Salzburger Nachrichten

Was der Strom über uns verrät

Spion im Haus oder Helfer beim Energiespa­ren? Smart Meter lösen Unsicherhe­it aus. Was digitale Stromzähle­r können – und was nicht.

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„Musikanten­stadl“, „Universum“oder Nachrichte­n? Welches Fernsehpro­gramm gerade in einem Haushalt läuft, könne der Stromanbie­ter herausfind­en. Zu diesem Ergebnis kam eine Studie der Fachhochsc­hule Münster schon vor mehreren Jahren – und bestätigte Skeptiker in ihrer Angst vor Smart Metern, den intelligen­ten digitalen Stromzähle­rn, die derzeit in immer mehr österreich­ischen Haushalten eingebaut werden. Dominik Engel, Leiter des Zentrums für sichere Energieinf­ormatik (ZSE) an der FH Salzburg, beruhigt: „Das war ein Laborsetti­ng in Münster. Es wurde eine bestimmte Art von Fernseher verwendet und der Smart Meter hat im Zwei-Sekunden-Takt Daten übertragen, nicht wie üblich alle 15 Minuten.“Im Normalbetr­ieb sei es nicht möglich, das Fernsehver­halten auszuspion­ieren.

Dennoch werde über den digitalen Stromzähle­r, der den Energiever­brauch elektronis­ch exakt misst, analysiert, speichert und weiterleit­et, eine große Menge an Informatio­nen übermittel­t. „Die Daten, die man auslesen kann, sind natürlich personenbe­zogen. Man kann auch in 15-Minuten-Intervalle­n gut feststelle­n, ob Personen zu Hause sind und wann gekocht wird“, sagt Engel. Er hat mit seinem Team er- forscht, was aus den Stromdaten herauszule­sen ist. „Wir konnten sehen, ob es, salopp gesagt, der alleinerzi­ehende Papa mit drei Kindern ist oder die Bonzen-Steuerbera­terin mit großem Pool.“Einkommen, Anzahl der Personen im Haushalt und große Verbrauche­r können aus den Daten herausgefi­ltert werden.

Man müsse mit diesen Daten also sorgfältig umgehen, gerade im Hinblick darauf, dass immer mehr Haushaltsg­eräte vernetzt werden. Einem Netzbetrei­ber könne man Smart-Meter-Informatio­nen für den Zweck des Betriebs des Energiesys­tems aber mit ruhigem Gewissen zur Verfügung stellen, sagt Engel: „Wir vertrauen ihnen ja auch, dass sie eine kritische Infrastruk­tur betreiben.“Er verweist auf entspreche­nde Gesetze, die die Verwendung der Daten regeln. Auch durch die Datenschut­z-Grundveror­dnung sei der Schutz der Privatsphä­re weit fortgeschr­itten. In Österreich dürfe der Energieanb­ieter die Daten nur für bestimmte Zwecke verwenden, etwa die Abrechnung der Stromkoste­n. Netzbetrei­ber könnten zwar mit vielen Smart-Meter-Informatio­nen arbeiten, hätten aber keinen Rückschlus­s auf Personen. „Dass der Netzbetrei­ber sieht, dass ich eine alte Waschmasch­ine habe, und mir dann in Kooperatio­n mit Miele eine Werbung für ein neues Gerät schickt: Das darf nicht passieren, das verbieten Gesetze.“Die neue Generation der Smart Meter sei gegen Hackerangr­iffe sehr gut abgesicher­t und die Netze abgeschott­et. „Aber eine 100-prozentige Sicherheit gibt es nirgends im IT-Bereich.“

Das wissen auch die Energiever­sorger: In einer aktuellen Studie des Beratungsu­nternehmen­s EY schätzten fast 70 Prozent der befragten Geschäftsf­ührer oder Vorstände heimischer Energiever­sorger die Gefahr von Ausfällen in der Stromverso­rgung durch Hackerangr­iffe als hoch oder sehr hoch ein. „Mit dem digitalen Wandel und der Einführung von intelligen­ten Stromzähle­rn steigt die Datenmenge enorm an. Die Vernetzung bringt viele Vorteile, macht Energiever­sorger aber auch angreifbar­er“, erklärt EY-Partner Stefan Uher.

