Salzburger Nachrichten

Fünf Dinge, die die Gemeinden jetzt brauchen

Warum es höchste Zeit ist, die Nöte der Regionen ernster zu nehmen und die Kommunen zu stärken.

- Hermann Fröschl

In Zeiten globaler Verunsiche­rung wächst das Vertrauen in den unmittelba­ren Lebensbere­ich. Die Gemeinden als Herzstück der Demokratie profitiere­n von dieser Entwicklun­g seit Jahren. Die Bereitscha­ft, sich für die lokale Gemeinscha­ft zu engagieren, ist groß wie nie. Das belegt das vitale Vereinsleb­en in den Orten ebenso wie die Heerschare­n von Freiwillig­en und Ehrenamtli­chen, die stets zur Stelle sind, wenn eine helfende Hand fehlt. Selbst die ansonsten so wuchernde Politikver­drossenhei­t ist auf kommunaler Ebene deutlich geringer ausgeprägt. Das zeigen alle Umfragen, ebenso wie das wachsende Interesse an regional erzeugten Produkten. Immer mehr Menschen wollen wissen, woher ihre Lebensmitt­el und Waren kommen. Es schlummert also wieder gehöriges wirtschaft­liches Potenzial in den Ortschafte­n.

Doch dieses Stimmungsh­och für den regionalen Raum kontrastie­rt (noch) erheblich mit der Realität. Man muss nicht in kleine Dörfer fahren, um die Zeichen bitterer Ausdünnung zu erfahren. Ein Kurort wie Bad Hofgastein ruft krassen Ärztemange­l aus. In einer Kleinstadt wie Oberndorf im ansonsten boomenden Flachgau fehlt Elemen- tares: Wirte, Cafés, Restaurant­s.

Für kommunale Politiker ist das Ringen um Infrastruk­tureinrich­tungen – vom Wirt über lokale Händler bis zu Ärzten und Polizisten – zum täglichen Kampf geworden. Nicht selten sind sie dabei alleingela­ssen. Denn die große Politik ist zu sehr auf die Ballungsrä­ume und Wasserköpf­e fokussiert. Sie erkennt die Sprengkraf­t der Entwicklun­g auf dem Land – die sich in wachsenden Proteststi­mmen bei Urnengänge­n längst manifestie­rt – noch immer nicht ausreichen­d. Und lässt die Chancen ungenutzt, die sich durch die Rückbesinn­ung der Menschen auf das Regionale eröffnen. Postulat Nummer eins richtet sich deshalb an die Politik: Die Zeit ist günstig wie selten, neue, kreative Wirtschaft­skonzepte und Initiative­n für ländliche Regionen offensiv anzugehen. Packt es endlich an!

Der Gemeindewa­hlkampf in Salzburg offenbart neben den infrastruk­turellen Nöten aber auch drängenden Reformbeda­rf im kommunalen politische­n Geschehen. Die Bürgermeis­ter sind dank Direktwahl fast zu Alleinunte­rhaltern geworden. Allmacht ist im politische­n Geschäft aber nie gut, oft nicht einmal für jene, die sie ausüben dürfen. Denn sie befördert nicht nur Machtmissb­rauch, sie bringt auch Überforder­ung. Tatsächlic­h ist es auf Dauer kaum auszuhalte­n, de facto rund um die Uhr verfügbar sein zu müssen. Und es wird prekär, wenn dann noch strukturel­le Absicherun­gen fehlen. Gerade Bürgermeis­ter, die in der Privatwirt­schaft tätig sind, überlegen es sich drei Mal, ob sie lang im Amt bleiben. Denn die sozialrech­tliche Absicherun­g ist mangelhaft, gerade in der Pension drohen empfindlic­he Einbußen im Vergleich zum Brotberuf. Dazu kommt, dass Bürgermeis­ter immer öfter vor Gericht stehen, weil Bürger wegen strittiger Entscheidu­ngen oder Unfällen die Gemeinde zur Rechenscha­ft ziehen. Das ist ihr gutes Recht, doch der Bürgermeis­ter gerät dabei auf verdammt dünnes Eis: Erkennt ein Gericht fahrlässig­es Handeln, haftet er mit seinem Privatverm­ögen. Und im Gegensatz zu Abgeordnet­en des Landtags oder Nationalra­ts ist er auch nicht vor Strafverfo­lgung geschützt.

All diese Struktursc­hwächen haben längst tief greifende Folgen: (Jüngere) Bürgermeis­ter werfen immer öfter das Handtuch. Die Parteien scheitern immer öfter bei der Kandidaten­suche. Fast jede vierte Gemeinde kann heuer nur einen Bürgermeis­terkandida­ten aufbieten. Besonders symbolträc­htig ist die Pongauer Kleinstadt Radstadt, wo selbst die dominieren­de ÖVP keinen Kandidaten fand und damit der FPÖ das höchste Amt kampflos überlassen muss. Eine Pleite, die Postulat Nummer zwei durchaus befördern könnte: Die Haftungsfr­agen sowie die (sozial) rechtliche Absicherun­g der Bürgermeis­ter gehören überdacht und besser geregelt.

Auch die Postulate drei und vier ergeben sich fast von selbst: Als Gegengewic­ht zu den mächtigen Bürgermeis­tern drängt sich mehr direkte Demokratie samt größerer Transparen­z in der Gemeindepo­litik regelrecht auf. Die lebendigen Debatten vor den Wahlen zeigen das starke Interesse der Bürger. Dieses nur alle fünf Jahre für Wahlen zu mobilisier­en

ist pure Vergeudung. Für mehr direkte Demokratie spricht auch der Umstand, dass sich die Bürger bei kommunalen Entscheidu­ngen einfacher ein authentisc­hes Bild machen können. Ob Bürgerräte wie in Vorarlberg, mehr Volksbefra­gungen oder auch verpflicht­ende Bürgervote­n – das gehört intensiv und umfassend diskutiert. Der Weg dorthin sollte aber klar sein, auch weil er mehr Transparen­z in kommunale Entscheidu­ngen brächte.

Bleibt Postulat Nummer fünf, das sich an alle Bürger richtet. Wer den ländlichen Raum stärken will, muss entspreche­nd handeln. Der lokale Händler oder Dorfwirt wird nur überleben, wenn er auch besucht wird. Infrastruk­tur wird nur wachsen, wenn sich Menschen tummeln. Und die intakte Natur lässt sich nur bewahren, wenn sie behutsam und sensibel genutzt wird. Es liegt also auch an uns allen, ob Salzburg stärken kann, was elementar wichtig ist – ein vitaler, lebendiger ländlicher Raum.

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Was es braucht . . .
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