EU muss weltpolitikfähig sein
Beim Expertentreffen der Münchner Sicherheitskonferenz steht zum Auftakt die Frage im Zentrum, wie sich Europa angesichts der neuen Konkurrenz großer Mächte behaupten kann.
Weckruf an Europa und das eigene Land: Die „Wiederkehr der Konkurrenz großer Mächte“– USA, China, Russland – sei auch für Deutschland eine Herausforderung, sagte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen am Freitag zum Auftakt der Münchner Sicherheitskonferenz. „Ob wir wollen oder nicht, Deutschland und Europa sind Teil dieses Konkurrenzkampfs. Wir sind nicht neutral.“Ihr Rezept: Ein schneller Ausbau der militärischen Zusammenarbeit in Europa, der auch eine Stärkung der NATO bedeute.
Stichwort Rüstungsexporte: Deutschland ist hier – wenn auch oft aus gutem Grund – restriktiver als die europäischen Partner. Das steht gemeinsamen Projekten im Weg. „Wir Deutsche sollten nicht so tun, als seien wir moralischer als die Franzosen oder menschenrechtspolitisch weitsichtiger als Großbritannien“, sagte von der Leyen. „Wir müssen die politische Kraft aufbringen für eine gemeinsame Linie, einen europäischen Standpunkt, der unsere Sicherheitsinteressen und unsere humanitären Prinzipien verbindet.“
Ein Pflock wurde offensichtlich eingeschlagen. Deutschland habe Frankreich in einem Geheimabkommen bei gemeinsamen Rüstungsprojekten weitgehende Freiheiten für den Verkauf an Drittländer zugestanden, sofern nicht Sicherheitsinteressen berührt seien, berichtete das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“am Freitag. Es gehe vor allem um Gemeinschaftsprojekte wie den geplanten Kampfpanzer oder das neue Kampfflugzeug, die wichtige Bausteine der europäischen Verteidigungszusammenarbeit seien.
Verteidigungsministerin von der Leyen sagt den Partnern zu, dass Deutschland seine militärischen Fähigkeiten weiter ausbauen werde. Der Druck aus den USA ist groß, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für das Militär auszugeben. Kritiker halten es für unsinnig, die Verteidigungsausgaben derart automatisch an die Wirtschaftsentwicklung zu koppeln. Der britische Verteidigungsminister Gavin Williamson attackierte zum Auftakt der Münchner Sicherheitskonferenz Russland scharf und würdigte zugleich die NATO als Sicherheitsgarant. „Die NATO ist heute wichtiger als je zuvor, denn ein alter Gegner ist zurück“, sagte Williamson. „Russland bleibt wei- terhin eine Bedrohung unserer Sicherheit.“Williamson verwies etwa auf die völkerrechtswidrige Annexion der Krim, die Unterstützung der Aufständischen in der Ostukraine, Wahlmanipulationsvorwürfe der US-Geheimdienste gegen Moskau sowie Cyberattacken.
Wolfgang Ischinger, der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, hatte das international größte Expertentreffen zur Außen- und Sicherheitspolitik in einem Kapuzenpulli im Design der blauen EU-Flagge mit ihrem Kreis gelber Sterne eröffnet. Er plädierte für Geduld und Diplomatie zur Beilegung internationaler Konflikte, fügte aber hinzu, dass auch Handlungsfähigkeit nötig sei. Die Europäische Union müsse „weltpolitikfähig“werden.