Eine Europa-Armee ist nur eine Vision
Vorerst bleibt die NATO für den Kontinent die Basis der Verteidigung.
Ein globales Ringen großer Mächte hat begonnen. Zugleich gibt es Zweifel an Amerikas Sicherheitsgarantie für Europa. Nur mit vereinten Kräften können die Europäer in einer solchen Welt ihre Position behaupten. Der Ruf nach einer europäischen Armee wird lauter. Das ist freilich bestenfalls eine Vision, vorerst aber nichts als eine Illusion. Denn eine Europa-Armee setzt einen gemeinsamen Oberbefehl voraus. Ein solches Kommando rührt an den Kern der nationalen Souveränität. Mentalitätsunterschiede stehen einem solchen integrativen Schritt entgegen.
In Frankreich ist der Präsident der Oberkommandierende der Streitkräfte mit weitreichenden Befugnissen für Militäreinsätze. Deutschland hingegen hat eine Parlamentsarmee. Hier braucht die Regierung für alle Einsätze der Streitkräfte die Zustimmung des Bundestags.
Für Frankreich sind die eigenen Atomstreitkräfte noch immer ein wesentlicher Bestandteil des eigenen Selbstverständnisses in der Welt. Zwar ist dieses Land nach dem Brexit in der EU die einzige europäische Nuklearmacht. Doch denkt Paris bisher nicht daran, seine Nuklearkapazitäten zu „europäisieren“, also den nuklearen Schutzschirm auf Deutschland und den Rest der Europäischen Union auszudehnen.
Sollte Frankreich seine Nukleardoktrin ändern und bereit sein, seine atomare Abschreckung mit anderen zu teilen, käme Deutschland sofort in die Bredouille. Denn das Verlangen, dass dann französische Atomwaffen auf deutschem Territorium stationiert werden müssten, würde in einem Land, das selbst auf Atomwaffen verzichtet hat, riesige Proteste auslösen.
Die Briten sind bereit, auch nach dem Ausscheiden aus der EU mit den anderen europäischen Staaten sicherheitspolitisch zu kooperieren. Aber London setzt dabei in erster Linie auf die Atlantische Allianz, sieht folglich in einer europäischen Verteidigungsunion mit EU-Regie ein Konkurrenzunternehmen.
Tatsächlich bleibt trotz Trump das Bündnis der NATO für die Europäer die Basis der Verteidigung. Jahrzehnte würde es wohl dauern, bis sie eine ähnlich starke, aber autonome Verteidigungsfähigkeit aufbauen könnten.