Gefährliche Liebschaften: Wie digitale Giganten Medien umgarnen
Während Facebook sich dem Lokaljournalismus anbiedert, will Google nicht für Nachrichten von Medien in seinen News zahlen.
Facebook will innerhalb von drei Jahren 300 Millionen Dollar in Lokaljournalismus investieren. Das ist auch in der Medienbranche viel Geld. Die Summe entspricht etwa dem Jahresumsatz der Verlagsgruppe von Europas größtem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“(269 Millionen Euro). Facebook folgt damit der bereits 2018 gestarteten, gleich hoch dotierten Google-News-Initiative.
Diese Charme-Offensiven der digitalen Giganten gegenüber ihren wichtigsten Inhaltslieferanten sind letztlich jedoch lediglich Marketinggags. Denn sie entsprechen nicht annähernd einem fairen Bruchteil dessen, was die Social-Media-, Instant-Messaging-, Videoportalund Suchmaschinen-Monopolisten sich aus dem Journalismus holen. Allein der jüngste Quartalsgewinn von Facebook betrug 6,9 Milliarden Dollar. Das ist 23 Mal so viel wie seine angekündigte Förderung für Lokaljournalismus. Bei gleichbleibendem Reinerlös steckt das Unternehmen in drei Jahren also nur 0,36 Prozent seines Profits in jenen Sektor, über den es schreibt: „Unser Auftrag ist, mit der Nachrichtenbranche zusammenzuarbeiten, um Schützenhilfe für eine besser informierte Gemeinschaft zu leisten.“
Ähnlich salbungsvoll hatte schon Google seine Initiative begründet, dessen Mutterkonzern Alphabet im letzten Vierteljahr 2018 neun Milliarden Dollar Gewinn schrieb. Doch die Liebe des Konzerns zu Medien, Nachrichten und Journalismus endet schlagartig, wenn es für die Nutzung deren geistigen Eigentums zur Kasse gebeten wird. Die Einigung der EU, dass Verlage Geld von Suchmaschinen bekommen sollen, die ihre Artikel anzeigen, stößt auf die Drohung von Google, dann den News-Dienst einzustellen. In den USA landen aber schon neun von zehn Werbedollars bei ihm und Facebook, in Deutschland sind es bereits 55 Prozent des Onlinewerbeumsatzes.
Daneben gerät das klassische Mediengeschäft mit dem von ihm getragenen Journalismus unter enormen Druck. Am besten funktioniert es noch regional. Aber schon 2015 hat Pew Research erkannt, dass Facebook in den USA das Lokalfernsehen als dominierende Nachrichtenquelle ablöst. 2018 änderte der Social-Media-Riese dann seinen Algorithmus zugunsten von Meldungen aus der unmittelbaren Nähe des Nutzers. Die dort ansässigen Medien genießen immer noch die größte Glaubwürdigkeit. Deshalb klopft Facebook beim Lokaljournalismus an. Es könnte die Tür dahin auch eintreten. Doch dann verlöre der Koloss noch mehr von jenem Vertrauen, das er genau dort absaugen will. Wer das Liebeswerben von Facebook ohne klaren Ehevertrag erhört, lässt den Feind in sein Bett.