Kleopatras Friseuse und der Denkpanzer
Der letzte Schrei in der Politik sind Think-Tanks. Sebastian Kurz hat einen. Heinz-Christian Strache hat seit dieser Woche einen. Und Pamela Rendi-Wagner (falls sie noch SPÖ-Chefin sein sollte) hat sicherlich auch einen.
Was insofern überraschend ist, als es sich bei einem Think-Tank um ein überaus martialisches Gerät handelt. Tank ist das englische Wort für Panzer und der Think-Tank war in einer Panzerschlacht jener Panzer, in dem der Kopf der Einheit saß und über die richtige Taktik fürs Gefecht nachdachte. Über das Militär fand der Think-Tank dann den Weg in Wirtschaft und Politik. – Der Krieg, der Vater aller Dinge.
Früher, da hielten sich Politiker keinen Denkpanzer, sondern ein Küchen- kabinett. Das war eine Handvoll enger Vertrauter, mit denen sie um den Tisch der Teeküche saßen und die Frage erörterten: „Was mach’ ma morgen?“
Mitunter bestand das Küchenkabinett nur aus einer einzigen Person, und die Zahl der Politiker, die sich bei abendlichen „Was mach’ ma morgen?“-Sitzungen in ihre Sekretärin oder Pressesprecherin verliebten, ist Legion. Modern ausgedrückt würde man von einem Love-Tank sprechen.
Bei den Kaisern des Heiligen Römischen Reichs waren die Rollen im Küchenkabinett genau verteilt und mit hochtrabenden Titeln versehen. Der Mundschenk füllte während der Sitzungen die Pokale, der Seneschall sorgte fürs Essen, der Kämmerer schaute, dass es schön warm war, und der Marschall versorgte draußen die Pferde. Und wer dachte eigentlich nach?
Mit der Zeit wurden diese Ämter in unmittelbarer Nähe des Kaisers so begehrt, dass sie ehrenhalber vergeben wurden. Erzmundschenk war zum Beispiel der König von Böhmen, der nicht im Traum daran dachte, wie ein Kellner um die Getränke zu laufen. Das erledigten Bedienstete für ihn. Er selbst trug nur den Titel, nicht das Bier. Nur bei der Krönung eines neuen Kaisers musste er widerwillig den Mundschenkdienst leisten. Quasi Trink-Tank.
Auch im alten Ägypten gab es solche Hofämter. Eines der höchsten war der Wedelträger zur Rechten des Königs. (Der Wedelträger zur Linken war nicht so bedeutsam. Sorry, SPÖ!) Auf einem alten Pharao-Bild ist ein würdevoller Herr zu sehen, der neben dem Herrscher steht und einen winzigen symbolischen Wedel in der Hand hält. Die wirkliche Wedelarbeit erledigte ja – wie beim Heiligen Römischen Mundschenk – ein subalterner Beamter. Seltsam, nicht wahr? Das wäre so, als ob die Mitglieder heutiger Denkpanzer nur mit ganz kleinen Gehirnen über die Zukunft der Politik nachdenken würden ...
Nur bei der ägyptischen Königin Kleopatra war das mit den Hofämtern ein bisserl anders. Zu ihrem allerengsten Beraterkreis zählte nicht der Wedelträger zur Rechten und auch nicht der Mundschenk (ihre berühmten, in Essig aufgelösten Perlen bereitete sie sich vermutlich selbst zu), sondern ihre Friseuse. Nein, nicht die Erzfriseuse mit dem winzigen Lockenwickler. Sondern die echte. Kleopatra hatte sie angeblich immer um sich, was neben ihrer – wie „Asterix“-Leser wissen – außergewöhnlich wohlgeformten Nase sicher dazu beigetragen hat, dass sie auf römische Staats- und Regierungschefs eine so phänomenale Wirkung entfaltete.
Über die heutige Funktion von Haarkünstlern als Politikberater ist eher wenig bekannt. Sie dürften aber eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen, denn einer der größten internationalen Erfolge unseres verflossenen Bundeskanzlers Werner Faymann bestand darin, dass er von einem bekannten Modemagazin unter die bestfrisierten Amtsträger der Welt gereiht wurde. So etwas gelingt nur mithilfe eines, wie man so sagt, Schnipp-Tanks.