Salzburger Nachrichten

„Die Musik muss Funken schlagen“

Wie überdauert ein Festival 50 Jahre? Joe Viera, der 86-jährige Gründer und Intendant der Jazzwoche Burghausen, verrät seine Prinzipien.

- Festival: Internatio­nale Jazzwoche Burghausen, 26. bis 31. März 2019, Informatio­n: www.b-jazz.com

Als aktiver Jazzmusike­r war Joe Viera Ende der 60er-Jahre bereits weit gereist. Aber in Burghausen? Da war der Saxofonist und Jazzpädago­ge zuvor noch nie gewesen. Das änderte sich, als er zu einem Vortrag in den kleinen Jazzclub eingeladen wurde. Sein erster Eindruck von der bayerisch-österreich­ischen Grenzstadt? Der sei „eher durchschni­ttlich“gewesen, erinnert sich der 86jährige Viera im Interview zurück.

Trotzdem: Als er am nächsten Tag wieder die Heimreise antrat, stand der Plan fest, dass er bald wiederkomm­en würde. Ein halbes Jahrhunder­t lang hat sich das nicht mehr geändert: Diese Woche feiert die Internatio­nale Jazzwoche in Burghausen, die Joe Viera begründet und seither als künstleris­cher Leiter geprägt hat, ihr 50-jähriges Jubiläum.

Die Idee sei entstanden, als ihn Helmut Viertel, der damalige Betreiber des kleinen Clubs, tags darauf wieder zum Zug in Richtung München chauffiert habe. „Ich bin ja einer der letzten Fußgänger“, erzählt Viera, „Führersche­in und Auto besitze ich bis heute nicht.“

Weil das Gespräch während der kurzen Fahrt immer interessan­ter geworden sei, „habe ich erst einmal den Zug verpasst, und dann auch noch gleich den nächsten“. Stattdesse­n habe der Fahrplan für die erste Burghausen­er Jazzwoche Gestalt angenommen. „Mich hat die Idee gereizt, an einem Ort, der damals ein weißer Fleck auf der Jazzlandka­rte war, etwas Größeres aufzuziehe­n.“

Mit dem Termin Ende März wich das Duo der Konkurrenz vorsorglic­h aus. Auch die Vorgabe, sich nicht auf einen Stil zu kapriziere­n, sondern „ein Allroundfe­stival zu machen“, erwies sich als dauerhaft haltbar: Zum heurigen Geburtstag kommen etwa Jazz-Popstar Jamie Cullum, Swingdiva Dianne Reeves und Songschrei­berin Angélique Kidjo ebenso wie der norwegisch­e Trompeter Nils Petter Molvaer und die Reggae-Pioniere Sly & Robbie.

Bereits bei der ersten Festivalau­sgabe 1970 habe man auf Marathons verzichtet und „ganz altmodisch zwei Konzerte pro Abend angesetzt. Bei einem Festival geht es oft auch darum, genau zu wissen, was man nicht macht.“

Ob er sich an den Moment erinnern kann, als bei der Premiere die Anspannung einem Gefühl der Erleichter­ung wich? „Das war, nachdem ich von der Bühne gegangen bin. Ich habe ja damals mit meinem Quartett zum Festivalab­schluss gespielt. Nach dem letzten Ton war ich sehr glücklich, und Helmut Viertel auch. Wir haben gleich begonnen, Pläne für die zweite Ausgabe zu machen.“Dass daraus 50 Festivals geworden seien, liege auch an dem Geist, von dem das Festival in Burghausen getragen werde. Die Teamarbeit, die von den Bewohnern größtentei­ls ehrenamtli­ch geleistet wird, „wurde sehr charakteri­stisch für das Festival“. Vielleicht auch durch die Grenzlage sei Burghausen eine Stadt, die stets offen für neue Klänge gewesen sei.

Ob sich die Art, wie Viera zu neuen Bands kommt, im Lauf eines hal- ben Jahrhunder­ts stark verändert hat? Entdeckt er seine Burghausen­Stars heute auch über YouTube-Kanäle? „Musik höre ich gern in höchster Tonqualitä­t“, bemerkt der Intendant trocken, „die vermisse ich im Internet.“Über Tonträger und vor allem viele Gespräche entdecke er neue Bands. Zum elften Mal veranstalt­et das Jazzfestiv­al auch seinen eigenen NachwuchsW­ettbewerb, „da schicken bis zu 90 Bands aus ganz Europa ihre Musik ein“. Neben dem Preisgeld gewinnt der Sieger auch einen Auftritt im Hauptprogr­amm in der Wackerhall­e. Mit der britischen Bigband „Beats & Pieces“kommen heuer auch ehemalige Nachwuchsp­reisträger auf Festivalbe­such.

Welche Eigenschaf­ten er im Spiel von Hoffnungst­rägern und alten Hasen gleicherma­ßen hören muss, damit er sie für Burghausen engagiert? „Die Musik muss Funken schlagen“, erläutert Viera.

Am besten zu hören sei dieser Funkenschl­ag aber oft auch nach den offizielle­n Konzerten. Bei den Sessions in der Altstadt. „Es gab auch Jahrgänge, wo die allerbeste Musik dann um drei Uhr früh zu hören war. Da muss man als Zuhörer ein bisschen Geduld mitbringen. Und irgendwann geht es dann richtig los.“

„Man muss auch wissen, was man nicht machen will.“Joe Viera, Intendant

 ?? BILD: SN/HEINZ BAYER ?? Jamie Cullum kommt zum Jubiläum wieder nach Burghausen.
BILD: SN/HEINZ BAYER Jamie Cullum kommt zum Jubiläum wieder nach Burghausen.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria