Das verlorene Symbol
Zu Gast im Zirkelwirt. Wie aus einem angeblichen Freimaurertempel ein Wirtshaus für jedermann wurde.
AAuf dem Papagenoplatz hängt alles zusammen. Da ist zunächst einmal die 1960 von Hilde Heger geschaffene Skulptur des Papageno. Der Dirigent, Komponist und Musikforscher Bernhard Paumgartner beschrieb ihn als schlank und knabenhaft, anmutig, ein wenig alpin. Als pfeifender Vogelfänger aus Mozarts „Zauberflöte“passt Papageno auch super zur Pfeifergasse, die dem Papagenoplatz entspringt. Und in der Pfeifergasse 14, gegenüber vom Papagenobrunnen, befindet sich der Zirkelwirt. Er ist der Mittelpunkt zahlreicher kulinarischer Kleinode, die sich im Kaiviertel wie Perlen an einer Kette aneinanderreihen. Wir werden von Max Altweger empfangen. Gemeinsam mit Roland Gruber leitet der 28-Jährige die Geschicke eines kleinen gastronomischen Imperiums. In der Altstadt gehören ihnen noch die formidable Andreas Hofer Weinstube sowie das Hotel Elefant mitsamt seinem Restaurant „S’Nockerl“und der „Soliman’s Bar“. In dieser Bar schließt sich der Kreis eines sogenannten „stichhaltigen Gerüchts“zum Zirkelwirt: Denn Soliman war zwar nachweislich der Name eines indischen Elefanten, der 1552 vom Hafen in Genua bis nach Wien getrieben wurde. Jedoch lebte im 18. Jahrhundert in Wien auch ein gewisser Angelo Soliman. Der gebürtige Nigerianer war Freimaurer und ein guter Freund Mozarts. Da wundert es kaum, dass viele Reiseführer angesichts des schmiedeeisernen Zirkels des Zirkelwirts geheimnisvolle Geschichten erzählen. Es heißt, dass zu Mozarts Zeiten im ersten Stockwerk des Hauses die Loge „Zur Fürsicht“sowie die Illuminaten-Logen „Apollo“und „Wissenschaft“ihre Tempelarbeiten abgehalten hätten. Tatsächlich war ein Salzburger Gemeinderat 1907 dermaßen aufgebracht, dass er von der Stadt die Entfernung des „herausfordernden Freimaurer-Symbols“und den Ankauf des Hauses forderte, um dieses zu „demolieren“. Das Gebäude wurde dann ohnehin am 16. Oktober 1944 bei einem verheerenden Bombenangriff zerstört. Seitdem gibt es übrigens erst den Papagenoplatz.
Dabei hat der Zirkel allein mit Freimaurerei wenig zu tun, weil ihm das dazugehörige Winkelmaß fehlt. Und nachdem in den behaglichen Winkeln der Stuben auch keine Maß Bier, sondern maximal Halbe verkauft werden, ist die Theorie über geheime Zirkel im Kaiviertel schwer aufrecht zu halten. „Unter unseren Gästen ist das sowieso kein Thema“, sagt Altweger. Die sind bunt zusammengewürfelt: Einheimische, Studenten und Touristen – weshalb das Wirtshaus zugleich Stammtischkultur und Weltoffenheit verströmt. Für die Studenten gibt es sogar Spezialpreise. Auf der Karte dominiert Bodenständiges wie Schnitzel, Schweinsbraten, Gulasch oder Kaspressknödel als vegetarisches Gericht. Und die Atmosphäre im Lokal ist so, wie Paumgartner den Papageno vor der Haustür beschrieb: Anmutig und ein wenig alpin. Dass wir uns schließlich der Zubereitung von Kaspressknödeln und nicht dem achtlosen Verzehr einer Knackwurst vulgo Maurerforelle widmen, führt uns zurück zum Zirkel. Denn der Kaspressknödel ist eine Kugel, bevor er flach gedrückt wird. Die kreisrunde Gestalt behält er aber. Und geheimnisvoll würzig schmeckt er auch. Was der raffinierten Käsemischung des Küchenmeisters Alexander Krohn zu verdanken ist. Er verwendet zu je einem Drittel die drei geriebenen Sorten Edamer, Tilsiter und Bierkäse. Die 3 ist den Freimaurern ja heilig. Und welche Bedeutung hat der Zirkel in der Freimaurerei? Es heißt, er geht auf das Vitruvianische Prinzip von Leonardo da Vinci zurück. Kulinarisch übersetzt funktioniert dieses Prinzip so: Der Mensch soll sich auf vollkommene Weise in das Quadrat (Tisch) und in den Kreis (Teller, gemütliche Runde) einfügen. Denn das Quadrat repräsentiert die Materie, der Kreis den Geist. Schaut man genau hin, dann entdeckt man das Pentagramm. Penta? Die Fünf? Mon dieu! Noch eine Zahl der Freimaurer. Die steckt auch in den 50 Gramm Butter, in denen die Kaspressknödel gebraten wurden. Womit das Küchengeheimnis gelüftet wäre. Jetzt fehlt nur noch, dass Dan Brown mit dem Winkelmaß das verlorene Symbol des Zirkelwirts findet: Dann meldet sich in Salzburg garantiert auch gleich wieder der Gemeinderat.