Wenn sich Größe nicht als Stärke, sondern als Nachteil erweist
A380 auf dem Boden, Züge von Siemens und Alstom entgleist, Amazon aus der Stadt gejagt – wer Großes vorhat, hat es nicht leicht.
Der deutsch-französische Luftfahrtkonzern Airbus stellt die Produktion des weltgrößten Passagierflugzeugs A380 ein. Der Onlinehandelsriese Amazon begräbt seine Pläne, in der Boomtown New York eine weitere US-Zentrale zu errichten. Und die EU-Kommission erteilt einer Fusion der Zugsparten des deutschen Siemens-Konzerns mit der französischen Alstom eine Absage. Wir leben in Zeiten, in denen hochfliegende Ambitionen ziemlich unsanft auf den Boden der Tatsachen geholt werden.
Als der Airbus A380 2005 aus der Taufe gehoben wurde, priesen ihn Europas Politiker als gelungenes Beispiel für eine transeuropäische Innovation. Schon damals gab es freilich Zweifel, ob genug Flughäfen existierten, die der Super-Jumbo ansteuern könne. Nach und nach wurde die schiere Größe des A380 sein größter Nachteil. Weil sich das Fluggeschäft veränderte und Kunden lieber mit kleineren Maschinen, aber dafür Punkt-zu-Punkt fliegen. Und weil er zu viel Sprit verbraucht, was nicht nur teuer, sondern auch umweltschädlich ist.
Abgesehen vom A380-Flop stand das Modell Airbus aber Pate für die dieser Tage geplatzte Vision, auf der Schiene einen vergleichbaren europäischen Champion zu bilden. Dass Wettbewerbskommissarin Margarethe Vestager den Deal zwischen Siemens und Alstom untersagte, brachte ihr die Kritik ein, sie unterlaufe die Strategie, dass sich Europa stark und geschlossen gegen China stellen müsse. Französische und deutsche Politiker rufen schon nach einem Weg, EU-Kartellentscheide zu kippen. Das Prinzip des Schutzes der Konsumenten vor zu viel Marktmacht aufzugeben wäre aber der größere Schaden als einen harten Wettbewerb mit chinesischen Rivalen auszufechten. Nebenbei: Dass Vestager sich nicht auf einen Kompromiss einließ, um ihre Chance, Präsidentin der EU-Kommission zu werden, nicht zu gefährden, qualifiziert sie für diesen Job. Europas Staats- und Regierungschefs werden sie aber eben genau deshalb nicht in Betracht ziehen.
Von Europa machen wir einen Sprung über den Atlantik, wo ein anderer Marktdominator eine Niederlage einstecken musste. Der weltgrößte Onlinehändler Amazon baut nun doch kein zweites Hauptquartier in New York. Die Aussicht auf Investitionen von 2,5 Mrd. Dollar und 25.000 Jobs reichte nicht nur nicht aus, um die lokale Bevölkerung zu überzeugen – im Gegenteil. Die Vorstellung, dass sich der Internetgigant in Long Island niederlässt, nährte die Angst vor einem Anstieg der ohnehin schon astronomisch hohen Hauspreise sowie einem Zusammenbruch des öffentlichen Verkehrs.
Man sieht: Wer heutzutage große Projekte umsetzen möchte, kann nicht darauf setzen, dass Größe allein als Argument dafür reicht. Politik und Zivilgesellschaft sind erwacht.