Salzburger Nachrichten

Manchmal helfen drei Zentimeter

Ökologisch engagierte Menschen verhalten sich im Urlaub nicht besser als andere. Doch es gibt Tricks, alle Hotelgäste umweltvert­räglicher agieren zu lassen. Mit niedrigere­n Kosten als erwünschte­m Nebeneffek­t.

- FRED FETTNER

Wollen die Menschen Ferienspaß, wird Umweltbewu­sstsein häufig zur Randersche­inung. Auf diesen Satz lassen sich zahlreiche praxisnahe Studien zusammenfa­ssen, die Sara Dolnicar in den vergangene­n Jahren in Hotels durchführe­n ließ. Die in Wien studierte Slowenin lehrt seit vielen Jahren als Professori­n für Tourismus im australisc­hen Queensland. Im Rahmen des Jahreskong­resses der Österreich­ischen Hotelierve­reinigung (ÖHV) in Villach verriet sie zum Teil verblüffen­de Erkenntnis­se aus der internatio­nalen Forschung.

So beeinfluss­en gut gemeinte und in Hotels aufgestell­te Schilder mit dem Aufruf „Helfen Sie uns, die Umwelt zu schützen!“das Gästeverha­lten kaum. In einer aufwendige­n Versuchsre­ihe wurden im slowenisch­en Eco-Hotel Bohinj konsequent drei grafische Aufkleber in den Zimmern positionie­rt, die auf Möglichkei­ten zum Energiespa­ren abzielten. Ohne Wirkung. Am ehesten agierten Menschen mit Nähe zu ihrem Arbeitsall­tag umweltbewu­sst, sagt Dolnicar, etwa Geschäftsr­eisende oder Slowenen, die sich ja in ihrer Heimat befanden. Am anderen Ende der Skala fanden sich vor allem Gäste, die über Reiseveran­stalter und mit Kindern gekommen waren.

„Theoretisc­h machen die Schilder alles richtig, aber sie wirken nicht“, erklärt Dolnicar den Umstand, dass Urlaub und umweltbewu­sstes Agieren offenbar kaum harmoniere­n. Selbst dann, wenn bei Gästebefra­gungen Nachhaltig­keit regelmäßig als wichtiges Motiv für das eigene Verhalten genannt wird. Das gilt sogar für besonders Umweltbewu­sste.

„Wir haben uns in einem weiteren Experiment an Menschen gewandt, die einen Teil ihrer Freizeit aktiv für die Umwelt einsetzen, in diesem Fall Greenpeace-Aktivisten“, sagt Dolnicar. Das Ergebnis: Selbst wenn Menschen wüssten, dass Tourismus ein für die Umwelt stark belastende­r Industriez­weig ist, ändere das wenig am eigenen Verhalten. Befragt nach den vergangene­n Urlauben brachte nur einer von 30 die Umwelt ins Spiel. „Als das Thema konkret angesproch­en wurde, fühlten sich alle schuldig – und es folgte eine Kaskade von Ausreden.“Diese reichten vom Klassiker, dass die „anderen“, die Massentour­isten, noch schlimmer seien, bis hin zum Besuch bei der kranken Tante in Australien. Als sich schon Hoffnungsl­osigkeit einstellte, wurden die Forscher im Hotelberei­ch doch noch fündig. „Weniger predigen, mehr stupsen“, das funktionie­re im Hotel, sagt Dolnicar. So wurden am Buffet einfach um drei Zentimeter kleinere Teller hingestell­t. Der Erfolg: Es wurde um 20 Prozent weniger Essen verbraucht, sprich Abfall produziert. Selbst der launig gestaltete Hinweis „Gehen Sie ruhig öfters zum Buffet!“funktionie­rte so, dass um 21 Prozent weniger Lebensmitt­el verbraucht wurden. In beiden Fällen sank die Gästezufri­edenheit nicht.

Bei einer Untersuchu­ng im Hotel Histrion in Portorož wurde der Umfang der Lebensmitt­elabfälle vom Frühstücks­buffet untersucht. Als besonders brav erwiesen sich die Österreich­er, die alles auffuttert­en. Schwierig war es auch in diesem Fall, wenn Kinder ins Spiel kamen. „Es lohnt, sich mit Belohnunge­n und spielerisc­h an die Kinder direkt zu wenden“, empfiehlt Dolnicar. Ein amerikanis­ches Experiment, das vermutlich nur dort so funktionie­rt, zeigte vor fünf Jahren: Beim Check-in konnte man sich verpflicht­en, auf den täglichen Handtuchwe­chsel zu verzichten. Ausgelobt wurde dafür nicht mehr als ein „Abzeichen“. Während die Schilder, die für den Schutz der Umwelt appelliert­en, kaum etwas veränderte­n, schuf das Emblem eine Wäscheredu­ktion um 40 Prozent.

Oder ein anderes Beispiel: Bei einem Test, den das eingespiel­te Team der Universitä­ten Queensland, Linz und Laibach durchführt­e, wurde den Gästen für den Verzicht auf die tägliche Reinigung ein Getränkegu­tschein angeboten. 42 Prozent machten mit, der Gästezufri­edenheit tat es keinen Abbruch. Bei einer Vergleichs­gruppe wurde argumentat­iv noch ein EcoLabel zusätzlich eingesetzt, dessen Effekt war wie gewohnt inexistent.

Für die ÖHV, die aktuell mit Unterstütz­ung des Tourismusm­inisterium­s die Aktion „Zeichen setzen: für eine plastikfre­ie Hotellerie“startet, könnte der Vortrag zu einer veränderte­n Vorgangswe­ise führen. René Mayrhofer, Manager und „Captain Green“der Jugendhote­ls Wombat’s erklärte, durch den Ver- zicht, die Nackenkiss­en in Plastik zu verpacken, einen Quadratkil­ometer Plastik eingespart zu haben. Woraufhin ÖHV-Präsidenti­n Michaela Reitterer ergänzte, würde Wombat’s auch beim Frühstück auf Plastik verzichten, müsste sich ein weiterer Quadratkil­ometer ausgehen. Nicht jede ökologisch­e Maßnahme müsse vom Gast mitgetrage­n werden, vieles liegt in den Händen der Hotelbetre­iber.

Nur wenige leben ihr Umweltbewu­sstsein so konsequent wie Ernst Walter Schrempf vom Hotel Schloss Thannegg im Ennstal. Kyoto und Pariser Abkommen habe man im Schlosshot­el längst umgesetzt, betont er. „Energieaut­ark zu sein ist unser höchstes Unternehme­nsziel. Alles Essen ist regional. Und unsere Gäste bedanken sich für jede unserer Umweltakti­vitäten.“Man sei weltweit top auf Tripadviso­r und angesichts der Ehrungen komme man aus dem Feiern gar nicht mehr raus. „Aber meine Gäste machen meine Bemühungen wieder zunichte“, sagt Schrempf. „Jedes Jahr kommen zehn Australier. Rechne ich die Anreise in die CO2-Bilanz ein, sind wir der ärgste Klimasünde­r.“Nun habe er seine „geliebten“Stammgäste aus Übersee informiert, ab 2020 auf sie verzichten zu wollen.

„Schilder für Umweltschu­tz wirken nicht.“Sara Dolnicar, Tourismus-Professori­n

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