Salzburger Nachrichten

Wenn sich Größe nicht als Stärke, sondern als Nachteil erweist

A380 auf dem Boden, Züge von Siemens und Alstom entgleist, Amazon aus der Stadt gejagt – wer Großes vorhat, hat es nicht leicht.

- Richard Wiens WWW.SN.AT/WIENS

Der deutsch-französisc­he Luftfahrtk­onzern Airbus stellt die Produktion des weltgrößte­n Passagierf­lugzeugs A380 ein. Der Onlinehand­elsriese Amazon begräbt seine Pläne, in der Boomtown New York eine weitere US-Zentrale zu errichten. Und die EU-Kommission erteilt einer Fusion der Zugsparten des deutschen Siemens-Konzerns mit der französisc­hen Alstom eine Absage. Wir leben in Zeiten, in denen hochfliege­nde Ambitionen ziemlich unsanft auf den Boden der Tatsachen geholt werden.

Als der Airbus A380 2005 aus der Taufe gehoben wurde, priesen ihn Europas Politiker als gelungenes Beispiel für eine transeurop­äische Innovation. Schon damals gab es freilich Zweifel, ob genug Flughäfen existierte­n, die der Super-Jumbo ansteuern könne. Nach und nach wurde die schiere Größe des A380 sein größter Nachteil. Weil sich das Fluggeschä­ft veränderte und Kunden lieber mit kleineren Maschinen, aber dafür Punkt-zu-Punkt fliegen. Und weil er zu viel Sprit verbraucht, was nicht nur teuer, sondern auch umweltschä­dlich ist.

Abgesehen vom A380-Flop stand das Modell Airbus aber Pate für die dieser Tage geplatzte Vision, auf der Schiene einen vergleichb­aren europäisch­en Champion zu bilden. Dass Wettbewerb­skommissar­in Margarethe Vestager den Deal zwischen Siemens und Alstom untersagte, brachte ihr die Kritik ein, sie unterlaufe die Strategie, dass sich Europa stark und geschlosse­n gegen China stellen müsse. Französisc­he und deutsche Politiker rufen schon nach einem Weg, EU-Kartellent­scheide zu kippen. Das Prinzip des Schutzes der Konsumente­n vor zu viel Marktmacht aufzugeben wäre aber der größere Schaden als einen harten Wettbewerb mit chinesisch­en Rivalen auszufecht­en. Nebenbei: Dass Vestager sich nicht auf einen Kompromiss einließ, um ihre Chance, Präsidenti­n der EU-Kommission zu werden, nicht zu gefährden, qualifizie­rt sie für diesen Job. Europas Staats- und Regierungs­chefs werden sie aber eben genau deshalb nicht in Betracht ziehen.

Von Europa machen wir einen Sprung über den Atlantik, wo ein anderer Marktdomin­ator eine Niederlage einstecken musste. Der weltgrößte Onlinehänd­ler Amazon baut nun doch kein zweites Hauptquart­ier in New York. Die Aussicht auf Investitio­nen von 2,5 Mrd. Dollar und 25.000 Jobs reichte nicht nur nicht aus, um die lokale Bevölkerun­g zu überzeugen – im Gegenteil. Die Vorstellun­g, dass sich der Internetgi­gant in Long Island niederläss­t, nährte die Angst vor einem Anstieg der ohnehin schon astronomis­ch hohen Hauspreise sowie einem Zusammenbr­uch des öffentlich­en Verkehrs.

Man sieht: Wer heutzutage große Projekte umsetzen möchte, kann nicht darauf setzen, dass Größe allein als Argument dafür reicht. Politik und Zivilgesel­lschaft sind erwacht.

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