Auf Twitter blieb es überraschend ruhig
THOMAS J. SPANG
Der US-Sonderermittler Robert Mueller hat in seinen Ermittlungen keine Hinweise auf eine Verschwörung des Wahlkampfteams von Präsident Donald Trump mit Russland gefunden. Das geht aus einem Brief hervor, den Justizminister William Barr dem Kongress übermittelte. Mueller habe auch keine Schlussfolgerung gezogen, ob Justizbehinderung begangen wurde. Er habe Trump aber auch nicht entlastet, schreibt Barr.
Mueller hatte seinen Bericht am Freitag übergeben, und die Untersuchungen zur Russland-Affäre damit nach fast zwei Jahren beendet. Seit Mai 2017 hatte er ermittelt, ob es bei mutmaßlichen Versuchen russischer Einflussnahme auf den USPräsidentschaftswahlkampf 2016 geheime Absprachen zwischen dem Trump-Lager und Vertretern Russlands gab. Und ob Trump mit der Entlassung von FBI-Chef James Comey die Justiz behindert hat. Die Ermittlungen führten zu mehr als 30 Anklagen, darunter sechs Personen aus Trumps Umfeld.
Der wähnte sich schon seit Freitag sehr sicher. Am Wochenende sah man ihn locker und gut gelaunt im sonnigen Florida. Statt auf Twitter seine innere Unruhe abzuarbeiten, feierte er in Mar-a-Lago mit Frau Melania, Donald junior und dessen Familie den dreizehnten Geburtstag von Sohn Baron.
Kurz zuvor hatte ihn der Justiziar im Weißen Haus, Emmet Flood, darüber informiert, dass Mueller seine Ermittlungen in der Russland-Affäre zum Abschluss gebracht hatte. Das Ende kam so undramatisch, wie der nach dem Rausschmiss von FBIDirektor James Comey eingesetzte Republikaner gearbeitet hatte.
Während in Mar-a-Lago Donald Trump mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel am Telefon über den Brexit und die Autozölle sprach, ging in Washington eine Frau in schwarzer Steppjacke unbemerkt an der Reporterschar vorbei, die seit Stunden vor einem Bürogebäude des US-Kongresses ausgeharrt hatte. Dort übergab sie einen einfachen Umschlag mit einem Schreiben von Justizminister William Barr, der den Kongress auf einer Seite kurz über den historischen Vollzug informierte.
Auf diesen Moment hatte das politische Washington in den vergangenen Monaten fast atemlos gewartet. Davon unbeeindruckt arbeitete Mueller diskret am Abschluss seiner Ermittlungen, die auf zwei Fragen beschränkt waren: Haben Trump und sein Team mit Russland zusammengearbeitet, um die Präsidentschaftswahlen 2016 zu seinen Gunsten zu manipulieren? Und hat Trump die Justiz bei der Aufklärung der Russland-Affäre behindert?
Die Antworten liegen nun vor. Sie lauten in beiden Fällen nein. Rechtsexperten verweisen darauf, dass Mueller gar keine Anklage gegen Trump empfehlen konnte. Das liegt an der seit Jahrzehnten geltenden Rechtsmeinung des Ministeriums, wonach amtierende Präsidenten nicht vor Gericht gestellt werden dürfen, da in der Verfassung für Verbrechen und Vergehen des Präsidenten ein Amtsenthebungsverfahren im Kongress vorgesehen ist.
Der Vorsitzende des Justizausschusses im Repräsentantenhaus, der Demokrat Jerrold Nadler, warnte davor, „darauf zu bestehen, dass ein amtierender Präsident nicht angeklagt werden kann, und dann Beweise von Fehlverhalten dem Kongress vorzuenthalten“. Mueller war nach der Methode seiner früheren Tätigkeit wie ein Mafia-Jäger vorgegangen und hatte sich bei seinen insgesamt 34 Anklagen von unten nach oben vorgearbeitet. Schließlich stellte er sechs Personen aus dem engsten Umfeld Trumps in der Russland-Affäre vor Gericht.
Dazu gehören Wahlkampfmanager Paul Manafort und der langjährige Anwalt Michael Cohen, die mehrere Jahre ins Gefängnis müssen. Trumps erster Nationaler Sicherheitsberater Michael Flynn kooperierte und kam mit einer milden Strafe davon, während auf Cohen wegen mutmaßlicher Koordination mit WikiLeaks ein Prozess wartet.
Mueller hat niemanden wegen Verschwörung angeklagt, was nicht heißen muss, dass es keine gab. Für Klarheit sorgen kann nur Justizminister Barr, der entscheiden muss, ob er dem Kongress die Informationen bereitstellt, die dieser benötigt, um zu klären, ob er ein Amtsenthebungsverfahren einleiten muss oder nicht. Nach Einschätzung der „New York Times“ist „die Stunde der Abrechnung gekommen“. Je nachdem, was Barr als Nächstes tut, könnte der Abschluss der MuellerUntersuchungen den Beginn einer Verfassungskrise bedeuten. Er markierte das Ende vom Anfang der Nöte des Präsidenten.
Vielleicht auch deshalb hielt sich der Präsident an den Rat von Justiziar Flood, mit Stellungnahmen abzuwarten. Es blieb ungewohnt still auf seinem Twitter-Kanal.