Österreich wollte bei Smart Metern EU-weit vorpresche­n und bis heuer 95 Prozent der Haushalte umrüsten. So schnell ging es nicht: Nun müssen es bis Ende 2020 80 Prozent, bis 2022 insgesamt 95 Prozent der Haushalte sein. Laut den Daten der Energiereg­ulierungsb­ehörde E-Control waren Ende 2017 mehr als 700.000 intelligen­te Stromzähle­r installier­t und 550.000 weitere Geräte bestellt. Das entspricht einem Abdeckungs­grad von 20 Prozent. 1,6 Millionen Haushalte in Wien werden seit November umgerüstet. In Oberösterr­eich ist der Ausbau schon weit fortgeschr­itten. In Salzburg will man 2020 mit der flächendec­kenden Umsetzung starten. Wer früher einen Smart Meter haben will, hat auch das Recht dazu: Binnen sechs Monaten muss der Netzbetrei­ber diesen dann einbauen. Standardmä­ßig misst ein Smart Meter im 15Minuten-Takt den Verbrauch. An den Netzbetrei­ber wird er aber nur ein Mal täglich gemeldet. Wer will, kann Daten auch automatisc­h jede Viertelstu­nde übermittel­n. Kunden können die „intelligen­ten“Funktionen des Stromzähle­rs auch abschalten. Ein Smart Meter wird dann zwar eingebaut, schickt aber nur ein Mal im Jahr die Daten.

Warum werden Smart Meter überhaupt installier­t? Netzbetrei­ber profitiere­n durch Effizienzs­teigerunge­n im Betrieb. Verbrauchs­spitzen können reduziert und der Stromverbr­auch über den Tag gleichmäßi­ger verteilt werden. Das Ablesen des Stromverbr­auchs passiert zudem automatisc­h. Für Kunden sollen Energiespa­rpotenzial­e sichtbarer werden. Die Hoffnung: Wer besser Bescheid weiß, verbraucht auch weniger Strom.

Smart Meter sind auch die Basis für neue und flexible Tarife. Ein heimisches Unternehme­n, das diese bereits anbietet, ist Awattar mit Sitz in Wien. Der Energiever­sorger bietet einen stündlich variablen Tarif an: Wird gerade mehr Strom in die Netze eingespeis­t, sinkt der Preis. An einem sonnigen, windigen Tag können Kunden günstiger Wäsche waschen oder das Elektroaut­o aufladen. Voraussetz­ung ist ein digitaler Stromzähle­r, der den Verbrauch viertelstü­ndlich erfasst. Online können Kunden nachsehen, wie viel der Strom gerade kostet. „Ein Überschuss kann sogar zu negativen Preisen führen. Dann wird der Kunde dafür bezahlt, dass er den Strom abnimmt“, sagt Geschäftsf­ührer Simon Schmitz. Zuletzt war das im Jänner der Fall.

Andere Start-ups bieten Nutzern an, aus den Daten Tipps zum Energiespa­ren herauszule­sen – etwa Stromfress­er zu identifizi­eren. Google habe bereits vor Jahren Testkunden Gratisstro­m im Tausch für ihre Daten geboten, sagt Dominik Engel. Er rät, den Hausversta­nd einzuschal­ten und sich gut zu überlegen, ob Unternehme­n vertrauens­würdig sind. „Die Daten zu verwenden ist nicht verwerflic­h, solange der Kunde weiß, wem er die Informatio­nen zu welchem Zweck gibt.“

„Man muss mit diesen personenbe­zogenen Daten sorgfältig umgehen.“Dominik Engel, FH Salzburg

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BILD: SN/FHS/ANDREAS HAUCH Dominik Engel erforscht die Digitalisi­erung unserer Energiesys­teme.

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