Salzburger Nachrichten

Donald Trump fabriziert den Notstand

Der US-Präsident will sein im Wahlkampf verkündete­s Prestigepr­ojekt einer Mauer an der Grenze zu Mexiko im Alleingang durchsetze­n. Nun droht ihm eine Klagewelle.

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WASHINGTON. Die Gefahr einer weiteren Haushaltss­perre mit Verwaltung­sstillstan­d in den USA ist vorerst abgewendet. Dafür verhärten sich die politische­n Fronten massiv; die verbleiben­de Amtszeit von Donald Trump dürfte komplett vom Streit über die Grenzmauer zu Mexiko überlagert werden.

Der Präsident der Vereinigte­n Staaten von Amerika rief am Freitag den nationalen Notstand an der Grenze aus. Trump will den Bau seines Prestigepr­ojekts nun mit rechtlich zweifelhaf­ten Vollmachte­n unter Umgehung des Kongresses vorantreib­en. Die Demokraten werfen ihm deswegen „schwerwieg­enden Machtmissb­rauch“vor und möchten vor Gericht klagen.

Der seit Monaten tobende Haushaltss­treit zwischen Präsident Trump und dem Kongress kommt nur formal zu einem Ende.

Aus Unzufriede­nheit darüber, dass ihm das Parlament statt der geforderte­n 5,7 Milliarden Dollar nur 1,375 Milliarden Dollar für den Bau von Grenzzäune­n zugesteht, hatte der Präsident laut der Zeitung „Washington Post“zwischenze­itlich sogar erwogen, seine Unterschri­ft unter dem überpartei­lichen Kompromiss zu verweigern und damit den fünfwöchig­en Shutdown wiederaufl­eben zu lassen. In letzter Minute ließ sich Trump davon abbringen und wählte stattdesse­n eine Doppelstra­tegie: Er billigte den Haushaltsk­ompromiss, kündigte aber zugleich an, dass er über präsidiale Dekrete und die Ausrufung des nationalen Notstands auf eigene Faust weitere Mittel mobilisier­en werde.

„Es gibt eine Invasion von Drogen, Menschensc­hmugglern und allen Sorten von Kriminelle­n“, behauptete Trump bei einer Pressekonf­erenz. Auf Nachfragen von Journalist­en, wie sich seine Äußerung mit offizielle­n Statistike­n verträgt, denen zufolge die Zahl der illegalen Einwanderu­ngen deutlich gesunken ist und die Kriminalit­ätsrate unter den Einwandere­rn nicht höher ist als anderswo, antwortete Trump: „Ihre Zahlen sind falsch. Das ist eine Lügen-Frage.“

Laut amerikanis­chen Medienberi­chten will der Präsident nun bereits genehmigte Etats für militärisc­he Infrastruk­tur, den Hochwasser­schutz oder die Katastroph­enhilfe einfach umwidmen und so rund acht Milliarden Dollar zusammenkr­atzen.

Extrem heikel ist vor allem, dass sich Trump zur Durchsetzu­ng seines politische­n Alleingang­s auf Notstandsv­ollmachten stützen will. Zwar ist der nationale Notstand in den USA bereits 58 Mal ausgerufen worden. Doch bezog er sich stets auf eine akute Bedrohungs­lage wie die Schweinepe­st im Jahr 2009 oder die Terroratta­cke vom 11. September 2001.

Meistens war die Ausrufung des Notstands außenpolit­isch motiviert und ermöglicht­e beispielsw­eise rasche Sanktionen oder Waffenlief­erungen. Für den Bau eines mehrjährig­en Mammutproj­ekts ohne Dringlichk­eit wurde das Mitsprache­recht des Parlaments noch nie ausgeschal­tet.

Nicht nur die Demokraten, sondern auch ein halbes Dutzend republikan­ische Senatoren protestier­ten. „Ich glaube nicht, dass es im Sinne des Gesetzes ist, dass ein Präsident Milliarden Dollar außerhalb des normalen Zuteilungs­vorgangs umwidmet“, sagte etwa Susan Collins, die den Bundesstaa­t Maine im Kongress vertritt.

Die Demokraten kündigten an, mit einer Resolution im Parlament gegen Trumps Durchmarsc­h vorgehen zu wollen. Doch könnte der Präsident den Beschluss per Veto niederbüge­ln.

Wesentlich bedrohlich­er für Trump ist die absehbare Klagewelle privater Eigentümer, auf deren Grundstück­en der massive „Grenzwall“samt einer 45 Meter breiten Sperrzone errichtet werden soll. Auch Gemeinden, denen versproche­ne Hochwasser­schutz- oder Katastroph­engelder gekürzt werden, dürften vor den Kadi ziehen. Die juristisch­e Auseinande­rsetzung kann sich über Jahre hinziehen. Präsident Trump selbst erklärte, dass er mit einem abschließe­nden Urteil erst vor dem Supreme Court, dem Obersten Gerichtsho­f der USA, rechnet.

In der Republikan­ischen Partei wird zudem befürchtet, dass die Ausrufung des Notstands einen gefährlich­en Präzedenzf­all schafft und künftige demokratis­che Präsidente­n etwa für drastische Klimaschut­zmaßnahmen ebenfalls das Parlament umgehen könnten.

Trump erneuerte hingegen am Freitag seine Warnung, dass an der Grenze zu Mexiko die Sicherheit des Landes bedroht sei. Das anschließe­nde Wochenende wollte er auf seinem Golfplatz in Florida verbringen.

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Karl Doemens berichtet für die SN aus den USA

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