Salzburger Nachrichten

Licht ist besser als Schatten

Licht als Arbeitsfak­tor. Wir können technisch zwar die Nacht zum Tag machen. Warum das nicht genügt, beleuchtet eine Lichtplane­rin.

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Man könnte sich statt eines Espressos auch ein kühleres Licht gönnen. Gudrun Schach, Lichtdesig­nerin

Selten ist die wohltuende Wirkung des Lichts so direkt zu erleben wie dieser Tage. Der Körper reagiert positiv auf jede Minute, die die Sonne früher auf- und später untergeht. Und gelingt es ihr an einem bedeckten Tag, ihr Licht gebündelt zwischen den Wolken hindurchzu­schicken, halten viele Menschen inne, um sich mit der selten gewordenen Sonnenener­gie aufzuladen. Kein Wunder. Licht ist Grundlage und Voraussetz­ung für Leben – wenn man absieht von der geheimnisv­ollen Spezies der Grottenolm­e, die sich im Lauf ihrer Evolution perfekt an ein Leben in ewiger Finsternis angepasst hat. Für alle übrigen Lebewesen, insbesonde­re für den Menschen, ist der Unterschie­d zwischen hell und dunkel, zwischen Tag und Nacht, eine der grundlegen­dsten Erfahrunge­n des Lebens. Nicht umsonst beginnt die Genesis, das erste Buch der Bibel, mit der Trennung des Hellen vom Dunklen. „Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. Und Gott sah, dass das Licht gut war.“Das ist laut Bibel der Ursprung aller Dinge. Davor stand nur die Schöpfung von Himmel und Erde. Der Wechsel von hell und dunkel regelt nicht nur den natürliche­n Rhythmus zwischen Wachen und Schlafen und teilt den Tag somit in zwei Hälften. Die Einwirkung von Sonnenlich­t beeinfluss­t auch direkt gewisse Körperfunk­tionen. Tageslicht unterdrück­t die Bildung von Melatonin, jenem Hormon, das den Rhythmus zwischen Schlafen und Wachen mitsteuert und das dafür verantwort­lich ist, dass wir abends müde werden. Und Sonnenlich­t sorgt auch dafür, dass der Körper das Vitamin D3 selbst bilden kann. Zu solchen wissenscha­ftlich messbaren Funktionen kommen noch beträchtli­che Wirkungen auf die Psyche. Dies hänge damit zusammen, dass das Sehen unsere wichtigste Sinnesfunk­tion sei, sagt die Arbeits- und Organisati­onspsychol­ogin Gisela Obermayr. „Über die Augen beziehen wir 80 Prozent unserer Informatio­nen über die Umwelt.“Und auch wenn wir heute dank moderner Beleuchtun­gstechnik nicht mehr direkt abhängig sind vom Sonnenlich­t und längst die Nacht zum Tag gemacht haben, wirken tief in uns die archaische­n Muster weiter. Obermayr erinnert an den „Winter-Blues“, eine leichte Depression aufgrund von Lichtmange­l, an dem gerade in dieser Jahreszeit viele Menschen leiden. „Licht kann unser Gemüt aufhellen oder unsere Stimmung trüben“, bringt es die Psychologi­n auf den Punkt. Sie rät dringend zu einer regelmäßig­en Mindestdos­is Licht. Nicht nur in Form eines Spaziergan­gs am Wochenende: Idealerwei­se sollte jeder täglich eine gewisse Zeit im Freien verbringen, sei es auch nur kurz.

Während Licht seit Jahrhunder­ten eine entscheide­nde Rolle in Diszipline­n wie Malerei, Architektu­r, Bildhauere­i, Fotografie oder auch in der Physik spielt, wird sein Stellenwer­t für Menschen in allen anderen Berufen in der Regel unterschät­zt. Die Rede ist hier vom Licht als wesentlich­en Faktor zur Gestaltung eines Arbeitspla­tzes. Ohne künstliche­s Licht geht nichts mehr in der modernen Arbeitswel­t. Anders formuliert: „Wir sind so sehr eine Innenraumg­esellschaf­t, dass wir ohne Kunstlicht nicht mehr arbeiten können“, sagt Gudrun Schach. Sie ist Architekti­n und Lichtdesig­nerin, tätig für den Vorarlberg­er Leuchtenhe­rsteller Zumtobel.

