Die Grenzen der Verachtung
Wo die Meinungsfreiheit endet. Hassnachrichten posten, teilen, liken: Was ist erlaubt, was verboten?
IIn sozialen Medien wie Facebook, Instagram oder Twitter geht es verbal mitunter heiß her. Rasch fallen in hitzigen Diskussionen (geschriebene) Worte, die man sich von Angesicht zu Angesicht nicht trauen würde zu sagen. Die Distanz zwischen den Usern senkt die Hemmschwelle. Das ist mit Blick auf die Meinungsfreiheit so lange kein Problem, bis nicht vor allem eine wesentliche Grenze überschritten wird: jene zum Strafrecht. Dies gilt einmal für den Poster eines Inhalts in Wort, Bild oder Ton: Wer eine andere Person gefährlich bedroht (etwa mit dem Tod), macht sich ebenso strafbar wie jemand, der im Internet zu Straftaten gegen andere auffordert oder diese verteidigt („Tötet sie alle!“). Die Grenze ist oft auch erreicht, wenn jemand höchst private Informationen eines anderen ohne öffentliches Interesse preisgibt. Mit Strafverfolgung muss zudem rechnen, wer einen anderen online „stalkt“und das Opfer dadurch möglicherweise erheblich in seiner Lebensführung beeinträchtigt. Wer über eine andere Person wider besseres Wissen unwahre, ehrverletzende Tatsachen behauptet („A ist ein hinterlistiger Betrüger und Straftäter“), sie verspottet, mit Hohn überschüttet oder erniedrigt, findet sich ebenfalls regelmäßig vor dem Strafrichter wieder.
Wenn sich eine hasserfüllte Hetze noch dazu auf eine besondere Gruppenzugehörigkeit des Opfers bezieht (zum Beispiel Ausländer, Homosexuelle, Andersgläubige), wird die Strafdrohung mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe schon stattlich. Besonders hoch werden die Strafen, wenn ein Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus besteht.
Was ist nun mit jenen Nutzern, die so ein Posting nicht selbst verfasst haben, aber Social-Media-typisch mit einem Klick auf das Like, Herzerl oder grimmige Gesichterl reagieren oder das Posting mit anderen teilen? Vorweg: Die Frage ist durch die Gerichte nicht abschließend geklärt. Das Strafbarkeitsrisiko ist allerdings erheblich. Das bloße Teilen ist noch am wenigsten strafwürdig: Das Posting verbreitet sich dadurch zwar rund um den Globus. Das Teilen ist aber vergleichbar damit, dass jemand einen Zeitungsartikel ausschneidet und herzeigt. Und das war ja bisher auch nicht strafbar.
Wer allerdings mit einem „Gefällt mir“oder Ähnlichem zum Ausdruck bringt, dass er sich mit dem fremden Posting inhaltlich identifiziert, könnte dafür zur Verantwortung gezogen werden. Einerseits, weil der Poster in seiner Meinung bestärkt wird und sich deshalb entscheidet, sein Posting länger online zu lassen. Das ist, als würde man frenetisch applaudieren, während ein Herumschreier einen anderen haltlos beschimpft. So eine mentale Unterstützung kann zu Strafen führen.
Andererseits könnte diese Zustimmung per Button als eigene, verbotene Äußerung verstanden werden: Wer das fremde Posting „A ist ein Volltrottel“mit einem „Like“versieht, sagt ja im Grunde: „Stimmt, A ist echt ein Volltrottel.“
Was also ist zu tun, wenn man unfreiwillig in einem sozialen Medium auf ein Hassposting stößt, weil es im Newsfeed automatisch aufscheint? Am besten ignorieren? Nun, selbst das ist heikel: Das Strafrecht verbietet es unter bestimmten Voraussetzungen, bei einer fremden Straftat untätig zuzusehen.
Bei schwereren Delikten muss man stattdessen das Opfer warnen, die Polizei verständigen oder selbst Maßnahmen setzen, um das strafbare Verhalten abzustellen, soweit man sich dabei selbst keinem Risiko aussetzt.
Wie weit diese Pflicht zur Zivilcourage online reicht, ist nicht endgültig geklärt. Im Zweifel ist es aber ratsam, bedenkliche Inhalte zumindest dem Provider zu melden. Das kann man auf den großen Social-Media-Plattformen bereits mit einigen wenigen Klicks tun.
Fazit: Die Standards, die für ein geordnetes Zusammenleben in der realen Welt gelten, sind auch in der digitalen einzuhalten. Der gute Umgangston ist zu wahren, maßvolle Kritik erlaubt. Hierzu kann jeder einen Beitrag leisten, und sei es nur dadurch, dass man dem Hassposting möglichst wenig virtuellen Raum gibt.
Nina Marlene Schallmoser ist Assistenzprofessorin für Strafrecht und Strafverfahrensrecht an der Universität Salzburg.