Alles im Fluss
Die Binnenkreuzfahrt ist beliebt wie nie zuvor. Die Routen führen von Rhein, Donau und Wolga bis zu Amazonas und Irrawaddy.
SSo bieder, wie sie tut, ist sie nicht – die Flusskreuzfahrt ist aus ihrem verstaubten Eck schon lang herausgekommen. Kein Wunder, die Routen werden immer vielfältiger, die Zielgruppen jünger, die Schiffe spannender. In Deutschland ist die Zahl der Passagiere im letzten Jahr um acht Prozent gestiegen, der österreichische Veranstalter Ruefa verzeichnete 2018 in diesem Segment ein Umsatzplus von 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Flusskreuzfahrt zählt zu den beschaulichsten Arten, ein Land zu bereisen. Wie auch bei Hochsee-Cruises fährt das Hotelzimmer quasi mit, auch untertags, jeden Abend liegt das Schiff in einer anderen Stadt am Kai. Der Vorteil: Flusskreuzfahrtschiffe legen hier – im Vergleich zu Hochseehäfen – wirklich zentral an, fußläufig vom Herzen der Stadt entfernt. Jeder geht von Bord, wann er möchte, es sind kaum aufwendige Transfers nötig. Eine wunderbare Gelegenheit also, Landschaft, Kultur und auch Gastronomie einer Region ganz ohne Stress und tägliches Kofferpacken kennenzulernen. Rasch kommt der eigene Tagesablauf und Rhythmus in einen gemächlichen Fluss, angepasst an ebenden, auf dem man unterwegs ist. Der Erholungswert ist enorm, trotz „Studienreisencharakter“. Manche Routen sind nach wie vor Dauerbrenner: Donau, Rhein, Main, die russische Wolga, der portugiesische Douro. Doch in ferneren Regionen der Welt wie Myanmar oder Brasilien gibt es ebenfalls immer mehr Flüsse, die für den Tourismus erschlossen werden und damit ganz neue Möglichkeiten und Destinationen ins Blickfeld holen.
„Wir merken, dass das Interesse an Flusskreuzfahrten in den letzten Jahren deutlich zugelegt hat. 2018 entschied sich ein Zehntel unserer Kreuzfahrtkunden für eine Flussreise“, sagt Michele Fanton von Ruefa. Gebucht werden diese gern von kulturinteressierten Österreichern als „zweite“Urlaubsreise im Jahr, zusätzlich zum Haupturlaub.
Nur wenige Hundert Passagiere pro Schiff machen das Ambiente an Bord familiär, die Größe überschaubar. Statt Shows, Sport und Spektakel an Bord zieht die abwechslungsreiche Landschaft scheinbar greifbar nahe an den Passagieren vorbei. Manche Schiffe verfügen allerdings über ein kleines, feines Spa samt Wellnessangebot. Da sich von den zentral gelegenen Anlegestellen noch bequem ein Spaziergang samt Drink oder Dinner unternehmen lässt, sind Vollpension oder All-inclusive nicht zwingend notwendig. In der Bordküche wird auf Qualität gesetzt und auch regionale Küche findet in der Speisekarte ihren Platz.
Dank der Nachfrage werden die Flotten beständig erweitert, die Hälfte der Neubauten 2019 ist nicht für Europa bestimmt. Im deutschen Warnemünde etwa wird an sechs Schiffen für die Reederei Viking River Cruises gebaut, die neue „Elbe Princess 2“von CroisiEurope befährt nun mit ihrem Schaufelrad die Elbe bis Berlin, und Nicko Cruises hat seit Juni 2018 mit seiner „Nickovision“ein Schiff mit innovativem Design und völlig neuem An-Bord-Konzept im Einsatz – laut Reederei „ein Schiff für alle, die Flusskreuzfahrten bisher ,angestaubt‘ fanden“. Dazu gehören große Glasflächen, eine markante Linienführung und vor allem: Platz.
Der heimische Reiseveranstalter GTA Sky Ways hat mit der „MS Klimt“seine Flotte 2018 um ein neues Schiff erweitert. Auch hier heißt das Motto „Platz und Komfort“: äußerst komfortable Kabinen mit Doppelbett, dazu Fitnessraum und ein Whirlpool auf dem Sonnendeck zum Relaxen. Die Route: Klassiker wie Rhein, Main und Donau, dazu die weniger bekannte, dafür reizvolle Mosel. Weiters verfügt die kernrenovierte „MS Strawinski II“als eines der wenigen Flusskreuzfahrtschiffe in Russland über Kabinen mit Privatbalkon – und kreuzt nun zwischen Moskau und St. Petersburg.
Klug Tourismus hat Ungewöhnliches im Portfolio wie IJsselmeer und Emsland oder die Route von Amsterdam nach Linz. Die Innsbrucker Reederei Lüftner erweitert ab April ihre Flotte auf Europas Flüssen um die „Amadeus Star“und 2020 um das 5-SterneSchiff „Amadeus Imperial“.
Und wie sieht es mit der Flusskreuzfahrtlegende schlechthin aus, der Nilkreuzfahrt? Ägypten freut sich zwar über Touristenzuwachs, die Mehrzahl der Dampfer jedoch schaukelt immer noch untätig auf dem Fluss der Pharaonen. Seit Kurzem wagen sich seegängige Flusskreuzer auch ins offene Wasser – Nicko Cruises etwa ist an der kroatischen Küste unterwegs und vermarktet auch sein neues Expeditionsschiff „World Explorer“.
In den letzten zwölf Jahren hat sich die Kapazität von Flusskreuzfahrten in Europa in etwa verdoppelt. 350 Flusskreuzfahrtschiffe sind derzeit auf Europas Binnenwasserstraßen unterwegs. Tendenz steigend.