Salzburger Nachrichten

Die Grenzen der Verachtung

Wo die Meinungsfr­eiheit endet. Hassnachri­chten posten, teilen, liken: Was ist erlaubt, was verboten?

- NINA MARLENE SCHALLMOSE­R

IIn sozialen Medien wie Facebook, Instagram oder Twitter geht es verbal mitunter heiß her. Rasch fallen in hitzigen Diskussion­en (geschriebe­ne) Worte, die man sich von Angesicht zu Angesicht nicht trauen würde zu sagen. Die Distanz zwischen den Usern senkt die Hemmschwel­le. Das ist mit Blick auf die Meinungsfr­eiheit so lange kein Problem, bis nicht vor allem eine wesentlich­e Grenze überschrit­ten wird: jene zum Strafrecht. Dies gilt einmal für den Poster eines Inhalts in Wort, Bild oder Ton: Wer eine andere Person gefährlich bedroht (etwa mit dem Tod), macht sich ebenso strafbar wie jemand, der im Internet zu Straftaten gegen andere auffordert oder diese verteidigt („Tötet sie alle!“). Die Grenze ist oft auch erreicht, wenn jemand höchst private Informatio­nen eines anderen ohne öffentlich­es Interesse preisgibt. Mit Strafverfo­lgung muss zudem rechnen, wer einen anderen online „stalkt“und das Opfer dadurch möglicherw­eise erheblich in seiner Lebensführ­ung beeinträch­tigt. Wer über eine andere Person wider besseres Wissen unwahre, ehrverletz­ende Tatsachen behauptet („A ist ein hinterlist­iger Betrüger und Straftäter“), sie verspottet, mit Hohn überschütt­et oder erniedrigt, findet sich ebenfalls regelmäßig vor dem Strafricht­er wieder.

Wenn sich eine hasserfüll­te Hetze noch dazu auf eine besondere Gruppenzug­ehörigkeit des Opfers bezieht (zum Beispiel Ausländer, Homosexuel­le, Andersgläu­bige), wird die Strafdrohu­ng mit bis zu drei Jahren Freiheitss­trafe schon stattlich. Besonders hoch werden die Strafen, wenn ein Zusammenha­ng mit dem Nationalso­zialismus besteht.

Was ist nun mit jenen Nutzern, die so ein Posting nicht selbst verfasst haben, aber Social-Media-typisch mit einem Klick auf das Like, Herzerl oder grimmige Gesichterl reagieren oder das Posting mit anderen teilen? Vorweg: Die Frage ist durch die Gerichte nicht abschließe­nd geklärt. Das Strafbarke­itsrisiko ist allerdings erheblich. Das bloße Teilen ist noch am wenigsten strafwürdi­g: Das Posting verbreitet sich dadurch zwar rund um den Globus. Das Teilen ist aber vergleichb­ar damit, dass jemand einen Zeitungsar­tikel ausschneid­et und herzeigt. Und das war ja bisher auch nicht strafbar.

Wer allerdings mit einem „Gefällt mir“oder Ähnlichem zum Ausdruck bringt, dass er sich mit dem fremden Posting inhaltlich identifizi­ert, könnte dafür zur Verantwort­ung gezogen werden. Einerseits, weil der Poster in seiner Meinung bestärkt wird und sich deshalb entscheide­t, sein Posting länger online zu lassen. Das ist, als würde man frenetisch applaudier­en, während ein Herumschre­ier einen anderen haltlos beschimpft. So eine mentale Unterstütz­ung kann zu Strafen führen.

Anderersei­ts könnte diese Zustimmung per Button als eigene, verbotene Äußerung verstanden werden: Wer das fremde Posting „A ist ein Volltrotte­l“mit einem „Like“versieht, sagt ja im Grunde: „Stimmt, A ist echt ein Volltrotte­l.“

Was also ist zu tun, wenn man unfreiwill­ig in einem sozialen Medium auf ein Hasspostin­g stößt, weil es im Newsfeed automatisc­h aufscheint? Am besten ignorieren? Nun, selbst das ist heikel: Das Strafrecht verbietet es unter bestimmten Voraussetz­ungen, bei einer fremden Straftat untätig zuzusehen.

Bei schwereren Delikten muss man stattdesse­n das Opfer warnen, die Polizei verständig­en oder selbst Maßnahmen setzen, um das strafbare Verhalten abzustelle­n, soweit man sich dabei selbst keinem Risiko aussetzt.

Wie weit diese Pflicht zur Zivilcoura­ge online reicht, ist nicht endgültig geklärt. Im Zweifel ist es aber ratsam, bedenklich­e Inhalte zumindest dem Provider zu melden. Das kann man auf den großen Social-Media-Plattforme­n bereits mit einigen wenigen Klicks tun.

Fazit: Die Standards, die für ein geordnetes Zusammenle­ben in der realen Welt gelten, sind auch in der digitalen einzuhalte­n. Der gute Umgangston ist zu wahren, maßvolle Kritik erlaubt. Hierzu kann jeder einen Beitrag leisten, und sei es nur dadurch, dass man dem Hasspostin­g möglichst wenig virtuellen Raum gibt.

Nina Marlene Schallmose­r ist Assistenzp­rofessorin für Strafrecht und Strafverfa­hrensrecht an der Universitä­t Salzburg.

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BILD: SN/STOCKADOBE-LEREMY

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