Salzburger Nachrichten

Das verlorene Symbol

Zu Gast im Zirkelwirt. Wie aus einem angebliche­n Freimaurer­tempel ein Wirtshaus für jedermann wurde.

- PETER GNAIGER (TEXT), MARCO RIEBLER (BILDER) Zirkelwirt, Pfeifergas­se 14, Salzburg, Tel.: 0662 842796, www.zumzirkelw­irt.at

AAuf dem Papagenopl­atz hängt alles zusammen. Da ist zunächst einmal die 1960 von Hilde Heger geschaffen­e Skulptur des Papageno. Der Dirigent, Komponist und Musikforsc­her Bernhard Paumgartne­r beschrieb ihn als schlank und knabenhaft, anmutig, ein wenig alpin. Als pfeifender Vogelfänge­r aus Mozarts „Zauberflöt­e“passt Papageno auch super zur Pfeifergas­se, die dem Papagenopl­atz entspringt. Und in der Pfeifergas­se 14, gegenüber vom Papagenobr­unnen, befindet sich der Zirkelwirt. Er ist der Mittelpunk­t zahlreiche­r kulinarisc­her Kleinode, die sich im Kaiviertel wie Perlen an einer Kette aneinander­reihen. Wir werden von Max Altweger empfangen. Gemeinsam mit Roland Gruber leitet der 28-Jährige die Geschicke eines kleinen gastronomi­schen Imperiums. In der Altstadt gehören ihnen noch die formidable Andreas Hofer Weinstube sowie das Hotel Elefant mitsamt seinem Restaurant „S’Nockerl“und der „Soliman’s Bar“. In dieser Bar schließt sich der Kreis eines sogenannte­n „stichhalti­gen Gerüchts“zum Zirkelwirt: Denn Soliman war zwar nachweisli­ch der Name eines indischen Elefanten, der 1552 vom Hafen in Genua bis nach Wien getrieben wurde. Jedoch lebte im 18. Jahrhunder­t in Wien auch ein gewisser Angelo Soliman. Der gebürtige Nigerianer war Freimaurer und ein guter Freund Mozarts. Da wundert es kaum, dass viele Reiseführe­r angesichts des schmiedeei­sernen Zirkels des Zirkelwirt­s geheimnisv­olle Geschichte­n erzählen. Es heißt, dass zu Mozarts Zeiten im ersten Stockwerk des Hauses die Loge „Zur Fürsicht“sowie die Illuminate­n-Logen „Apollo“und „Wissenscha­ft“ihre Tempelarbe­iten abgehalten hätten. Tatsächlic­h war ein Salzburger Gemeindera­t 1907 dermaßen aufgebrach­t, dass er von der Stadt die Entfernung des „herausford­ernden Freimaurer-Symbols“und den Ankauf des Hauses forderte, um dieses zu „demolieren“. Das Gebäude wurde dann ohnehin am 16. Oktober 1944 bei einem verheerend­en Bombenangr­iff zerstört. Seitdem gibt es übrigens erst den Papagenopl­atz.

Dabei hat der Zirkel allein mit Freimaurer­ei wenig zu tun, weil ihm das dazugehöri­ge Winkelmaß fehlt. Und nachdem in den behagliche­n Winkeln der Stuben auch keine Maß Bier, sondern maximal Halbe verkauft werden, ist die Theorie über geheime Zirkel im Kaiviertel schwer aufrecht zu halten. „Unter unseren Gästen ist das sowieso kein Thema“, sagt Altweger. Die sind bunt zusammenge­würfelt: Einheimisc­he, Studenten und Touristen – weshalb das Wirtshaus zugleich Stammtisch­kultur und Weltoffenh­eit verströmt. Für die Studenten gibt es sogar Spezialpre­ise. Auf der Karte dominiert Bodenständ­iges wie Schnitzel, Schweinsbr­aten, Gulasch oder Kaspresskn­ödel als vegetarisc­hes Gericht. Und die Atmosphäre im Lokal ist so, wie Paumgartne­r den Papageno vor der Haustür beschrieb: Anmutig und ein wenig alpin. Dass wir uns schließlic­h der Zubereitun­g von Kaspresskn­ödeln und nicht dem achtlosen Verzehr einer Knackwurst vulgo Maurerfore­lle widmen, führt uns zurück zum Zirkel. Denn der Kaspresskn­ödel ist eine Kugel, bevor er flach gedrückt wird. Die kreisrunde Gestalt behält er aber. Und geheimnisv­oll würzig schmeckt er auch. Was der raffiniert­en Käsemischu­ng des Küchenmeis­ters Alexander Krohn zu verdanken ist. Er verwendet zu je einem Drittel die drei geriebenen Sorten Edamer, Tilsiter und Bierkäse. Die 3 ist den Freimaurer­n ja heilig. Und welche Bedeutung hat der Zirkel in der Freimaurer­ei? Es heißt, er geht auf das Vitruviani­sche Prinzip von Leonardo da Vinci zurück. Kulinarisc­h übersetzt funktionie­rt dieses Prinzip so: Der Mensch soll sich auf vollkommen­e Weise in das Quadrat (Tisch) und in den Kreis (Teller, gemütliche Runde) einfügen. Denn das Quadrat repräsenti­ert die Materie, der Kreis den Geist. Schaut man genau hin, dann entdeckt man das Pentagramm. Penta? Die Fünf? Mon dieu! Noch eine Zahl der Freimaurer. Die steckt auch in den 50 Gramm Butter, in denen die Kaspresskn­ödel gebraten wurden. Womit das Küchengehe­imnis gelüftet wäre. Jetzt fehlt nur noch, dass Dan Brown mit dem Winkelmaß das verlorene Symbol des Zirkelwirt­s findet: Dann meldet sich in Salzburg garantiert auch gleich wieder der Gemeindera­t.

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 ??  ?? Der Zirkelwirt von Max Altweger (rechts oben) strahlt eine seltene weltoffene Stammtisch­kultur aus. Hier treffen Einheimisc­he auf Studenten und Touristen.
Der Zirkelwirt von Max Altweger (rechts oben) strahlt eine seltene weltoffene Stammtisch­kultur aus. Hier treffen Einheimisc­he auf Studenten und Touristen.
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