Sieg über den IS verkündet
Nach der wohl endgültigen militärischen Zerschlagung des IS-Kalifats fordern die syrischen Kurden die Rücknahme ausländischer IS-Kämpfer. Die Terrorgefahr bleibt.
Weil die Regie des Weißen Hauses es so wollte, musste die Siegesfeier bereits vor der Einnahme des mutmaßlich allerletzten Schlupfwinkels des sogenannten „Islamischen Staats“(IS) am Ufer des Euphrats stattfinden. Wie schon so häufig hatte US-Präsident Donald Trump vorschnell reagiert und den Triumph über die Terrormiliz bereits Freitagabend verkündet. Die schweren Kämpfe in der ISBastion Baghouz waren da noch im Gange. Und auch im Laufe des Samstags, als man der internationalen Presse das von schaurig entstellten Leichen übersäte Schlachtfeld zeigen wollte, musste der Besuch aus Sicherheitsgründen überstürzt abgebrochen werden: Die letzten Kämpfer des IS wollten sich noch immer nicht ergeben.
Der verzweifelte Widerstand der Dschihadisten ändert aber nichts an der Tatsache, dass das im Juli 2014 in der großen Moschee von Mosul proklamierte Kalifat jetzt militärisch zerschlagen worden ist. Der von der „New York Times“einmal als „teuflisch effizient“beschriebene Terrorstaat war damals so groß wie Großbritannien, reichte von den Toren Bagdads bis in die Vororte von Aleppo, und hatte mehr als acht Millionen Einwohner.
„Die 100-prozentige territoriale Niederlage“, so die überwiegend kurdischen „Syrischen Demokratischen Kräfte“(SDF) in ihrem SiegesTweet, bedeutet jedoch nicht, dass der IS nun in der Versenkung verschwinden wird. Fast schon gebetsmühlenartig wies der Außenbeauftragte der SDF, Abdel Karim Omar, am Wochenende immer wieder daraufhin, dass „wir den Terror noch längst nicht besiegt haben“. Die Terrormiliz, warnte er, könnte in neuer Form wiederauferstehen.
IS-Sprecher Abu Hassan al-Muhajir hatte erst vergangenen Mittwoch verkündet, man habe „nur nach westlichen Maßstäben“verloren. Diese besäßen für wirklich gläubige Muslime keine Gültigkeit. Was immer die „Koalition der Ungläubigen“auch tun werde – am Ende siege der „Islamische Staat“.
Wer sich davon überzeugen möchte, dass der harte Kern des IS ideologisch noch immer ungebrochen ist, sollte das von der SDF errichtete Internierungslager Al-Hol besuchen. In dem im kurdischen Nordosten errichteten Camp sind 66.000 Zivilisten untergebracht, die in den letzten Wochen aus der ISHochburg Baghouz evakuiert wurden. Die Hälfte hat sich mit hasserfüllten Sprechchören als IS-Sympathisanten zu erkennen gegeben. Hinzu kommen mindestens 5000 gefangene IS-Kämpfer.
Es gebe „Tausende“gefangen genommener Kämpfer und deren Kinder und Frauen aus 54 Ländern, sagte Abdel Karim Omar nach der siegreichen Schlacht von Baghouz. Diese seien eine „ernste Last und Gefahr“für die syrischen Kurden, weshalb sie von ihren Heimatländern endlich zurückgeholt werden müssten. Der Außenbeauftragte der SDF verlangte „eine Koordinierung zwischen uns und der internationalen Staatengemeinschaft, um sich dieser Gefahr zu stellen“. Schließlich seien einige Tausend Kinder von IS-Kämpfern mit der ISIdeologie erzogen worden. „Wenn diese Kinder nicht umerzogen und in ihre Ursprungsgesellschaft integriert werden, sind sie die Terroristen von morgen.“Eine Einschätzung, die von fast allen westlichen Geheimdiensten geteilt wird.