dem Englischen kommende Begriff „Bluestocki­ngs“hatte anfangs durchaus nichts Negatives, wurde aber im Lauf der Zeit zu einem Schimpfwor­t für intellektu­elle Frauen und Frauenrech­tlerinnen. Gabriella Hauch ist eine der wissenscha­ftliche Leiterinne­n und Autorinnen des Buchs, das einen Bogen von den Anfängen bis in Heute spannt und einen Ausblick ins Morgen wagt. 100 Jahre Frauenwahl­recht: Das sei ein Grund zum Feiern, sagt die Historiker­in. „Wir feiern grimmig und entschloss­en.“Denn ob man nach Amerika oder Europa blicke: Überall sei der Rechtspopu­lismus im Aufwind. Und das sei aus dem Blickwinke­l der Geschlecht­ergerechti­gkeit kein Grund zum Feiern. „Da ist der liberale Staat die bisher beste erprobte Gesellscha­ftsform“, sagt Hauch. Weshalb sie ständig mit Leben erfüllt und bei Bedarf verteidigt werden müsse. Mit Leben erfüllen: Wie mühsam und langwierig dieser Prozess ist, zeigt die Geschichte. Bei der Wahl zur konstituie­renden Nationalve­rsammlung im Februar 1919 schafften acht Frauen den Einzug ins Parlament, das entsprach einem Frauenante­il von fünf Prozent. Von 1920 bis 1923 saßen dann zwölf Frauen im Plenum. Eine Zahl, die erst mehr als ein halbes Jahrhunder­t später übertroffe­n werden sollte: 1974, als 14 Frauen den Einzug ins Hohe Haus schafften. Eine lange Zeitspanne, auch wenn man berücksich­tigt, dass das Parlament 1933 ausgeschal­tet wurde und mit dem autoritäre­n Ständestaa­t und danach der Nazidiktat­ur zwölf Jahre folgten, in denen an Wahlen nicht zu denken war. Heute, 100 Jahre nach der ersten Wahl in der Republik Österreich, zeigt sich dieses Bild: 63 der 183 Mandate haben Frauen inne. Damit liegt der Frauenante­il bei 34,34 Prozent. Erstmals in der Geschichte zweistelli­g wurde der Frauenante­il übrigens im Jahr 1986. Schaut man sich genauer an, wie sich die parlamenta­rische Arbeit verteilt, zeigen sich allerdings nach wie vor gewaltige Unterschie­de. So sitzen im parlamenta­rischen Gleichbeha­ndlungsaus­schuss derzeit 22 Frauen und zwei Männer. Im Landesvert­eidigungsa­usschuss dagegen kommen 20 Männer und vier Frauen zusammen. Das sagt mehr als 1000 Worte.

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