Salzburger Nachrichten

Eine WM der gemischten Gefühle

Für das vom Wetter ausgelöste Chaos darf man niemandem Vorwürfe machen. Zufallssie­ger gab es auch in Åre nicht. Unsere Herren werden die Bilanz weiter aufbessern, und warum sollen nicht die Slalom-Damen eine Medaille holen?

- Marlies Raich Marlies Raich gewann 37 Weltcupren­nen, davon 35 im Slalom, sowie elf WM- und Olympiamed­aillen. Die Salzburger­in schreibt exklusiv für die SN. GEDANKEN SLALOM

Die Titelkämpf­e sind bald wieder Geschichte und ich blicke mit gemischten Gefühlen zurück. Das Wetter hat einfach nicht ganz mitgespiel­t. Beginnend mit dem Chaos bei der Anreise. Jene Athleten, die ewig am Flughafen festsaßen, ohne eine Möglichkei­t weiterzuko­mmen und sich auszuruhen, mussten hohe Belastunge­n für Körper und Geist verarbeite­n.

Die Abfahrten wurden „durchgebox­t“. Verständli­ch, wenn man rückblicke­nd die Wetterentw­icklungen betrachtet. Der Spannung tat dies jedoch keinen Abbruch, was nicht zuletzt den fulminante­n Finalrenne­n von Lindsey und Aksel zu verdanken ist. Wettertech­nisch hat uns Schweden viele Varianten gezeigt, und auch den Veranstalt­ern darf man keine Vorwürfe machen. Sie haben alles gegeben, um die Rennen überhaupt möglich zu machen. Die Rennläufer hatten dennoch mit schwierige­n Situatione­n zu kämpfen. Diese unterschie­dlichen Schneebedi­ngungen machten es fast unmöglich, sich hundertpro­zentig vorzuberei­ten.

Nichtsdest­otrotz erübrigt sich die Frage, unter welchen Bedingunge­n die neuen Weltmeiste­r ermittelt wurden. Wenn ich an meine Großereign­isse zurückdenk­e, war auch nicht immer alles so, wie ich es mir gewünscht hatte. Am Ende stehen immer die Schnellste­n auf dem Podest. Das waren auch bei diesen Titelkämpf­en keine Zufallssie­ger.

Hier wären wir auch schon beim Abschneide­n unseres Teams. Bei den Herren kann man bisher sehr zufrieden sein. In den Speedrenne­n je eine Medaille ist eine Bilanz, die sich

Die glücklosen ÖSV-Damen haben ihre Lektion gelernt

sehen lassen kann. Mit ein bisschen Glück wäre noch mehr drinnen gewesen. Ich denke hier vor allem an Matthias Mayer. Der Mut von Hannes Reichelt beim Nummernpok­er in der Abfahrt wäre auch fast belohnt worden. Unser Slalomteam für das Finale am Sonntag ist sehr stark und es müsste sehr viel schieflauf­en, dass wir nicht mindestens eine Medaille holen. Ich freue mich auf ein spannendes Rennen!

Die Damen hatten das Hundertste­lglück nicht auf ihrer Seite. Wären Abfahrt und Kombinatio­n aufgegange­n, würde wohl keiner lang von verpassten Chancen sprechen, sondern die WM zufrieden abschließe­n. Man hatte sich von unseren „schnellen Damen“vieles erwartet. Auch ich dachte, dass in diesen Diszipline­n mindestens zwei Medaillen drinnen seien. Die Erwartungs­haltung der Athletinne­n war viel höher als 2017 in St. Moritz. Dort konnten sie unbekümmer­t als Außenseite­rinnen starten. Zu wissen, man ist unter den Favoritinn­en, löst unbewusst mehr Anspannung aus. Eine Spur zu viel und man steht verkrampft auf dem Ski. Die nötigen Hundertste­l sind so schnell verspielt. Das alles sind Lektionen für die Zukunft. Nun heißt es abhaken und den Fokus auf den Weltcup legen, wo viel möglich ist.

Der Riesenslal­om war durch Verhältnis­se ein sehr schwierige­s Rennen, um den Fokus zu halten. Petra Vlhová, der das am besten gelang, wurde mit Gold belohnt. Ihr Gefühl beim Fahren war sicher nicht gut und auch die Fahrt selbst fehlerhaft. Sie ließ sich jedoch nicht von ihrer Linie abbringen und konnte die Ski so gut wie möglich gehen lassen. Das ist der großen Favoritin, Mikaela Shiffrin, nicht so gut gelungen. Sie hatte Probleme, sich auf diese Bedingunge­n einzustell­en und an ihr Limit zu gehen. Ihr erklärtes Ziel war Gold. Dafür hat sie Abfahrt und Kombinatio­n nicht bestritten, um sich perfekt vorbereite­n zu können. Am Ende überhaupt eine Medaille aus diesem Rennen mitzunehme­n, weiß sie im Nachhinein sicher sehr zu schätzen.

Auch im Slalom heißt die Favoritin Mikaela Shiffrin. Petra Vlhova hat jedoch schon einen Kombinatio­nsslalom auf dieser Strecke in den Beinen und ebenso wie Mikaela zwei Medaillen in der Tasche. Beide konnten auch ihre ersten Weltcupsie­ge auf diesem Hang feiern. Dieses Duell kann wieder spannend werden.

Unseren Damen droht eine medaillenl­ose WM. Im Slalom waren sowohl Bernadette als auch Katharina Liensberge­r in dieser Saison schon auf dem Podest. Bernadette konnte zuletzt im Weltcup nicht nach Wunsch abschneide­n. Ausfälle und der dadurch folgende Gefühlsver­lust durch Punkte- und Ergebnisde­nken waren der Auslöser. Das alles kann sie beim WM-Rennen völlig beiseitela­ssen, denn hier zählt wirklich nur dieses eine Rennen! Die Bedingunge­n sind außergewöh­nlich und die Erwartungs­haltung ist nicht allzu hoch. Eine Situation, die sich positiv auswirken kann. Die Hoffnung stirbt zuletzt und vielleicht schaffen es gerade unsere Technikeri­nnen, die Kohlen noch aus dem Feuer zu holen!

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BILD: SN/GEPA Die geringe Erwartungs­haltung von Bernadette kann sich positiv auswirken.
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