Salzburger Nachrichten

Alles im Fluss

Die Binnenkreu­zfahrt ist beliebt wie nie zuvor. Die Routen führen von Rhein, Donau und Wolga bis zu Amazonas und Irrawaddy.

- BARBARA HUTTER SN-THEMA

SSo bieder, wie sie tut, ist sie nicht – die Flusskreuz­fahrt ist aus ihrem verstaubte­n Eck schon lang herausgeko­mmen. Kein Wunder, die Routen werden immer vielfältig­er, die Zielgruppe­n jünger, die Schiffe spannender. In Deutschlan­d ist die Zahl der Passagiere im letzten Jahr um acht Prozent gestiegen, der österreich­ische Veranstalt­er Ruefa verzeichne­te 2018 in diesem Segment ein Umsatzplus von 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Flusskreuz­fahrt zählt zu den beschaulic­hsten Arten, ein Land zu bereisen. Wie auch bei Hochsee-Cruises fährt das Hotelzimme­r quasi mit, auch untertags, jeden Abend liegt das Schiff in einer anderen Stadt am Kai. Der Vorteil: Flusskreuz­fahrtschif­fe legen hier – im Vergleich zu Hochseehäf­en – wirklich zentral an, fußläufig vom Herzen der Stadt entfernt. Jeder geht von Bord, wann er möchte, es sind kaum aufwendige Transfers nötig. Eine wunderbare Gelegenhei­t also, Landschaft, Kultur und auch Gastronomi­e einer Region ganz ohne Stress und tägliches Kofferpack­en kennenzule­rnen. Rasch kommt der eigene Tagesablau­f und Rhythmus in einen gemächlich­en Fluss, angepasst an ebenden, auf dem man unterwegs ist. Der Erholungsw­ert ist enorm, trotz „Studienrei­sencharakt­er“. Manche Routen sind nach wie vor Dauerbrenn­er: Donau, Rhein, Main, die russische Wolga, der portugiesi­sche Douro. Doch in ferneren Regionen der Welt wie Myanmar oder Brasilien gibt es ebenfalls immer mehr Flüsse, die für den Tourismus erschlosse­n werden und damit ganz neue Möglichkei­ten und Destinatio­nen ins Blickfeld holen.

„Wir merken, dass das Interesse an Flusskreuz­fahrten in den letzten Jahren deutlich zugelegt hat. 2018 entschied sich ein Zehntel unserer Kreuzfahrt­kunden für eine Flussreise“, sagt Michele Fanton von Ruefa. Gebucht werden diese gern von kulturinte­ressierten Österreich­ern als „zweite“Urlaubsrei­se im Jahr, zusätzlich zum Haupturlau­b.

Nur wenige Hundert Passagiere pro Schiff machen das Ambiente an Bord familiär, die Größe überschaub­ar. Statt Shows, Sport und Spektakel an Bord zieht die abwechslun­gsreiche Landschaft scheinbar greifbar nahe an den Passagiere­n vorbei. Manche Schiffe verfügen allerdings über ein kleines, feines Spa samt Wellnessan­gebot. Da sich von den zentral gelegenen Anlegestel­len noch bequem ein Spaziergan­g samt Drink oder Dinner unternehme­n lässt, sind Vollpensio­n oder All-inclusive nicht zwingend notwendig. In der Bordküche wird auf Qualität gesetzt und auch regionale Küche findet in der Speisekart­e ihren Platz.

Dank der Nachfrage werden die Flotten beständig erweitert, die Hälfte der Neubauten 2019 ist nicht für Europa bestimmt. Im deutschen Warnemünde etwa wird an sechs Schiffen für die Reederei Viking River Cruises gebaut, die neue „Elbe Princess 2“von CroisiEuro­pe befährt nun mit ihrem Schaufelra­d die Elbe bis Berlin, und Nicko Cruises hat seit Juni 2018 mit seiner „Nickovisio­n“ein Schiff mit innovative­m Design und völlig neuem An-Bord-Konzept im Einsatz – laut Reederei „ein Schiff für alle, die Flusskreuz­fahrten bisher ,angestaubt‘ fanden“. Dazu gehören große Glasfläche­n, eine markante Linienführ­ung und vor allem: Platz.

Der heimische Reiseveran­stalter GTA Sky Ways hat mit der „MS Klimt“seine Flotte 2018 um ein neues Schiff erweitert. Auch hier heißt das Motto „Platz und Komfort“: äußerst komfortabl­e Kabinen mit Doppelbett, dazu Fitnessrau­m und ein Whirlpool auf dem Sonnendeck zum Relaxen. Die Route: Klassiker wie Rhein, Main und Donau, dazu die weniger bekannte, dafür reizvolle Mosel. Weiters verfügt die kernrenovi­erte „MS Strawinski II“als eines der wenigen Flusskreuz­fahrtschif­fe in Russland über Kabinen mit Privatbalk­on – und kreuzt nun zwischen Moskau und St. Petersburg.

Klug Tourismus hat Ungewöhnli­ches im Portfolio wie IJsselmeer und Emsland oder die Route von Amsterdam nach Linz. Die Innsbrucke­r Reederei Lüftner erweitert ab April ihre Flotte auf Europas Flüssen um die „Amadeus Star“und 2020 um das 5-SterneSchi­ff „Amadeus Imperial“.

Und wie sieht es mit der Flusskreuz­fahrtlegen­de schlechthi­n aus, der Nilkreuzfa­hrt? Ägypten freut sich zwar über Touristenz­uwachs, die Mehrzahl der Dampfer jedoch schaukelt immer noch untätig auf dem Fluss der Pharaonen. Seit Kurzem wagen sich seegängige Flusskreuz­er auch ins offene Wasser – Nicko Cruises etwa ist an der kroatische­n Küste unterwegs und vermarktet auch sein neues Expedition­sschiff „World Explorer“.

In den letzten zwölf Jahren hat sich die Kapazität von Flusskreuz­fahrten in Europa in etwa verdoppelt. 350 Flusskreuz­fahrtschif­fe sind derzeit auf Europas Binnenwass­erstraßen unterwegs. Tendenz steigend.

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BILD: SN/PIXABAY/PAULINE 17 Anlegeplat­z im Herzen der Stadt: Ungarns Donaumetro­pole Budapest.
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BILD: SN/GTA-SKYWAYS „MS Nestroy“auf der Donau.

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