Auf dem Spielteppich der Kinder erwacht die Erinnerung
Mit zwei kleinen Kindern verändert sich das Leben eines Künstlers. Aber wie lassen sich die Erfahrungen künstlerisch dokumentieren? Die Galerie 5020 beschäftigt sich mit dieser Frage.
SALZBURG. Der Titel der Installation „Bitte ziehen Sie die Schuhe aus!“ist eine ernst gemeinte Aufforderung. Klaus Bock hat im Ausstellungsraum der Galerie 5020 einen Spielteppich ausgebreitet. Darauf kann sich der schuhlose Besucher frei bewegen, auch Gugelhupf und Apfelsaft stehen zur Entnahme bereit. Es fühlt sich an wie in der Kindheit.
Das ist die Intention des Vaters von Zwillingen. „Mit den Kindern hat sich mein Leben verändert“, erzählt der in Berlin lebende österreichische Künstler. Zwei Jahre lang übernahm er die Erziehungsarbeit, fand sich in Kindercafés fast ausschließlich unter Frauen wieder und war mit Kuchen und Saft konfrontiert.
Dieses neue Leben manifestiert sich in Bocks Arbeit: Ein Diaprojektor wirft Fotos auf die Wand, auf denen die spektakulärsten Unfälle der Kinder nachgestellt worden sind. Eine weitere Fotoserie zeigt die unansehnlichsten Papierschiffe, die der Papa fabriziert hat. „Scheitern gehört zum Elterndasein“, sagt Bock. Der Künstler hat eine unverkrampfte Methode gefunden, um seine gemeinsame Zeit mit den Kindern zu dokumentieren.
Gedächtnis und Erinnerung: Die doppelte Bedeutung des Begriffs „memory“steht im Zentrum der aktuellen Ausstellung in der Galerie 5020 am Salzburger Residenzplatz. „Wir wollen die Faktentreue hinterfragen“, sagt 5020-Leiterin Karolina Radenkovic. Denn Erinnerung lasse sich nicht so einfach mittels allgemeingültiger Methoden wie dem Gedächtnispalast abspeichern.
Markus Kircher bedient sich der „völligen Bibliothek“, um sein Leben zu dokumentieren. Seit Anfang der 1990er-Jahre füllt der Salzburger Künstler Notizbücher, aber auch unvollendete Stickeralben mit Zeichnungen, Collagen und Malerei. 400 dieser Künstlerbücher hat Kircher mittlerweile gestaltet.
Sein Opus magnum entstand zwischen 2014 und 2018 in Form eines „Fat Book“: Kircher hat alle 756 Seiten eines großformatigen Registrierbuchs aus dem Jahr 1921 bemalt. „Ich habe vier Jahre lang täglich gemalt. Anfangs wusste ich nicht, wie ich das Buch füllen sollte. Es war nur klar, dass es sich um Malerei handeln sollte“, erläutert der Künstler. Sein künstlerisches Tagebuch ist ein in jedem Sinne gewichtiges Dokument künstlerischer Fantasie und stilistischer Vielfalt.
Raffaela Bielesch wiederum beschäftigt sich mit dem Leben einer vergessenen Künstlerin: Elsa von Freytag-Loringhoven zählte vor rund 100 Jahren zur Gruppe New Yorker Dadaisten. Die Künstlerin hat Marcel Duchamp inspiriert und noch vor dessen „Flaschentrockner“das erste Readymade geschaffen. In den Biografien des AvantgardeKünstlers findet sich – wie so oft – die bedeutsame Arbeit der Künstlerin nicht. Bielesch rekonstruiert Objekte, die visuell niemals dokumentiert wurden.
„Ich malte vier Jahre lang täglich, bis mein Buch voll war.“
Die Gruppenausstellung komplettieren Arbeiten von Viktoria Tremmel. Die Wiener Künstlerin kreiert in ihren Zeichnungen Sujets, die sich später in Objekten wiederfinden. Dabei verarbeitet Tremmel reale Erlebnisse oder Ängste, Geschlechtsteile spielen dabei nicht selten eine Rolle. Ausstellung: