Alles in Blau: Von der Blume zur Ameise
„In Ewigkeit Ameisen“von Wolfram Lotz ist ein Hörspiel. Ob es für die Bühne taugt, wird im Akademietheater nicht so recht einsichtig.
Die Sehnsucht nach dem Unendlichen fand in der Romantik ihr Symbol in der blauen Blume. Der deutsche Autor Wolfram Lotz variiert sie zur Suche nach der blauen Ameise. Das farblich ungewöhnliche Insekt verspricht dem Forscher Professor Schneling-Göbelitz Unsterblichkeit. Man ist verführt, an Loriots Herrn Müller-Lüdenscheidt zu denken, der in seiner blau gekachelten Wanne in einem ebenso blau gekachelten Badezimmer sitzt und diese Bastion verteidigt.
Tatsächlich sieht auch die Bühne im Wiener Akademietheater Loriots Zeichentrickbadezimmer ähnlich. Stéphane Laimé hat sämtliche Wände mit grauem Akustikschaumstoff ausgestattet, schalldicht soll es hier offenbar sein. Immerhin handelt es sich bei dem Text „In Ewigkeit Ameisen“um ein Hörspiel, das Regisseur Jan Bosse mit einem zweiten – „Das Ende von Iflingen“– kombinierte und für einen Theaterabend einrichtete.
Was mag die Intention sein? Bosse fällt nicht besonders viel ein, außer Lotz wörtlich zu nehmen und sich auf den tranceartigen Sound (Arno Kraehahn) zu konzentrieren.
Der Abend beginnt vielversprechend: Christiane von Poelnitz fliegt im blauen Overall, mit ninjaartigem Stirnband und schwarzen Flügeln vom Schnürboden. Im Gürtel steckt ein Schwert. Sie gibt den Erzengel Michael, dessen Auftrag in einem grauen Aktenordner festgehalten ist: Die gesamte Bevölkerung Iflingens soll gerichtet werden, so hat es der Chef befohlen. An ihrer Seite hängt Katharina Lorenz in blauen Trainingshosen und mit weißen Flügeln, sie ist ein „ganz normaler“Engel mit Namen Ludwig. Ludwig ist der Assistent des Erzengels, jener des Ameisenforschers heißt Müller. Damit sind zwei Herr-Knecht-Paare etabliert, deren Rollen von Szene zu Szene getauscht werden, was eine gewisse Komik erzeugt. Vor allem Klaus Brömmelmeier macht die grotesken Momente deutlich. Was kann das für eine Unsterblichkeit sein, die sich der Ameisenforscher knapp vor der Apokalypse verschaffen will? Dem sinnlosen Unternehmen verschrieben, schiebt Müller seinen Professor im Rollstuhl durch den Urwald.
Am Ende des 90-minütigen Abends haben die vier Darsteller jede Rolle einmal verkörpert. Dann entdeckt, in Gestalt Brömmelmeiers, der Erzengel Michael endlich die Bevölkerung Iflingens im Zuschauerraum. Doch unmittelbar vor dem Jüngsten Gericht erlöst ein Brief die Menschen. Sie sind unschuldig, steht geschrieben, der göttliche Auftrag wird buchstäblich mit der Posaune abgeblasen.
Nur in wenigen Momenten hebt die Inszenierung ab, etwa wenn Aenne Schwarz als Mauersegler von der Sehnsucht spricht, durchs All zu schweben. Dann blitzen Augenblicke von Lotz’ poetischer Idee durch. Solche Kraft und der Witz wurden übrigens mit viel mehr Fantasie in Anna Marboes Inszenierung des Stücks, 2018 am Reinhardt Seminar, sichtbar.
Zwei Paare nach dem Schema Herr-Knecht