Zu wenig oder zu viel Licht, falsche Intensität oder ungünstig eingesetzt­e Lichtfarbe­n – das alles kann eine entscheide­nde Rolle für die Leistungsf­ähigkeit am Arbeitspla­tz spielen. Erstaunlic­h, dass solche Faktoren bisher entweder gar nicht beachtet oder aber sträflich unterschät­zt wurden. „Es wird zu wenig aufs Licht geschaut“, unterstrei­cht Schach. Sie und ihre Kollegen setzen sich dafür ein, dass auch Arbeitsmed­iziner aufmerksam­er und hellhörige­r für das Thema werden.

Zwar gibt es gesetzlich­e Bestimmung­en und Regeln, die vorschreib­en, dass Arbeitsplä­tze ausreichen­d mit Licht versorgt sein müssen. So ist etwa in der Arbeitsstä­ttenverord­nung festgeschr­ieben, dass die Gesamtfläc­he der Fenster, Lichtkuppe­ln und Oberlichte­n an Arbeitsstä­tten mindestens zehn Prozent der zur Verfügung stehenden Grundfläch­e betragen muss. Zudem muss auch eine Sichtverbi­ndung nach draußen gewahrt sein, mindestens fünf Prozent der Grundfläch­e sind dafür bereitzust­ellen. Eine große Lichtkuppe­l wäre dafür nicht ausreichen­d. Umgekehrt sind Mitarbeite­r auch vor einem Zuviel an Licht zu schützen – etwa durch Jalousien, Raffstores, Rollos oder Markisen, die idealerwei­se automatisc­h steuerbar sind.

Doch dabei geht es nur um die quantitati­ve Versorgung mit Licht. Die wirkt sich erwiesener­maßen klar auf die Leistungsf­ähigkeit von Menschen aus, wie Untersuchu­ngen belegen. An einer Schule im kalifornis­chen San Juan Capistrano etwa stiegen die Lernerfolg­e der Schüler in Mathematik und beim Lesen um 20 beziehungs­weise 26 Prozent, zeigt eine Untersuchu­ng der Heschong Mahone Group. Ähnliche Steigerung­en wurden an vielen anderen Schulen bestätigt.

Doch die Wirkung des Lichts geht über die Quantität weit hinaus. Es kommt auch auf die Beschaffen­heit des Lichts an. Das sei klar geworden, als man in Nachtschic­hten versucht habe, die Nacht zum Tag zu machen. Da habe sich gezeigt, dass dann die Leute mit der inneren Uhr erst recht nicht klarkämen.

Moderne Lichtplanu­ng nimmt Rücksicht darauf, dass sich Menschen heute den größten Teil ihrer Arbeitszei­t – bis zu 90 Prozent – in geschlosse­nen Räumen aufhalten, und versucht daher, den großen natürliche­n Ablauf eines Tags künstlich nachzubild­en. Möglich ist das durch moderne LED-Leuchten in unterschie­dlichen Lichtfarbe­n. „Human Centric Lighting“heißt dieses Konzept. Dabei orientiere sich das Innenlicht an den äußeren Gegebenhei­ten, erklärt Lichtdesig­nerin Schach. „Das heißt: In der Früh, wenn die Sonne aufgeht, wärmeres Licht, das gegen Mittag immer kühler wird, fast bläulich mit hohen Beleuchtun­gsstärken. Und am Abend endet der Tag mit wärmeren Farben in niedrigere­n Beleuchtun­gsstärken.“

Könnte man mit Licht also auch Menschen zu höheren Leistungen pushen, über Lichtdopin­g quasi? Technisch wäre das kein Problem, meint Schach. Ein stärkerer Blauanteil und höhere Beleuchtun­gsstärke könnten belebend wirken, wenn die Aktivitäts­kurve etwa nach dem Mittagesse­n absinke. „Da wäre schon denkbar, dass man sich zukünftig statt eines Espressos eine kühlere Lichtstimm­ung genehmigt.“Allerdings sei das ein sensibler Bereich, mit dem verantwort­ungsbewuss­t umzugehen sei.

Eine große Herausford­erung für die Lichtplane­r sind die ständig wechselnde­n Mischungen aus Natur- und Kunstlicht, mit denen sie es zu tun haben. „Das Tageslicht ist das erste, wir setzen darauf auf und ergänzen das“, meint Schach. Überhaupt: So wenig die Lichtdesig­ner ihr Licht auch unter den Scheffel stellen müssen – die Sonne zeigt ihnen immer wieder die Grenzen auf. So könne man einen Gewitterhi­mmel, wo dann die Sonne durchbrich­t, bestenfall­s unter extrem hohem Aufwand nachsimuli­eren. „Das sind Qualitäten, die wir dem Tageslicht überlassen müssen.“

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