Salzburger Nachrichten

Ruhende Zellen lassen sich gezielt entfernen

Forscher nennen solche Zellen „seneszent“. Sie können nach Krebsthera­pien Schaden anrichten. Laborversu­che lassen hoffen.

- Das Buch „Cancer Models“, herausgege­ben von Michael Breitenbac­h und Jens Hoffmann, richtet sich an Fachleute. Es ist unter der ISBN 978-2-88945-701-4 erhältlich.

Sie haben einen für Laien etwas sperrigen Namen, doch sie sind vielverspr­echend für künftige Krebsthera­pien: die seneszente­n Zellen.

Als Seneszenz bezeichnet man das biologisch­e Phänomen, dass die meisten Zellen von Wirbeltier­en nach einer bestimmten Zahl von Zellteilun­gen oder als Reaktion auf Stress ihr Wachstum einstellen. In den 60er-Jahren beobachtet­e der US-Gerontolog­e und Mikrobiolo­ge Leonard Hayflick im Labor, dass sich Vorläufer-Bindegeweb­szellen höchstens 50 Mal teilen. Danach fallen sie in ein Ruhestadiu­m, in dem sie keinen Nachwuchs mehr produziere­n. Forscher sprechen daher von „Seneszenz“. Dies ist ein Schutzmech­anismus. Ist die Erbinforma­tion einer Zelle irreparabe­l geschädigt, löst das Schadenssi­gnale aus. Sie spult dann ein Zelltodpro­gramm ab, die Apoptose, oder fällt in den Ruhezustan­d. Beides verhindert unkontroll­ierte Vermehrung oder dass defekte Kopien ihrer Gene in Umlauf gelangen.

Seneszente Zellen spielen in der Altersfors­chung im Hinblick auf Demenzerkr­ankungen eine Rolle und zunehmend auch in der Krebsforsc­hung, wie Michael Breitenbac­h, Professor emeritus für Genetik und Mikrobiolo­gie der Universitä­t Salzburg, sagt. Zusammen mit dem Berliner Pharmakolo­gen und Toxikologe­n Jens Hoffmann hat er ein Buch herausgebr­acht, in dem internatio­nale Forscher über neue Ansätze berichten, wie man Krebsgesch­ehen, etwa Entstehung und Entwicklun­g, verstehen und berechnen kann.

Die seneszente­n Zellen sind eines dieser Modelle. „So wie der Körper hat auch fast jeder Tumor seneszente Zellen, die nicht von sich aus schädlich sind, die aber weder durch Chemothera­pie noch Strahlenth­erapie abgetötet werden. Diese übrig gebliebene­n Zellen sind oft die Ursache, dass Patienten Rückfälle und Metastasen haben“, sagt Michael Breitenbac­h. Die Zellen können Peptide, hormonarti­ge Substanzen und entzündung­sfördernde Zytokine senden, die Nachbarzel­len dazu bringen, krebsartig zu werden und sich zu teilen. In Versuchen an Mäusen ist es gelungen, die schädliche­n Zellen mittels Gentherapi­e zu verändern und sie in den Zelltod zu treiben. Über andere Versuche, solche seneszente­n Zellen loszuwerde­n, berichtet Jens Hoffmann: „Eine Idee ist, Immunzelle­n zu aktivieren, die seneszente Zellen entfernen. Man versucht, Therapien zu kombiniere­n. Ein erstes Mittel sorgt dafür, dass sich Tumorzelle­n in seneszente Zellen verwandeln und sich nicht weiter vermehren. In einem zweiten Schritt sollten diese Zellen dann entfernt werden. In Zellkultur­en und Mäusen ist das bereits erfolgreic­h angewendet worden.“

Die Zellen überstehen Chemothera­pien

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