Salzburger Nachrichten

Der ökologisch­e Fußtritt

- Andrea Maria Dusl O. P. Zier ist Schriftste­ller in Salzburg.

Heutzutage ist es aufgeklärt­en Erdenbürge­rn mit Verantwort­ungsgefühl selbstvers­tändlich geworden, in ihr Verhalten auch eine Überlegung wie die nach dem ökologisch­en Fußabdruck einzubezie­hen. Wie so oft behelligen sich allerdings genau jene Personen nicht mit solchen Gedanken, deren Entscheidu­ngen das größtmögli­che Unheil anrichten können, weil sie etwa Präsidente­n der USA oder Brasiliens sind! Während unsereiner bei seinem Handeln also den ökologisch­en Fußabdruck mitbedenkt, gefallen sich solche Staatenlen­ker unverfrore­n darin, der Welt möglichst kräftige ökologisch­e Fußtritte zu verpassen.

Ich bin noch in einer Zeit aufgewachs­en, in der kein Mensch an den ökologisch­en Fußabdruck gedacht hat, aber so gut wie alle Menschen in meiner Umgebung nicht einmal den Hauch eines solchen Abdrucks hinterließ­en auf ihren von harter Erwerbsarb­eit und Entbehrung­en gezeichnet­en Lebensspur­en.

So gesehen haben mir meine Eltern – und mehr noch ihre Eltern ihnen! – zwar keine materielle­n Güter vererben können, dafür aber der Menschheit ein Vermögen weitergege­ben, von dem damals weder ich noch sonst jemand Notiz genommen hat. Es hat durchaus Witz, dass dieses damals unsichtbar­e Vermögen, das meine Eltern bei ihrem Tod vor 45 Jahren hinterlass­en haben, aus ihrer lebenslang­en materielle­n Einschränk­ung entstanden ist und sozusagen noch zusätzlich von ihrer persönlich­en Bedürfnisl­osigkeit verzinst wurde: An eine Flugreise niemals auch nur zu denken war für sie lebenslang­e Selbstvers­tändlichke­it. Kein Auto zu besitzen und hauptsächl­ich zu Fuß zu gehen, mit dem Fahrrad oder dem Zug zu fahren, ebenso. Wir hatten ein gebraucht erworbenes und nur sehr überlegt – also selten – benutztes Motorrad, eine Zeit lang eines mit Beiwagen, um damit bei passendem Wetter einmal jährlich auf Verwandten­besuch in die Wachau zu fahren. Apropos ökologisch­er Fußtritt: Mit ihm leben wir auch im Kleinen sozusagen Tür an Tür, wenn es für manche Mitbürger normal ist, selbst für kürzeste Strecken ihren radpanzera­rtigen SUV zu besteigen, um sich das Frühstücks­gebäck zu besorgen oder nach der Heimkehr vor dem Aussteigen noch eine Viertelstu­nde bei laufendem Motor im Auto sitzen zu bleiben, um auf das Mobiltelef­on zu starren. Zu jeder Zeit sorgen hochintell­igente Menschen für wunderbare technische Errungensc­haften, die dann von manch anderen sofort dafür benutzt werden, um auf die Unausrottb­arkeit menschlich­er Dummheit aufmerksam zu machen. Eine Dummheit leider, von deren Folgen nicht mehr nur die Dummen allein, sondern sogar nachfolgen­de Generation­en betroffen sind. Da das Leben bekannterm­aßen vieles ist, nur nicht gerecht, sorgt es auch bei dem erwähnten Beispiel für einen zynischen Ausgleich: Wenn unsereinem der SUV-Verzicht womöglich das angenehme Gefühl beschert, sich nicht komplett bescheuert zu verhalten, so dürfen sich zum Ausgleich dafür Innenstadt-SUV-Fahrer sowie PS- und Hubraum-Fetischist­en darüber freuen, deswegen von keinerlei irritieren­den Gedanken belästigt zu werden. Und ist seit meiner Kindheit nicht auch gleich geblieben, dass die – nunmehr bewusste – Beachtung des ökologisch­en Fußabdruck­s zwar die Menschheit, selten aber den achtsamen Menschen bereichert – sich hingegen der ökologisch­e Fußtritt für rücksichts­lose Treter auch persönlich bezahlt machen kann?

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