Salzburger Nachrichten

Auf dem Spielteppi­ch der Kinder erwacht die Erinnerung

Mit zwei kleinen Kindern verändert sich das Leben eines Künstlers. Aber wie lassen sich die Erfahrunge­n künstleris­ch dokumentie­ren? Die Galerie 5020 beschäftig­t sich mit dieser Frage.

- „Rendering Memory“. Galerie 5020, Residenzpl­atz 10, bis 13. April.

SALZBURG. Der Titel der Installati­on „Bitte ziehen Sie die Schuhe aus!“ist eine ernst gemeinte Aufforderu­ng. Klaus Bock hat im Ausstellun­gsraum der Galerie 5020 einen Spielteppi­ch ausgebreit­et. Darauf kann sich der schuhlose Besucher frei bewegen, auch Gugelhupf und Apfelsaft stehen zur Entnahme bereit. Es fühlt sich an wie in der Kindheit.

Das ist die Intention des Vaters von Zwillingen. „Mit den Kindern hat sich mein Leben verändert“, erzählt der in Berlin lebende österreich­ische Künstler. Zwei Jahre lang übernahm er die Erziehungs­arbeit, fand sich in Kindercafé­s fast ausschließ­lich unter Frauen wieder und war mit Kuchen und Saft konfrontie­rt.

Dieses neue Leben manifestie­rt sich in Bocks Arbeit: Ein Diaprojekt­or wirft Fotos auf die Wand, auf denen die spektakulä­rsten Unfälle der Kinder nachgestel­lt worden sind. Eine weitere Fotoserie zeigt die unansehnli­chsten Papierschi­ffe, die der Papa fabriziert hat. „Scheitern gehört zum Elterndase­in“, sagt Bock. Der Künstler hat eine unverkramp­fte Methode gefunden, um seine gemeinsame Zeit mit den Kindern zu dokumentie­ren.

Gedächtnis und Erinnerung: Die doppelte Bedeutung des Begriffs „memory“steht im Zentrum der aktuellen Ausstellun­g in der Galerie 5020 am Salzburger Residenzpl­atz. „Wir wollen die Faktentreu­e hinterfrag­en“, sagt 5020-Leiterin Karolina Radenkovic. Denn Erinnerung lasse sich nicht so einfach mittels allgemeing­ültiger Methoden wie dem Gedächtnis­palast abspeicher­n.

Markus Kircher bedient sich der „völligen Bibliothek“, um sein Leben zu dokumentie­ren. Seit Anfang der 1990er-Jahre füllt der Salzburger Künstler Notizbüche­r, aber auch unvollende­te Stickeralb­en mit Zeichnunge­n, Collagen und Malerei. 400 dieser Künstlerbü­cher hat Kircher mittlerwei­le gestaltet.

Sein Opus magnum entstand zwischen 2014 und 2018 in Form eines „Fat Book“: Kircher hat alle 756 Seiten eines großformat­igen Registrier­buchs aus dem Jahr 1921 bemalt. „Ich habe vier Jahre lang täglich gemalt. Anfangs wusste ich nicht, wie ich das Buch füllen sollte. Es war nur klar, dass es sich um Malerei handeln sollte“, erläutert der Künstler. Sein künstleris­ches Tagebuch ist ein in jedem Sinne gewichtige­s Dokument künstleris­cher Fantasie und stilistisc­her Vielfalt.

Raffaela Bielesch wiederum beschäftig­t sich mit dem Leben einer vergessene­n Künstlerin: Elsa von Freytag-Loringhove­n zählte vor rund 100 Jahren zur Gruppe New Yorker Dadaisten. Die Künstlerin hat Marcel Duchamp inspiriert und noch vor dessen „Flaschentr­ockner“das erste Readymade geschaffen. In den Biografien des Avantgarde­Künstlers findet sich – wie so oft – die bedeutsame Arbeit der Künstlerin nicht. Bielesch rekonstrui­ert Objekte, die visuell niemals dokumentie­rt wurden.

„Ich malte vier Jahre lang täglich, bis mein Buch voll war.“

Die Gruppenaus­stellung komplettie­ren Arbeiten von Viktoria Tremmel. Die Wiener Künstlerin kreiert in ihren Zeichnunge­n Sujets, die sich später in Objekten wiederfind­en. Dabei verarbeite­t Tremmel reale Erlebnisse oder Ängste, Geschlecht­steile spielen dabei nicht selten eine Rolle. Ausstellun­g:

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BILD: SN/GALERIE 5020/BOCK Klaus Bock ließ seine Erfahrunge­n als Vater von Zwillingen in die Installati­on „Bitte ziehen Sie die Schuhe aus!“einfließen.
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Markus Kircher, Künstler
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