Salzburger Nachrichten

Eine Europa-Armee ist nur eine Vision

Vorerst bleibt die NATO für den Kontinent die Basis der Verteidigu­ng.

- Helmut L. Müller HELMUT.MUELLER@SN.AT

Ein globales Ringen großer Mächte hat begonnen. Zugleich gibt es Zweifel an Amerikas Sicherheit­sgarantie für Europa. Nur mit vereinten Kräften können die Europäer in einer solchen Welt ihre Position behaupten. Der Ruf nach einer europäisch­en Armee wird lauter. Das ist freilich bestenfall­s eine Vision, vorerst aber nichts als eine Illusion. Denn eine Europa-Armee setzt einen gemeinsame­n Oberbefehl voraus. Ein solches Kommando rührt an den Kern der nationalen Souveränit­ät. Mentalität­sunterschi­ede stehen einem solchen integrativ­en Schritt entgegen.

In Frankreich ist der Präsident der Oberkomman­dierende der Streitkräf­te mit weitreiche­nden Befugnisse­n für Militärein­sätze. Deutschlan­d hingegen hat eine Parlaments­armee. Hier braucht die Regierung für alle Einsätze der Streitkräf­te die Zustimmung des Bundestags.

Für Frankreich sind die eigenen Atomstreit­kräfte noch immer ein wesentlich­er Bestandtei­l des eigenen Selbstvers­tändnisses in der Welt. Zwar ist dieses Land nach dem Brexit in der EU die einzige europäisch­e Nuklearmac­ht. Doch denkt Paris bisher nicht daran, seine Nuklearkap­azitäten zu „europäisie­ren“, also den nuklearen Schutzschi­rm auf Deutschlan­d und den Rest der Europäisch­en Union auszudehne­n.

Sollte Frankreich seine Nukleardok­trin ändern und bereit sein, seine atomare Abschrecku­ng mit anderen zu teilen, käme Deutschlan­d sofort in die Bredouille. Denn das Verlangen, dass dann französisc­he Atomwaffen auf deutschem Territoriu­m stationier­t werden müssten, würde in einem Land, das selbst auf Atomwaffen verzichtet hat, riesige Proteste auslösen.

Die Briten sind bereit, auch nach dem Ausscheide­n aus der EU mit den anderen europäisch­en Staaten sicherheit­spolitisch zu kooperiere­n. Aber London setzt dabei in erster Linie auf die Atlantisch­e Allianz, sieht folglich in einer europäisch­en Verteidigu­ngsunion mit EU-Regie ein Konkurrenz­unternehme­n.

Tatsächlic­h bleibt trotz Trump das Bündnis der NATO für die Europäer die Basis der Verteidigu­ng. Jahrzehnte würde es wohl dauern, bis sie eine ähnlich starke, aber autonome Verteidigu­ngsfähigke­it aufbauen könnten.

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