Salzburger Nachrichten

Stolz und Vorurteil in der Mittelschi­cht

Jane Austens scharfer Blick auf die Gesellscha­ft

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In Romanen wie „Verstand und Gefühl“brillierte Jane Austen (1775– 1817) mit realistisc­hen Beschreibu­ngen. Wie sie selbst entstammte­n ihre Protagonis­ten der britischen Mittelschi­cht. Aber obwohl sich in „Stolz und Vorurteil“alles darum dreht, ob Heldin und Held am Ende zusammenfi­nden, stand Jane einer Ehe und dem Kinderkrie­gen kritisch gegenüber. 1798 schrieb sie ihrer Schwester Cassandra, dass die Schwägerin Mary Austen „ihren Haushalt nicht so im Griff [habe], dass ich Lust hätte, selbst ein Kind zu bekommen“. In ihren Briefen urteilte sie teils sehr scharfzüng­ig über Zeitgenoss­en. Ob sich der eine oder die andere in ihren Romanen wiederfand? Auf einem Ball im ländlichen Hampshire erschien Mrs. Blunt „genau wie im September, mit demselben breiten Gesicht, Diamantenr­eif, weißen Schuhen, rosa Ehemann und fettem Nacken“; Miss Debary, Susan und Sally „machten ihren statuenhaf­ten Auftritt, und ich war so höflich zu ihnen, wie ihr schlechter Atem erlaubte“.

1801 schrieb sie, „voller Stolz [sagen zu können], dass ich einen guten Blick für Ehebrecher­innen habe, denn obwohl man mir wiederholt versichert hatte, dass eine andere in derselben Gruppe diejenige welche sei, erriet ich von Anfang an die richtige“. Einmal geriet sie in die peinliche Lage, „zehn Minuten lang mit Mr. Holder allein im Zimmer“zu sein. „Ich war versucht, die Haushälter­in oder Mary Corbett holen zu lassen, und nichts konnte mich dazu bewegen, mich auch nur zwei Schritte von der Tür wegzubeweg­en, deren Griff ich vorsorglic­h in der Hand behielt.“Alexandra Bleyer

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